VwGH vom 09.04.2013, 2011/04/0207

VwGH vom 09.04.2013, 2011/04/0207

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/04/0223 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Sundström/Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 1010 Wien, Schreyvogelgasse 3, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom , Zl. VKS-8211/11, betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadt Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, 2. Z GesmbH in Y, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10; weitere Partei:

Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten 1. und 3. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) hat im Amtsblatt der EU vom die Durchführung eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages nach dem Billigstbieterprinzip bekannt gemacht. Auftragsgegenstand war die Durchführung des Schulbusbetriebes für SchülerInnen mit Behinderung in allen 23 Wiener Gemeindebezirken für die Dauer von sechs Unterrichtsjahren, beginnend mit Schulbeginn 2011. Dieser Auftragsgegenstand war in 20 Lose (umfassend jeweils einen oder zwei Wiener Gemeindebezirke) unterteilt, die Vergabe sollte getrennt nach Losen erfolgen.

Insgesamt beteiligten sich an diesem Vergabeverfahren neun Unternehmer durch Abgabe von Angeboten. Mit Schreiben vom gab die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung hinsichtlich der Lose II. bis VI. und VIII. bis XI. zu Gunsten der zweitmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) bekannt und bezüglich der Lose XII. und XIX. zu Gunsten der Beschwerdeführerin (die übrigen Lose gingen an andere Bieter).

Soweit diese Zuschlagsentscheidung (u.a.) die an die Zuschlagsempfängerin ergangenen Lose betrifft, stellte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom einen Nachprüfungsantrag gemäß § 20 WVRG 2007.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Nachprüfungsantrag, soweit er die genannten an die Zuschlagsempfängerin vergebenen Lose betrifft, abgewiesen (Spruchpunkt 1.). Unter einem wurde die von der belangten Behörde zuvor erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben (Spruchpunkt 2.) und ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt 3.).

In der Begründung führte die belangte Behörde (soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung) aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Nachprüfungsantrag u.a. die unplausible Preisbildung sowie die fehlende Eignung der Zuschlagsempfängerin geltend gemacht und zur Letzteren vorgebracht, dass diese weder über eine ausreichende Gewerbeberechtigung für die genannten Schulbusfahrten noch über die erforderliche technische Leistungsfähigkeit verfüge. In der Folge gab die belangte Behörde die zum Nachprüfungsantrag eingegangenen Stellungnahmen der Auftraggeberin und der Zuschlagsempfängerin sowie die zugehörigen Entgegnungen in kurzer Zusammenfassung wieder.

Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen, in der u.a. die maßgebenden Bestimmungen der Ausschreibung betreffend die technische Leistungsfähigkeit (Mindestanforderungen an die Fahrzeuge und deren Mindestzahl) wiedergegeben werden, führte die belangte Behörde aus, die Zuschlagempfängerin habe zwar im Zeitpunkt der Angebotsöffnung unstrittig nicht über die 80 Fahrzeuge verfügt, welche sie nach der Ausschreibung zur Auftragserfüllung der ihr zugedachten neun Lose benötige. Die Zuschlagsempfängerin habe jedoch eine Bestätigung eines Fahrzeuglieferanten sowie eines Unternehmens, das den Umbau von Fahrzeugen durchführe, vorgelegt und damit nachgewiesen, dass sie zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns über die ausgeschriebenen Mindestkapazitätserfordernisse für die zugeschlagenen Lose verfügen werde. Außerdem habe die Zuschlagsempfängerin bereits mit ihrem Angebot nachgewiesen, dass sie über eine aufrechte Gewerbeberechtigung mit der Befugnis zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen verfüge. Eine vertiefte Angebotsprüfung habe überdies die Plausibilität des von der Zuschlagsempfängerin angebotenen Gesamtpreises ergeben.

