VwGH vom 15.11.2011, 2011/05/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des JL in Wien, vertreten durch Mag. Thomas Braun, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Berggasse 4/Stg. 1/Top 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-495/10, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Gebäudes D. Straße 122 und Grundeigentümer den Auftrag, binnen einer Frist von acht Monaten nach Rechtskraft des Bescheides den ohne Baubewilligung errichteten Lokalzubau mit einer bebauten Fläche von ca. 10 m2 und einer mittleren Höhe von ca. 2,50 m abzutragen und entfernen zu lassen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher er vorbrachte, der beanstandete Zubau bestehe bereits seit vielen Jahren ohne jedwede Anrainerbeschwerden. Das Vorgehen der Baubehörde erscheine ihm angesichts der Größe des Zubaus "völlig überzogen und völlig unverhältnismäßig", zumal der Zubau als Gastraum zur dazugehörigen Gaststätte diene, welche die Existenz des Beschwerdeführers sichere. Außerdem müsse der Abtragungsauftrag bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die noch einzubringende Berufung gegen die Zurückweisung seines Ansuchens um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung hintangehalten werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten:
Nach den unbestrittenen Feststellungen der Baubehörde erster Instanz stelle die gegenständliche Baulichkeit einen Zubau zum bestehenden Gastgewerbelokal dar, der nach dem Berufungsvorbringen der Erweiterung des Gastlokals diene und als Gastraum verwendet werde und dessen Errichtung gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO bewilligungspflichtig sei. Es liege unzweifelhaft keine Bewilligung für diesen Zubau vor.
Gemäß § 129 Abs. 10 erster Satz BO sei jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben, somit bestehe für den Gebäudeeigentümer - der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, Eigentümer des gegenständlichen Bauwerks zu sein - eine Verpflichtung zur Beseitigung des bewilligungslosen Zubaus schon kraft Gesetzes. Auch der Umstand, dass der gegenständliche Zubau schon seit vielen Jahren stünde, ändere nichts an der Zulässigkeit des Beseitigungsauftrags, ebenso wenig der "klein dimensionierte Anlass", zumal eine "Bagatellgrenze" bei vorschriftswidrigen Bauten vom Gesetz nicht definiert sei. Vielmehr müsste für das vorläufige Unterbleiben eines Auftrages nach § 129 Abs. 10 BO ein sachlicher Grund gegeben sein, der im vorliegenden Fall nicht zu ersehen sei; die persönliche Situation des Verpflichteten sei kein solcher Grund. Nach höchstgerichtlicher Judikatur könne eine erforderliche Baubewilligung auch nicht durch eine langjährige Nutzung ersetzt werden.
Im baupolizeilichen Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO sei nicht zu prüfen, ob die Möglichkeit der Erwirkung einer (nachträglichen) Bewilligung bestehe, ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren stehe der Erlassung eines Bauauftrages nach § 129 Abs. 10 BO nicht entgegen, somit sei ein Beseitigungsauftrag nach dieser Bestimmung während der Anhängigkeit eines Verfahrens betreffend eine nachträgliche Baubewilligung zulässig. Entgegen dem Berufungsvorbringen hätte daher auch nicht die Erteilung des Abtragungsauftrages bis zur Rechtskraft der Zurückweisung des Antrages auf Baubewilligung des Lokalzubaus unterlassen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, der Zubau bestehe bereits ca. 60 Jahre. Sein Rechtsvorgänger habe sich in den Siebzigerjahren um eine Baubewilligung bemüht, allerdings sei es wegen der Möglichkeit, dass die Grundfläche für einen Busumkehrplatz benötigt werden könnte, nicht zu einer Baubewilligung gekommen. Derzeit wäre eine Baubewilligung möglich, jedenfalls nach §§ 71a f BO. Außerdem sei ein vermuteter Konsens anzunehmen. Die Behörde habe den Sachverhalt nur mangelhaft ermittelt.
Gemäß § 129 Abs. 10 2. Satz BO ist ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam
(§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.
Die von der belangten Behörde festgestellte und ohne Erwirkung einer Baubewilligung hergestellte Baulichkeit, welche Gegenstand des beschwerdegegenständlichen baupolizeilichen Auftrages ist, stellt unbestritten einen Zubau und damit einen bewilligungspflichtigen Bau im Sinne der Bauordnung für Wien (§ 60 Abs. 1 lit a BO) dar.
Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen ist. Aus diesem Grund geht das Vorbringen in der Beschwerde, wonach Baubewilligungen nach den §§ 71a bzw. 71b BO möglich seien, ins Leere. Auch ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch würde die Erlassung eines Auftrages nicht hindern, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung nicht vollstreckt werden, freilich ebenso wenig im Falle der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung (siehe dazu die bei Geuder/Hauer , Wiener Bauvorschriften, 5. Auflage, S. 800 unter E 10a und S. 821 f unter E 100 ff wiedergegebene hg. Judikatur).
Die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues trifft den jeweiligen Eigentümer, unabhängig davon, ob er oder seine Rechtsvorgänger den konsenswidrigen Zustand durch ein schuldhaftes Verhalten herbeigeführt haben. Belanglos ist, wer die Herstellung eigenmächtig vorgenommen hat. Der jeweilige Hauseigentümer ist auch für den durch seinen Rechtsvorgänger geschaffenen Bauzustand verantwortlich (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0192, mwN).
Die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit eines Baues setzt unter anderem voraus, dass kein Anhaltspunkt für eine gegenteilige Annahme vorliegt (vgl. die bei Moritz , Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 321 zitierte hg. Judikatur). Ein solcher Anhaltspunkt ist im Beschwerdefall aber schon im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen, dass etwa in den 70er Jahren seitens des damaligen Grundeigentümers/Betreibers versucht worden sei, eine nachträgliche Baubewilligung für den gegenständlichen Gebäudeteil zu erwirken, welche allerdings mit der Begründung, dass dieser Grundstücksteil für die Errichtung eines Busumkehrplatzes "reserviert" sei, nie erteilt worden sei, gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0109).
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-84176