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VwGH vom 24.04.2012, 2008/22/0254

VwGH vom 24.04.2012, 2008/22/0254

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vormals vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 150.884/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht (NAG) ab.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am illegal in Österreich eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt, welcher in zweiter Instanz durch Berufungszurückziehung mit rechtskräftig negativ erledigt worden sei. Am habe er eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht und in der Folge den gegenständlichen Antrag gestellt. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot "wegen Scheinehe" erlassen worden, welches mit rechtskräftig geworden sei. Seine Ehefrau habe am bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien niederschriftlich angegeben, dass sie zum Zeitpunkt der Eheschließung stark heroinabhängig gewesen sei und sich vom Beschwerdeführer zur Eheschließung habe überreden lassen. Der Lügerei überdrüssig, habe sie nunmehr die Wahrheit gesagt und dies in einem Brief an die Fremdenpolizei erklärt.

Nach Wiedergabe des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG und der § 21 Abs. 1 und 2 NAG führte die belangte Behörde ferner aus, § 21 Abs. 1 NAG stehe einer Bewilligung des Antrages entgegen, weil sich der Beschwerdeführer jedenfalls seit Inkrafttreten des NAG am nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte. Ein weiteres Eingehen auf seine persönlichen Verhältnisse, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK sei bei dieser Bestimmung entbehrlich. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Vorliegen eines zwingenden Versagungsgrundes - aufrechtes Aufenthaltsverbot wegen "Scheinehe" - kein Raum für eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK. Weiters sei "aufgrund der vorliegenden Aufenthaltsehe eine Prüfung hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts (EU) und eine Prüfung hinsichtlich des Vorliegens humanitärer Gründe gemäß §§ 72 ff. NAG entbehrlich".

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen, noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 gestellten Antrag zutreffend gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes (und zwar in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008) erledigt hat. Das wird in der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt.

Ausgehend von den unbekämpften Feststellungen, dass sich der Beschwerdeführer zumindest seit Inkrafttreten des NAG am nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und dass es sich beim gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handle, erweist sich die auf § 21 Abs. 1 NAG gestützte Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland hätte abwarten müssen, als unbedenklich (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/22/0424, und vom , Zl. 2009/22/0035).

Das Recht, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu können, käme im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht (vgl. das angeführte hg. Erkenntnis vom ).

Angesichts der unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, wonach eine Aufenthaltsehe vorliege, kommt für den Beschwerdeführer entgegen seiner Ansicht eine Berufung auf ein nach Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben aufgrund seiner Ehe nicht in Frage.

Die - von der belangten Behörde näher begründete - Annahme einer Aufenthaltsehe aber bedarf keiner "rechtsgestaltenden gerichtlichen Entscheidung", wie die Beschwerde zu Unrecht meint, zumal die - von der Fremdenpolizeibehörde vorzunehmende - Prüfung des Vorliegens einer "Scheinehe" nicht voraussetzt, dass die Ehe gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt worden ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0416, mwN); diese Beurteilung des allfälligen Vorliegens einer Scheinehe als Vorfrage steht auch der Niederlassungsbehörde zu.

Soweit der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, seine - nicht näher ausgeführte - Integration und seine "Verfolgung im Herkunftsstaat" als besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 72 NAG bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, ist er darauf hinzuweisen, dass im Verwaltungsverfahren das Vorbringen zu den genannten, lediglich pauschal behaupteten Umständen nicht konkretisiert wurde. Die Behauptung der Verletzung des Parteiengehörs erweist sich in diesem Zusammenhang als nicht ausreichend konkretisiert, sodass die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird. Die Gesamtdauer - siebeneinhalb Jahre - des seit rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens () unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, sowie die im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Erwerbstätigkeit lassen nicht auf eine derartige Verdichtung seiner Interessen schließen, die es nach Art. 8 EMRK gebieten würde, eine Antragstellung im Inland zuzulassen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0429, mwN). Weitere familiäre Bindungen oder sonstige Anhaltspunkte, die für eine besonders starke Integration des Beschwerdeführers in Österreich sprechen, wurden auch in der Beschwerde nicht konkret vorgebracht.

Die belangte Behörde hat somit zutreffend das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles verneint, die Inlandsantragstellung nicht zugelassen und den Antrag daher zu Recht abgewiesen.

Bei diesem Ergebnis mussten die insoweit missverständlichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid dahingehend, ob sich die belangte Behörde bei der Antragsabweisung auch auf § 11 Abs. 1 Z 4 NAG gestützt hat, keiner näheren Betrachtung unterzogen werden.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels war im Beschwerdefall auch nicht auf Grund des Unionsrechts geboten, weil im Fall einer - hier unbestritten vorliegenden - Aufenthaltsehe nicht davon auszugehen ist, die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts würde dazu führen, dass sich der die österreichische Staatsbürgerschaft und somit die Unionsbürgerschaft besitzende Ehepartner de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen (vgl. zu diesem Kriterium das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , C 256/11 - Dereci u.a., insbesondere Randnr. 64 ff).

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Da die Umsatzsteuer im pauschalierten Aufwandersatz bereits enthalten ist, war das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-84177