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VwGH vom 18.03.2013, 2011/05/0009

VwGH vom 18.03.2013, 2011/05/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des NB in Wien, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum, Dr. Peter Karlberger, Dr. Manfred Wiener, Mag. Wilfried Opetnik und Mag. Petra Rindler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Nibelungengasse 1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 360/10, betreffend Rückstellung von Grundflächen (weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, 1082 Wien, Rathaus), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Rückstellung von abgetretenen Grundflächen gemäß § 58 Abs. 2 lit. d der Bauordnung für Wien (BO). Er führte aus, er sei Eigentümer der Liegenschaft EZ 3134, KG H, bestehend aus den Grundstücken Nr. 781/2112 und Nr. 781/2153. Seinem Rechtsvorgänger sei die Grundabteilung vom Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom genehmigt worden. Dabei sei ein Bauplatz im Ausmaß von 515,2 m2 geschaffen und der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers verpflichtet worden, eine Fläche von 313,58 m2 unentgeltlich an das öffentliche Gut abzutreten. Die lastenfrei abgetretenen Grundflächen seien als öffentliche Verkehrsflächen gewidmet gewesen. Im Zuge der Neufestsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes im Jahr 2005 (Plandokument 7633 vom ) sei ein Teil der abgetretenen Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen gewidmet und zur Herstellung der Grundbuchsordnung in weiterer Folge in eine Privateinlage der Stadt Wien übertragen worden. Es sollte hier ein Parkplatz für das Kleingartengebiet geschaffen werden. Seit Änderung des Bebauungsplanes im Jahr 2005 falle diese Fläche nicht mehr in die Abtretungsverpflichtung der Liegenschaft des Beschwerdeführers. Trotz erfolgter Abtretung seien die für diesen Bereich geplanten Verkehrsflächen niemals hergestellt worden. Stattdessen sei die unentgeltlich an das öffentliche Gut zweckgebunden abgetretene Fläche im Ausmaß von 62 m2 nach Umwidmung im Jahr 2005 einer Privatnutzung als Parkplatz zugeführt worden. Habe es nie eine Verwirklichung der Straßennutzung gegeben, komme die Befristung des letzten Satzes des § 58 Abs. 2 lit. d BO nicht zum Tragen. Es werde daher der Antrag gestellt, dass die seinerzeit unentgeltlich zu viel abgetretene Grundfläche im Ausmaß von 62 m2 (laut beiliegendem Plan) zurückgestellt, in eventu eine angemessene Geldentschädigung in Höhe des Verkehrswertes an den Beschwerdeführer bezahlt werde.

In einer Stellungnahme der Magistratsabteilung 64 - SV vom wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 7633, ein Teil der unentgeltlich abgetretenen Grundflächen als Erholungsgebiet-Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen-Parkplatzfläche gewidmet worden sei. Dieser Teil sei anlässlich der mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom genehmigten Grundabteilung vom öffentlichen Gut ab- und wieder der Privateinlage der Stadt Wien zugeschrieben worden. Laut Stellungnahme der Magistratsabteilung 28 befinde sich die nicht mehr in die Abtretungsverpflichtung der gegenständlichen Liegenschaft fallende Fläche bereits seit mehr als 30 Jahren vor Änderung des Bebauungsplanes im physischen Besitz der Stadt Wien. Laut Ortsaugenschein seien Teilflächen davon straßenmäßig ausgebaut. Der als Parkplatzfläche gewidmete Teil sei eine Grünfläche, die nicht straßenmäßig ausgebaut sei. Die gegenständliche Fläche im Ausmaß von 62 m2 falle nun nicht mehr in die Abtretungsverpflichtung. Sie sei auf Grund des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom unentgeltlich abgetreten worden.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Rückstellung von abgetretenen Grundflächen im Ausmaß von 62 m2 gemäß § 58 Abs. 2 lit. d BO abgewiesen (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde gemäß § 58 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d BO dem Beschwerdeführer eine Mehrleistungsentschädigung für 62 m2 zu viel abgetretenen Straßengrund in der Höhe von EUR 17.980,-- zuerkannt.

Gegen Spruchpunkt I. erhob der Beschwerdeführer Berufung (nach der Aktenlage wurde Spruchpunkt II vor den ordentlichen Gerichten im Wege der sukzessiven Kompetenz bekämpft).