Danach (Bescheid S. 18f.) führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Bei seinen Feststellungen ist der Vergabekontrollsenat zunächst aus verfahrensökonomischen Gründen davon ausgegangen, dass die Antragslegitimation der (Beschwerdeführerin) hinsichtlich der Anfechtung der Zuschlagsentscheidungen zu den neun im Spruch genannten Losen gegeben ist, weil dem Nichtigerklärungsantrag - wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auszuführen sein wird - ohnedies Berechtigung nicht zukommt. Schon aus diesen Überlegungen war daher dem Antrag der (Beschwerdeführerin) in ihrem Schriftsatz vom zum Vorbringen der (Auftraggeberin) vom um umfangreiche Akteneinsicht nicht Folge zu geben. Auch dem darüber hinausgehenden Antrag der (Beschwerdeführerin) auf Akteneinsicht, insbesondere Einsicht in den vollständigen Inhalt der von der (Auftraggeberin) erstatteten Schriftsätze, war nicht Folge zu geben. Gemäß § 23 Abs. 1 BVergG 2006 haben Auftraggeber, Bewerber und Bieter den vertraulichen Charakter aller den Auftraggeber als auch den Bewerber und Bieter und deren Unterlagen betreffenden Angaben zu wahren. Soferne das BVergG 2006 nichts anderes bestimmt, dürfen Auftraggeber keine ihnen vom Unternehmer übermittelten und von diesen als vertraulich bezeichneten Informationen weitergeben. Dies betrifft insbesondere technische Geheimnisse, Betriebsgeheimnisse, vertrauliche Aspekte der Angebote sowie insbesondere Angaben zur Kalkulation von Angeboten (vgl. VKS Wien, , VKS-274/08 u.a.). In diesem Sinne hat auch der VwGH mit Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0238, entschieden. Auch aus der Bestimmung des § 128 BVergG 2006 ergibt sich, dass einem Bieter nur in jene Teile der Vergabeakten Einsicht zu gewähren ist, die sein Angebot betreffen. Zutreffend verweist die (Auftraggeberin) darauf, dass eine Einsicht der (Beschwerdeführerin) in den vollständigen Inhalt der Stellungnahmen der (Auftraggeberin) zu einer Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen anderer Bieter führen würde. Zutreffend verweist sie dazu auch auf die Bestimmungen des § 17 Abs. 3 AVG, wonach Akteneinsicht dann zu verwehren ist, wenn dadurch 'eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen' herbeigeführt würde. Unter berechtigten Interessen sind auch wirtschaftliche Interessen, wie z.B. das Interesse am Schutz von Betriebsgeheimnissen zu verstehen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 17 RZ 10)."

In der weiteren rechtlichen Beurteilung setzte sich die belangte Behörde neuerlich mit der Eignung der Zuschlagsempfängerin auseinander und gelangte zum Ergebnis, dass der Zuschlagsempfängerin entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin sowohl die Befugnis als auch die technische Leistungsfähigkeit zukomme. Auch die übrigen (im angefochtenen Bescheid näher behandelten) Behauptungen betreffend die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung hätten sich als unzutreffend dargestellt, sodass der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, soweit diese die genannten neun Lose betreffe, abzuweisen gewesen sei. Zu Spruchpunkt 2. verwies die belangte Behörde auf § 31 Abs. 7 WVRG 2007, dem zufolge die von der belangten Behörde erlassene einstweilige Verfügung auf Grund der Beendigung des Nachprüfungsverfahrens aufzuheben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Auch die mitbeteiligten Parteien haben Gegenschriften erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In ihrer Beschwerde bekämpft die Beschwerdeführerin u. a. die Beurteilung der Eignung (Befugnis und technische Leistungsfähigkeit) der Zuschlagsempfängerin durch die belangte Behörde. Außerdem macht sie unter der Überschrift "Verweigerung von Akteneinsicht" geltend, dass ihr im Nachprüfungsverfahren die Schriftsätze der Auftraggeberin nur auszugsweise zur Stellungnahme übermittelt worden seien. Wesentliche Teile der Schriftsätze der Auftraggeberin seien ihr "geschwärzt" bzw. in einer "anonymisierten Version" übermittelt worden. Die Beschwerdeführerin habe daher schon im Nachprüfungsverfahren beantragt, ihr die mit und datierten Stellungnahmen der Auftraggeberin zum Nachprüfungsantrag in vollständiger Form zu übermitteln, sie habe diesbezüglich auch Akteneinsicht begehrt. Dem habe die belangte Behörde nicht entsprochen, sondern auch die genannte zweite Stellungnahme der Auftraggeberin vom in anonymisierter, nicht vollständiger Form übermittelt. Auch den Anträgen auf Akteneinsicht habe die belangte Behörde nicht Folge gegeben. Daher seien der Beschwerdeführerin jene Beweismittel, auf welche die belangte Behörde ihre Entscheidung stütze, nicht zur Kenntnis gebracht worden, sodass sie insbesondere zu den Fragen der technischen Leistungsfähigkeit der Zuschlagsempfängerin und zu der dafür vorgelegten Bestätigung, zu welcher gleichfalls das Parteiengehör verwehrt worden sei, im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens ein entsprechendes Vorbringen nicht habe erstatten können. Mit dieser Vorgangweise, so die Beschwerdeführerin weiter, werde "der gesamte Vergaberechtsschutz nihiliert".

