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VwGH vom 24.04.2012, 2008/22/0248

VwGH vom 24.04.2012, 2008/22/0248

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 144.706/6-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau gemäß § 19 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe die Gewährung von Asyl beantragt. Sein Asylantrag sei mit rechtskräftig abgewiesen und Refoulementschutz nicht gewährt worden. Jedenfalls seit dieser Zeit sei er im Bundesgebiet unrechtmäßig aufhältig. Unter Berufung auf seine am mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe habe er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG", welcher seit als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gerichtet zu werten sei, gestellt. Seit sei er von seiner österreichischen Ehefrau geschieden. Da er noch niemals zuvor über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, liege ein Erstantrag vor, den er per Post durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter im Inland eingebracht und dessen Entscheidung er auch nach Inkrafttreten des NAG im Inland abgewartet habe. Seine Asylantragstellung habe noch kein Aufenthaltsrecht nach dem Fremdengesetz 1997 bzw. dem NAG begründet. Durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Verbindung mit seiner Erwerbstätigkeit sei die öffentliche Ordnung gefährdet. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG, deretwegen eine Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG von Amts wegen zugelassen werden könne, habe der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht releviert. Sein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet als Asylwerber, seine (aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthalts und seiner - mittlerweile wieder geschiedenen - Aufenthaltsehe nur scheinbare) Integration in Österreich und die Tatsache seiner Beschäftigung (ohne hiefür über einen geeigneten Aufenthaltstitel zu verfügen) würden keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe iSd § 72 Abs. 1 NAG darstellen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 1886/07-6, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Über die nach Aufforderung ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Erlassung (am ) die Rechtslage des NAG idF der Novelle BGBl. I Nr. 99/2006 maßgeblich ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er nach Stellung des gegenständlichen Antrags im Inland geblieben ist und er bestreitet auch nicht die auf seinen eigenen Angaben beruhende behördliche Feststellung, dass die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin geschieden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach u.a. im Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0036, bereits aus, dass - auch schon im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 - der Fremde nach Scheidung der Ehe jedenfalls nicht mehr berechtigt gewesen sei, die Entscheidung über seinen Antrag im Inland abzuwarten. Da der Beschwerdeführer unstrittig entgegen § 21 Abs. 1 zweiter Satz NAG nach Inkrafttreten des NAG nicht ausgereist ist und die Entscheidung über seinen Antrag nicht im Ausland abgewartet hat, durfte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, § 21 Abs. 1 NAG sei nicht entsprochen worden.

Der Hinweis des Beschwerdeführers, die Auslandsantragstellung wäre als zusätzliche Formalvoraussetzung im Sinn des § 81 NAG unzulässig, geht deswegen fehl, weil es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Verpflichtung, den Antrag im Ausland zu stellen und den Ausgang des Verfahrens im Ausland abzuwarten, nicht um ein bloßes Formalerfordernis, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung handelt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0661, mwN). Aus dem Umstand, dass die belangte Behörde erst nach Inkrafttreten des NAG mit über den gegenständlichen Antrag entschieden hat, vermag der Beschwerdeführer kein subjektives Recht auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abzuleiten.

Anderes gilt für den von der belangten Behörde ebenfalls erstmals, allerdings nicht zu Recht herangezogenen § 19 Abs. 1 NAG betreffend das Erfordernis der persönlichen Antragstellung. Diese Bestimmung erweist sich als bloße Formalvoraussetzung, die erst seit mit Inkrafttreten des NAG eingeführt wurde.

Da der gegenständliche Antrag jedoch vor Inkrafttreten des NAG gestellt wurde und dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fremdengesetz 1997 das Erfordernis der persönlichen Antragstellung fremd war, durfte dieses zusätzliche Formalerfordernis des § 19 Abs. 1 erster Satz NAG nicht zur Zurückweisung führen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0790, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Insoweit die Beschwerde rügt, dem Beschwerdeführer hätte darüber hinaus von amtswegen ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen nach dem Ermessen der Behörde erteilt werden müssen, ist darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde - wie weiter unten dargelegt - im Zuge einer Interessenabwägung zutreffend nicht vom Vorliegen humanitärer Gründe im Sinn der §§ 72, 73 NAG ausging.

Das Recht, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland abzuwarten, kommt im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland einschließlich des Abwartens der Entscheidung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0265 bis 0267, mwN).

Zwar hat die belangte Behörde ausgehend von einer falschen Rechtsansicht zu Unrecht die Ansicht vertreten, ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers im Hinblick auf Art. 8 EMRK sei im Falle der Heranziehung des § 21 Abs. 1 NAG als Abweisungsgrund entbehrlich, dennoch hat sie nachfolgend erkennbar eine Interessenabwägung vorgenommen.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist der Beschwerdeführer nicht dadurch in Rechten verletzt, dass die belangte Behörde die Interessenabwägung nach § 72 NAG nicht zu seinen Gunsten vorgenommen hat. Wesentlich ist im Ergebnis im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer nicht (mehr) Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin ist. Daran anknüpfend kommen seinem inländischen Aufenthalt seit dem Jahr 2001 (somit von ca. sieben Jahren bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) und seiner Berufstätigkeit sowie seinen Kontakten zu seinen in Österreich aufhältigen Brüdern kein solches Gewicht zu, dass sie das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften überwögen. Das angeführte öffentliche Interesse erfordert es, dass Asylwerber nach (rechtskräftiger) Ablehnung ihrer Asylanträge den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herstellen.

Im Übrigen kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 2 NAG auch deshalb nicht in Betracht, weil die Ehe des Beschwerdeführers, auf die er sich stützte, nicht mehr aufrecht ist und daher seine Angehörigeneigenschaft nicht mehr gegeben ist.

Soweit in der Beschwerde die Feststellungen der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer nie ein Familienleben mit seiner (unstrittig nunmehr von ihm geschiedenen) Ehefrau geführt hätte, (pauschal) bestritten werden, gehen die dazu gemachten Ausführungen des Beschwerdeführers schon deswegen ins Leere, weil die belangte Behörde ihre Versagung des begehrten Aufenthaltstitels nicht auf das Vorliegen bzw. das Eingehen einer Aufenthaltsehe gestützt hat.

Nach dem Gesagten erweist sich die Abweisung des vorliegenden Antrags unter Berufung auf § 21 Abs. 1 NAG nicht als rechtswidrig.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-84167