VwGH vom 27.02.2013, 2011/05/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des AB in Wien, vertreten durch Mag. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salzgries 17/11A, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 126/10, betreffend Versagung einer Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit am beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/2 (MA 37/2), eingelangten "Bauansuchen gemäß § 8 Wiener Kleingartengesetz" beantragte der Beschwerdeführer die nachträgliche Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues im Kleingarten W.
Mit Bescheid vom untersagte der Magistrat der Stadt Wien, MA 37/2, gemäß § 8 Abs. 6 des Wiener Kleingartengesetzes 1996 (KGG) die Bewilligung für die Errichtung eines Zubaues zum bestehenden Kleingartenhaus im Ausmaß von ca. 23,77 m2. In der Bescheidbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der bewilligte Altbestand würde mit dem Zubau eine bebaute Fläche von insgesamt 63,85 m2 aufweisen. Gemäß § 12 Abs. 1 KGG seien jedoch nur 50 m2 bebaute Fläche erlaubt. Der Nachweis (Auftragsbestätigung vom der K), dass der Zubau vor 1996 errichtet worden sei, könne nicht berücksichtigt werden, da die Abmessungen von Länge 5,38 m, Breite 1,40 m und Höhe 2,80 m nicht mit denen in den Einreichplänen vom übereinstimmten. In diesen weise der Zubau ein Ausmaß von Länge 4,905 m, Breite 3,70 m und Höhe Außenkante 2,19 m bzw. Innenkante 2,88 m auf. Da es somit keinen Nachweis gebe, dass der Zubau vor dem errichtet worden sei, sei die nachträgliche Bewilligung zu untersagen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine als Einspruch bezeichnete Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass das Arbeitsende vor Ende 1996 gewesen sei. Er legte mit seiner Berufung eine Reihe von Unterlagen vor, um das zu untermauern. Laut der Schlussrechnung der K deckten sich die angeführten Längen- und Höhenmaße weitestgehend mit den "urgierten Dimensionen". Die effektive Baubreite betrage aber tatsächlich nur 2,40 m statt 3,70 m, Letzteres ergebe sich durch die Miteinbeziehung des seit 1989 vorhandenen Balkons.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, die bebaubare Fläche von 50 m2 werde überschritten. Eine Bewilligung nach § 8 KGG komme daher nicht in Frage. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausführe, dass der Zubau vor dem Jahr 1997 errichtet worden sei und dies auch durch diverse Belege zu untermauern versuche, damit sein Baubewilligungsansuchen auch als Antrag auf Erteilung einer Sonderbaubewilligung gemäß § 71b der Bauordnung für Wien (BO) behandelt werde, sei auszuführen, dass über einen Antrag auf Erteilung einer solchen Sonderbaubewilligung gemäß § 71b Abs. 5 BO der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den
2. Bezirk zu entscheiden hätte, somit ein anderes erstinstanzliches Organ als bei einer Einreichung im Sinne des § 8 KGG. Da ein solcher Bescheid bislang nicht ergangen sei, könne eine Sonderbaubewilligung nicht zum Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens gemacht werden. Gegenstand des Berufungsverfahrens sei ausschließlich der auf die Einreichung gemäß § 8 KGG bezogene Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom . Der belangten Behörde als Baubehörde zweiter Instanz komme keine darüber hinausgehende Zuständigkeit zu.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1560/10, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In seiner auftragsgemäß vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe einen Antrag auf Erteilung einer Sonderbaubewilligung gemäß § 71b BO gestellt. Darüber hätte der Bauausschuss entscheiden müssen. Stattdessen habe der Magistrat selbst das Bauansuchen abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei durch diesen Bescheid auch insofern beschwert, als damit zum einen eine Rechtsgrundlage für einen allfälligen Abbruchauftrag geschaffen werde und zum anderen rechtswirksam über den Bestand des bereits vor dem errichteten Zubaues entschieden worden sei. Der Magistrat der Stadt Wien habe im erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, einen Nachweis darüber zu führen, dass die Zubauten vor dem errichtet worden seien. Daraus sei ersichtlich, dass die Behörde erster Instanz den Antrag des Beschwerdeführers als solchen gemäß § 71b BO erkannt habe. Soweit die belangte Behörde berufen sei, auch über Berufungen gegen Bescheide des Bauausschusses gemäß § 71b BO zu entscheiden, ändere dies nichts daran, dass der Instanzenzug des Beschwerdeführers abgeschnitten worden sei. Dies stelle auch eine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter dar.
Gemäß § 1 Abs. 2 des Wiener Kleingartengesetzes 1996 gilt, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Bauordnung für Wien.
§ 8 des Wiener Kleingartengesetzes 1996 (KGG - das Gesetz in der Fassung LGBl. Nr. 25/2009) lautet auszugsweise:
"Baubewilligungen
§ 8. (1) Im 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet' und 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen' sowie auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Flächen ist für Neu-, Zu- und Umbauten von Kleingartenhäusern und Kleingartenwohnhäusern sowie für die Umwidmung eines Kleingartenhauses in ein Kleingartenwohnhaus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Baubewilligung erforderlich. Alle anderen Bauführungen in Kleingärten und auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Flächen bedürfen weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige; das Erfordernis der Zustimmung des Grundeigentümers nach Maßgabe zivilrechtlicher Bestimmungen bleibt unberührt. Für die Errichtung von Gemeinschaftsanlagen gelten ausschließlich die Bestimmungen der Bauordnung für Wien.