Richtigerweise hätte die belangte Behörde im Sinne des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (jetzt:

Union; EuGH) vom in der Rechtssache, C-450/06, Varec SA, eine Interessenabwägung zwischen der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und der Gewährung des Parteiengehörs durchführen müssen. Als Ergebnis hätte die belangte Behörde die Akteneinsicht nur im "geringsten Umfang" einschränken dürfen, sodass eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nach dem Vergaberechtsschutzsystem gewährleistet bleibe.

2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

2.1. Das BVergG 2006 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 15/2010 lautet auszugsweise:

"Vertraulichkeit von Unterlagen betreffend ein Vergabeverfahren, Verwertungsrechte

§ 23. (1) Auftraggeber, Bewerber und Bieter haben den vertraulichen Charakter aller den Auftraggeber als auch die Bewerber und Bieter und deren Unterlagen betreffenden Angaben zu wahren.

(2) Sofern in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, dürfen Auftraggeber keine ihnen von Unternehmern übermittelten und von diesen als vertraulich bezeichneten Informationen weitergeben. Dies betrifft insbesondere technische Geheimnisse, Betriebsgeheimnisse sowie vertrauliche Aspekte der Angebote.

(3) Soweit Schutzrechte oder Geheimhaltungsinteressen verletzt würden, dürfen sowohl der Auftraggeber als auch die Bewerber oder Bieter Ausarbeitungen des anderen sowie von ihm zur Verfügung gestellte Pläne, Zeichnungen, Entwürfe, Modelle, Proben, Muster, Computerprogramme und dergleichen nur mit dessen ausdrücklicher Zustimmung für sich verwenden oder an Dritte weitergeben.

(4) Der Auftraggeber kann sich vorbehalten, bestimmte von ihm zur Verfügung gestellte Pläne, Zeichnungen, Entwürfe, Modelle, Proben, Muster, Computerprogramme und dergleichen, für die keine Vergütung verlangt wurde, zurückzufordern.

(5) Die Bewerber oder Bieter können sich vorbehalten, für den Fall, dass ihnen der Zuschlag nicht erteilt wird, die Rückstellung jener besonderen Ausarbeitungen sowie von ihnen zur Verfügung gestellte Pläne, Zeichnungen, Entwürfe, Modelle, Proben, Muster, Computerprogramme und dergleichen zu verlangen, für die keine Vergütung vorgesehen ist. Dasselbe gilt für besondere Ausarbeitungen für Alternativangebote, von denen kein Gebrauch gemacht wird.

Öffnung der Angebote

§ 118.

