VwGH vom 26.06.2012, 2008/22/0228
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des IH in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 150.539/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer am illegal in Österreich eingereist sei und am einen Antrag auf Asyl gestellt habe, der erstinstanzlich negativ erledigt worden sei. Dieser Bescheid sei am in Rechtskraft erwachsen, nachdem der Beschwerdeführer die dagegen erhobene Berufung aus freien Stücken zurückgezogen habe.
Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am den gegenständlichen Antrag gestellt. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei gegen den Beschwerdeführer (wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe) ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Da der Beschwerdeführer zunächst illegal eingereist sei und sich seit rechtskräftiger Abweisung des Asylantrags, somit sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch der erstinstanzlichen Entscheidung über den Antrag am nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung entgegen.
Besonders berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe für eine Inlandsantragstellung seien weder im Antrag noch in der Berufung des Beschwerdeführers enthalten und hätten trotz diesbezüglicher Prüfung seitens der belangten Behörde nicht festgestellt werden können. In Anbetracht der Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in das Heimatland Bangladesch im Rahmen der Abweisung des Asylantrages stehe fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat keiner Gefährdung oder Bedrohung im Sinne des § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ausgesetzt sei. Dass sich die Lebenssituation des Beschwerdeführers in Bangladesch seit Erlassung dieses Bescheides wesentlich geändert hätte, habe der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Weder in der zum überwiegenden Teil aus einem illegalen Aufenthalt resultierenden Integration des Beschwerdeführers noch in der Ehe mit einer Österreicherin könnten besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 72 NAG erkannt werden, weshalb eine Inlandsantragstellung nicht zuzulassen gewesen sei.
Für die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie) erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen nicht.
Die gegen den bestätigenden Berufungsbescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0306, als unbegründet ab.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen, noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 (FrG) gestellten Antrag zutreffend gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes (BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008) beurteilte.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht unrechtmäßig im Inland aufhältig und nach § 21 Abs. 2 Z. 2 NAG zur Inlandsantragstellung berechtigt. Sein Aufenthalt sei zunächst durch das Asylverfahren, danach durch die rechtmäßige Antragstellung im Inland (nach dem FrG) erlaubt gewesen und könne durch die Gesetzesänderung nicht rückwirkend in ein rechtswidriges Verhalten umgedeutet werden. Die Bundespolizeidirektion Wien habe den Beschwerdeführer fehlerhaft zur Zurückziehung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid angeleitet, indem sie ihm mitgeteilt habe, dass er infolge seiner "Lebensumstandsänderung" (offenbar gemeint Heirat einer Österreicherin) nur dann einen Aufenthaltstitel erhalten könne, wenn er "das Asylverfahren zurückziehe". Schließlich habe die erstinstanzliche Behörde seinen gegenständlichen Antrag absichtlich nicht bearbeitet und auf das neue Gesetz gewartet.
Dem ist entgegenzuhalten, dass § 21 Abs. 1 NAG auch die Verpflichtung enthält, die Entscheidung über einen Erstantrag im Ausland abzuwarten. Dieser ab bestehenden Verpflichtung kam der Beschwerdeführer unbestritten nicht nach. Aus einer angeblich fehlerhaften Anleitung des Beschwerdeführers, seine Berufung im Asylverfahren zurückzuziehen, ist für ihn schon deshalb nichts gewonnen, weil für ihn gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG dieses Bundesgesetz nicht gilt, so lange er nach asylrechtlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt ist. Nach Beendigung der asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung ist auf ehemalige Asylwerber allerdings das Erfordernis der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG uneingeschränkt anzuwenden; sie können sich insbesondere nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 21 Abs. 2 Z. 2 NAG berufen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0265, mwN).
Der Umstand, dass die erstinstanzliche Behörde erst nach Inkrafttreten des NAG über den Antrag entschied, macht den vorliegenden Bescheid nicht rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0419, mwN).
Der Beschwerdeführer hätte daher nach dem Grundsatz der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung über den gegenständlichen Erstantrag im Ausland abwarten müssen.
Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher fallbezogen nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. Berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe liegen gemäß § 72 Abs. 1 NAG "insbesondere" vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt ist. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom , mwN und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0661).
Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nochmals relevierte angeblich fehlerhafte Rechtsbelehrung und das Überschreiten der Entscheidungsfrist von sechs Monaten lassen solche Umstände nicht erkennen. Der weiters geltend gemachten Ehe mit einer Österreicherin steht das von ihm selbst eingeräumte Scheidungsverfahren entgegen, sodass nicht von einem gemeinsamen Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK ausgegangen werden kann. Die Behauptung der sozialen und wirtschaftlichen Integration des Beschwerdeführers im Inland blieb unsubstantiiert. Eine Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in seiner Heimat wurde im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom und die fehlende Behauptung einer Änderung durch den Beschwerdeführer verneint. Angesichts dessen stellen sich die in der Beschwerde vorgebrachten "Unruhen in Bangladesch" als nicht ausreichend konkretisiert dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0227).
Da der Aufenthalt des Beschwerdeführers großteils unrechtmäßig war, und das Scheidungsverfahren anhängig war, kann ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund gemäß § 72 NAG nicht erkannt werden.
Somit ging die belangte Behörde zutreffend davon aus, dass einer Bewilligung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages § 21 Abs. 1 NAG entgegensteht.
Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht angeleitet, geht schon deshalb ins Leere, weil der Beschwerdeführer bereits bei Erstattung der Stellungnahme vom durch einen Rechtsanwalt vertreten war.
Da der Beschwerdeführer mit seiner österreichischen Ehefrau im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein gemeinsames Familienleben (mehr) führte, kann auch mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom , C-256/11, Rs Dereci ua., nicht davon ausgegangen werden, dass ihr im Fall der Verweigerung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer der tatsächliche Genuss des Kernbestands ihrer Rechte aus dem Unionsbürgerstatus verwehrt würde (vgl. das zur Ausweisung ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0750, mwN).
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am