VwGH vom 05.05.2011, 2008/22/0274
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des D K in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14/1/4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 147.340/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am mit einem Visum C nach Österreich ein und stellte am einen Asylantrag, der, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, am rechtskräftig abgewiesen wurde.
Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Am stellte er den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "begünstigter Drittsta. - Ö" gemäß § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997.
Die erstinstanzliche Behörde (der Landeshauptmann von Wien) wies den Antrag mit Bescheid vom gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 des am in Kraft getretenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer über kein eigenes Einkommen verfüge und seine Ehefrau Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich EUR 17,72 (monatlich EUR 531,60) beziehe. Damit würden die erforderlichen regelmäßigen monatlichen Mindesteinkünfte zur Lebensführung in der Höhe von (damals) EUR 1.056,-- bei weitem unterschritten. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK liege nicht vor, weil die Ehe des Beschwerdeführers erst am geschlossen worden sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG ab. Begründend führte sie aus, dass sich die Höhe der nachzuweisenden Unterhaltsmittel nach den Richtsätzen des § 293 ASVG richte und ab für ein Ehepaar, das im gemeinsamen Haushalt lebe, EUR 1.091,14 und für ein Kind EUR 76,09 betrage. Auf Grund eines aktuellen Versicherungsdatenauszuges stehe fest, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers seit dem Kinderbetreuungsgeld sowie Familienbeihilfe beziehe. Dem notwendigen Bedarf von EUR 1.167,23 stehe somit nur ein "Einkommensersatz in Form von KBGG sowie FLAG" gegenüber. Das Einkommen des Beschwerdeführers als selbständiger Zeitungskolporteur im Juli 2006 in der Höhe von EUR 1.059,-- könne nicht berücksichtigt werden, weil es nicht aus einer legalen Erwerbstätigkeit stamme; da der Beschwerdeführer noch nie über eine Niederlassungsbewilligung nach dem NAG verfügt habe und er sein "Beschäftigungsverhältnis erst mit bis begründet" habe, finde nämlich § 1 Abs. 2 lit. m Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG keine Anwendung auf ihn.
Nach Wiedergabe des § 11 Abs. 3 NAG stellte die belangte Behörde fest, dass "ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht und die deutliche Unterschreitung der in § 293 ASVG vorgesehenen Richtsätze zu einer finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft führen". Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gestehe einer Familie nicht das unbedingte Recht auf ein gemeinsames Familienleben in einem Vertragsstaat zu. Auch beinhalte Art. 8 EMRK nicht das Recht, den geeignetsten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen. Des Weiteren bestehe laut EGMR nicht die grundsätzliche Verpflichtung zur Herstellung des Familienlebens. Jeder Vertragsstaat habe das Recht, die Einreise von Nichtstaatsangehörigen einer Kontrolle zu unterwerfen. Der Antrag des Beschwerdeführers sei "somit" abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Beurteilung der belangten Behörde, er verfüge über kein ausreichendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG. Die Einkommensbestätigungen, die er mit der Beschwerde vorgelegt hat, sind zwar als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung nicht zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer hat aber schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass er als selbständiger Zeitungskolporteur tätig sei, und einen Nachweis über den im Juli 2006 erzielten Gewinn vorgelegt. Dieses Einkommen hat die belangte Behörde mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass es mangels Ausnahme des Beschwerdeführers vom Geltungsbereich des AuslBG nicht aus einer legalen Erwerbstätigkeit stamme. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass eine selbständige Tätigkeit von vornherein nicht dem Anwendungsbereich des AuslBG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2) unterliegt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach der hg. Rechtsprechung für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel jenes Einkommen maßgeblich ist, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen ist. Mit dem vom Beschwerdeführer begehrten Aufenthaltstitel nach § 47 Abs. 2 NAG wäre ihm aber auch die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit auf Grund des § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG nicht versagt; ob er eine solche Tätigkeit bisher ohne Beschäftigungsbewilligung ausgeübt hat, ist dabei ohne Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0422, mwN). Die belangte Behörde hätte daher das vom Beschwerdeführer als selbständiger Zeitungskolporteur erzielte Einkommen - allenfalls nach der Einholung von Nachweisen, dass es sich dabei um regelmäßige Einkünfte handelt - bei der Ermittlung der erforderlichen Unterhaltsmittel berücksichtigen müssen.
Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-84235