Im Rahmen des Berufungsverfahrens führte die Magistratsabteilung 64 in einer Stellungnahme vom im Wesentlichen aus, da sich die gegenständliche Fläche im Ausmaß von 62 m2 nicht im Bauland befinde, könne sie auch nicht gemäß § 58 Abs. 2 lit. d BO in einen Bauplatz einbezogen werden. Auch in einen Kleingarten könnte sie nicht einbezogen werden, da sie als Parkplatzfläche gewidmet sei. Darüber hinaus befinde sich die Fläche auch nicht im öffentlichen Gut, sondern in einer Privateinlage der Stadt Wien.

Der Beschwerdeführer äußerte sich in einer Stellungnahme vom ablehnend.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund der Ausweisung der gegenständlichen Fläche als Gemeinschaftsfläche für das Abstellen von Kraftfahrzeugen sei eine Einbeziehung in den Bauplatz des Beschwerdeführers, der als Bauland-Wohngebiet gewidmet sei, bereits auf Grund der unterschiedlichen Widmungen nicht möglich. Darüber hinaus sei der Bauplatz des Beschwerdeführers durch öffentliches Gut (S-Weg) von der gegenständlichen Grundfläche getrennt. Ein tatsächliches Einbeziehen dieser Fläche in den Bauplatz des Beschwerdeführers sei somit auch aus diesem Grund nicht möglich. Die Einbeziehung der zu viel abgetretenen Grundfläche in den Bauplatz stelle jedoch gemäß § 58 Abs. 2 lit. d BO eine Grundvoraussetzung für eine Rückstellung einer abgetretenen Grundfläche dar. Da eine Rückstellung ausscheide, bestehe allein ein Anspruch auf Mehrleistungsentschädigung, die mit Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides auch zuerkannt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1599/10, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte aus, soweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde, lasse ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Verweis auf die Erkenntnisse VfSlg. Nr. 4873 und Nr. 16.652) zur Unbedenklichkeit des § 58 Abs. 2 lit. d BO im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen eine Geldentschädigung anstelle der Rückstellung abgetretener Flächen vorgesehen sei, die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen aus, es treffe zu, dass § 58 Abs. 2 lit. b zweiter Satz BO eine Voraussetzung regle, unter der ursprünglich abgetretene Grundflächen zurückzustellen bzw. zurückzuübereignen seien. Diese ausdrückliche Regelung sei jedoch nicht im Sinne einer abschließenden Regelung zu verstehen, zumal sich dafür auch keine Anhaltspunkte in der genannten Vorschrift ausmachen ließen. Die Rückstellungsregelung des § 58 Abs. 2 lit. d BO sei nicht restriktiv hinsichtlich der dort genannten Voraussetzungen auszulegen. Diese Ansicht sei aus der besonderen verfassungsrechtlichen Absicherung des Eigentumsrechtes geboten. Auch der Verfassungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass der Anspruch auf Rückübereignung bei zweckverfehlter Enteignung bereits unmittelbar auf Grund der Verfassung bestehe. Jeder Enteignung hafte daher in der Wurzel der Vorbehalt an, dass sie erst dann endgültig wirksam sei, wenn der vom Gesetz als Enteignungsgrund normierte Zweck verwirklicht sei, dass sie aber rückgängig zu machen sei, wenn dieser Zweck nicht verwirklicht werde. Unter der Prämisse des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen wäre die Rückübereignung bereits an den der ursprünglichen Enteignung folgenden Tagen ausgeschlossen gewesen. Bereits zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Grundabtretung im Jahr 1963 sei das Grundstück des Beschwerdeführers von der Grundfläche, die rückstellungsgegenständlich sei, durch das öffentliche Gut (S-Weg) getrennt gewesen. Bereits dieses Beispiel zeige, dass die belangte Behörde der in Anspruch genommenen gesetzlichen Bestimmung einen zu restriktiven und damit verfassungswidrigen Inhalt beimesse. Im Übrigen biete § 58 Abs. 2 lit. d BO keinen Anhaltspunkt, dass die darin geregelten Voraussetzungen für die Rückstellung von Grundflächen abschließend geregelt seien. So bestehe eine Pflicht zur Rückübereignung bzw. Rückstellung auch dann, wenn sie im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt sei. Pflichten zur Rückübereignung seien auch verfassungskonform auszulegen. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, im Zweifel eine Rechtsvorschrift in Übereinstimmung mit der Verfassung auszulegen.