(2) Bei Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleingartenwohnhäusern sowie von Kleingartenhäusern im 'Grünland - Erholungsgebiet' und im 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen' sind der Behörde nur vorzulegen:
1. Baupläne in zweifacher Ausfertigung; die Baupläne sind von einem nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften hiezu Berechtigen zu verfassen und von diesem, vom Bauwerber, vom Bauführer sowie vom Grundeigentümer zu unterfertigen;
2. der Nachweis der Bewilligung des Kleingartens, wenn die erforderliche Abteilungsbewilligung noch nicht verbüchert ist;
3. eine Grundbuchsabschrift für den betroffenen Kleingarten.
(3) Die Baupläne haben folgende Angaben zu enthalten:
1. die Lage und Größe des Kleingartens innerhalb des Widmungsgebietes; ferner die Lage der benachbarten Liegenschaften, deren Einlagezahlen sowie die Namen und Anschriften aller ihrer Eigentümer;
2. die Lage und Größe des Gebäudes unter Angabe der Abmessungen und der Abstände zu den Kleingartengrenzen sowie der Nebengebäude, der Dachvorsprünge, der Balkone, der überdachten Kellerabgänge und der anderen baulichen Anlagen, die der bebauten Fläche des Kleingartens zugerechnet werden;
3. den Nachweis der Einhaltung der zulässigen Gesamtkubatur unter Darstellung der Gebäudehöhen im Wege der Fassadenabwicklung und der Dachform sowie der Höhenlage des anschließenden Geländes einschließlich allfälliger Geländeveränderungen;
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4. | die Angabe über die Art der Beseitigung der Abwässer; |
5. | bei Kleingartenwohnhäusern einen Nachweis über den Wärmeschutz. |
… |
(6) Ergibt die Prüfung der Angaben in den Bauplänen gemäß Abs. 3, dass die Bauführung unzulässig ist, hat die Behörde binnen drei Monaten ab tatsächlicher Vorlage der vollständigen Unterlagen die Bauführung mit schriftlichem Bescheid unter Anschluss einer Ausfertigung der Unterlagen zu untersagen. Wird die Bauführung untersagt, ist sie einzustellen.
…
(10) Erfolgt keine rechtskräftige Untersagung der Bauführung oder Versagung der Baubewilligung oder erlangen die Nachbarn keine Parteistellung gemäß Abs. 8, gilt das Bauvorhaben hinsichtlich der Angaben in den Bauplänen gemäß Abs. 3 als gemäß § 70 der Bauordnung für Wien bewilligt; § 70a Abs. 11 der Bauordnung für Wien gilt sinngemäß. Maßgebend für die Beurteilung des Bauvorhabens ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage der vollständigen Unterlagen.
…"
§ 71b der Bauordnung für Wien idF LGBl. Nr. 25/2009 lautet
auszugsweise:
"Sonderbaubewilligungen
§ 71b. (1) Für bestehende Bauwerke oder Bauwerksteile, die vor dem errichtet worden sind, eine erforderliche Baubewilligung nicht haben und auch nach §§ 70 oder 71 nicht bewilligt werden können, ist auf Antrag eine Sonderbaubewilligung mit schriftlichem Bescheid nach Maßgabe der folgenden Absätze zu erteilen.
(2) Dem Antrag sind vollständige Bestandspläne im Sinne des § 63 Abs. 1 lit. a und des § 64 anzuschließen.
(3) Die Sonderbaubewilligung ist zu erteilen, wenn öffentliche Interessen an dem weiteren Bestehen des Bauwerkes oder des Bauwerksteiles öffentliche Interessen oder Interessen der Nachbarn an der Beseitigung überwiegen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, ob
…
(4) Die Sonderbaubewilligung gilt als Baubewilligung im Sinne des § 71, jedoch höchstens für zehn Jahre.
(5) Über den Antrag auf Sonderbaubewilligung entscheidet der Bauausschuss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung (§ 133). Das Ermittlungsverfahren führt der Magistrat, bei dem auch der Antrag einzubringen ist. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens hat der Magistrat den Antrag an den zuständigen Bauausschuss weiterzuleiten."
Der belangten Behörde ist Recht zu geben, dass dann, wenn die erste Instanz nicht nach § 71b entschieden hat, sondern nur nach § 70 der Bauordnung für Wien (hier iVm § 8 KGG), die Berufungsbehörde nicht nach § 71b BO absprechen darf, da sie damit über eine andere Sache entschiede (vgl. die bei Moritz , Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 373 zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Wurde allerdings eine Baubewilligung vom Magistrat gemäß § 70 (oder auch gemäß § 71) (hier: iVm § 8 KGG) verweigert, besteht aber eine Bewilligungsmöglichkeit nach § 71b BO, ist der erstinstanzliche Bescheid zu beheben, um der zuständigen Behörde (Bauausschuss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung) eine Bescheiderlassung zu ermöglichen (vgl. die bei Moritz , aaO, S. 373 zitierte hg. Rechtsprechung).
Die belangte Behörde hätte sich daher in der Sache mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Sonderbaubewilligung gemäß § 71b BO, das schon bei der Einreichung und in der Berufung durch Unterlagen untermauert wurde, auseinandersetzen müssen und gegebenenfalls den erstinstanzlichen Bescheid aufheben müssen. Indem sich die belangte Behörde lediglich darauf stützte, dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht eine solche des Bauausschusses gemäß § 71b BO gewesen ist, und mit dieser Begründung die Berufung abwies, verkannte sie die Rechtslage.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am