§ 58 der Bauordnung für Wien (BO) idF LGBl. Nr. 24/2008 lautet auszugsweise:

"Besondere Bestimmungen bei Änderung des Bebauungsplanes durch Verschmälerung, Verbreiterung, Auflassung oder Änderung der Verkehrsflächen

§ 58. …

(2) Sind anlässlich einer Abteilungsbewilligung Grundflächen zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetreten worden, treten bei Änderung des Bebauungsplanes folgende Rechtswirkungen ein:

d) Der Eigentümer eines Bauplatzes oder Bauloses hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung für die Mehrleistung, die dadurch entstanden ist, dass das Ausmaß der zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetretenen Grundflächen bzw. solcher, für die eine Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a entrichtet wurde, nach dem zur Zeit der Abtretung in Geltung gestandenen Bebauungsplan größer war, als es sich nach dem neuen Bebauungsplan ergeben würde. Müssen für Verkehrsflächen seinerzeit unentgeltlich abgetretene Grundflächen bzw. solche, für die eine Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a entrichtet wurde, nach der neuen Baulinie als Baugrund einbezogen werden, sind diese Flächen im Ausmaß der seinerzeitigen Mehrleistung unentgeltlich und von oberirdischen Bauwerken geräumt zurückzustellen. Für die über dieses Ausmaß zum Bauplatz oder Baulos einzubeziehenden Grundflächen hat der Eigentümer dieses Bauplatzes bzw. Bauloses Entschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Fällt die seinerzeit gegenüber der neuen Verpflichtung zuviel abgetretene Grundfläche nicht in den Bauplatz oder in das Baulos, hat die Gemeinde an den Eigentümer des Bauplatzes oder Bauloses, von dem die Grundflächen seinerzeit unentgeltlich abgetreten worden sind, Geldentschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Diese Ansprüche stehen jedoch nur zu, wenn zur Zeit der Beschlussfassung über die Änderung des Bebauungsplanes dreißig Jahre seit der Abschreibung und Übergabe des Straßengrundes noch nicht verstrichen sind.

…"

Wie sich aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 2 lit. d BO eindeutig ergibt, kommt eine Rückstellung von Flächen bei Änderung des Bebauungsplanes nur dann in Frage, wenn diese Flächen nach der neuen Baulinie als Baugrund in den Bauplatz einzubeziehen sind. Fällt die seinerzeit gegenüber der neuen Verpflichtung zu viel abgetretene Grundfläche nicht in den Bauplatz, hat die Gemeinde an den Eigentümer des Bauplatzes, von dem die Grundflächen seinerzeit unentgeltlich abgetreten worden sind, Geldentschädigung in Höhe des vollen Grundwertes zu leisten.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Darlegungen der belangten Behörde, dass die gegenständliche Fläche von 62 m2 nicht in seinen Bauplatz einzubeziehen ist und auch gar nicht einbezogen werden kann, weil sie nicht die Widmung Bauland aufweist (gemäß § 16 Abs. 2 BO muss ein Bauplatz zur Gänze im Bauland liegen). Außerdem ist die gegenständliche Fläche vom Bauplatz des Beschwerdeführers durch nach wie vor bestehendes öffentliches Gut getrennt, sie ist also somit nicht im Sinne des § 58 Abs. 2 lit. d BO nach der Baulinie einbeziehungspflichtig.

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass angesichts des Legalitätsprinzips (Art. 18 B-VG) die belangte Behörde verhalten gewesen wäre, über die Tatbestände des § 58 Abs. 2 lit. d BO hinaus eine Rückstellung der gegenständlichen Fläche in natura anzuordnen. Es bestehen, auch im Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof geäußerte Rechtsmeinung in seinem Ablehnungsbeschluss vom , keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, wo keine Einbeziehungsmöglichkeit und - verpflichtung in den Bauplatz des Beschwerdeführers besteht, anstelle der Rückstellung in natura eine Geldleistungsentschädigung vorgesehen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am