(5) Aus den Angeboten - auch Alternativ- und Abänderungsangeboten - sind folgende Angaben vorzulesen und in der Niederschrift festzuhalten:


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1.
Name und Geschäftssitz des Bieters;
2.
der Gesamtpreis oder der Angebotspreis mit Angabe des Ausmaßes allfälliger Nachlässe und Aufschläge und, wenn die Vergabe in Teilen oder für die ganze Leistung oder für Teile derselben Varianten vorgesehen waren, auch die Teilgesamtpreise oder Teilangebotspreise sowie die Variantenangebotspreise;
3.
wesentliche Erklärungen der Bieter;
4.
sonstige im Hinblick auf andere Zuschlagskriterien als dem Preis relevante in Zahlen ausgedrückte Bieterangaben, deren sofortige Verlesung möglich und zumutbar ist und in den Ausschreibungsunterlagen angekündigt wurde.
Aus Schreiben der Bieter, mit welchen einzelne Preise oder der Gesamtpreis des Angebotes abgeändert werden, dürfen nur die geänderten einzelnen Einheits- oder Positionspreise sowie der geänderte Gesamtpreis oder Angebotspreis bekannt gegeben werden. Andere Angaben dürfen den Bietern nicht zur Kenntnis gebracht werden. …
…."

2.2. § 17 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"Akteneinsicht

§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muss auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

(4) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist kein Rechtsmittel zulässig."

2.3. Im vorliegenden Beschwerdefall ist aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakten ersichtlich, dass die Auftraggeberin zum Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin in einem 23 Seiten umfassenden Schriftsatz vom Stellung genommen hat und darüber hinaus eine 27 Seiten umfassende ergänzende Stellungnahme vom erstattet hat. Beide Stellungnahmen der Auftraggeberin wurden der Beschwerdeführerin in sog. anonymisierten Fassungen zugestellt, in denen zum Teil einzelne Absätze, zum Teil aber auch seitenlange Ausführungen fehlen: So sind in der der Beschwerdeführerin übermittelten Fassung der Stellungnahme vom nicht nur zahlreiche Absätze herauskopiert, sondern es fehlt auf den Seiten 12 und 13 der Text zur Gänze (Leerseiten mit bloßer Seitennummerierung). Noch deutlicher gilt dies für die der Beschwerdeführerin übermittelte Fassung der Stellungnahme vom , in denen sogar (u.a.) die Seiten 13 bis 20 als Leerseiten aufscheinen, wohingegen das Original dieser Seiten detailliertes Vorbringen der Auftraggeberin enthält. Dem Ersuchen um Akteneinsicht in die genannten (vollständigen) Schriftsätze hat die belangte Behörde keine Folge gegeben.

2.4. In ihrer Gegenschrift verweist die belangte Behörde zum Vorwurf des unzureichenden Parteiengehörs auf die (oben wiedergegebene) Begründung im angefochtenen Bescheid, in der sie ihres Erachtens ausreichend dargelegt habe, weshalb der Beschwerdeführerin die Akteneinsicht nicht gewährt worden sei.

2.5. Diese Auffassung der belangten Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen:

2.5.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0187, zum Verhältnis der Vertraulichkeit von Unterlagen betreffend ein Vergabeverfahren einerseits und dem Recht auf Akteneinsicht andererseits wie folgt ausgeführt (Hervorhebung nicht im Original):

"§ 23 BVergG 2006 legt (u.a.) die Vertraulichkeit von Unterlagen betreffend ein Vergabeverfahren fest und sieht in Abs. 1 vor, dass Auftraggeber, Bewerber und Bieter den vertraulichen Charakter aller den Auftraggeber als auch die Bewerber und Bieter und deren Unterlagen betreffenden Angaben zu wahren haben (die weiteren Absätze dieser Bestimmung sind fallbezogen nicht relevant). Nach den Gesetzesmaterialien statuiert diese Norm eine gegenseitige Schutzpflicht betreffend vertrauliche Unterlagen hinsichtlich aller am Vergabeverfahren beteiligten Personen. Auch die Bewerber und Bieter haben daher schutzwürdige Angaben des Auftraggebers zu wahren, und zwar zeitlich über den Abschluss des Vergabeverfahrens hinaus (RV 1171 BlgNR 22. GP, S. 43).

Diese Vorschrift verpflichtet somit sämtliche Verfahrensbeteiligte (somit auch die Beschwerdeführerin) zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben. Sie kann aber keine Grundlage dafür bieten, der Beschwerdeführerin die Einsicht in verfahrensgegenständliche Urkunden, auf die sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung tragend stützen möchte, generell zu verweigern.

Maßstab für die Ausnahme von der Akteneinsicht ist vielmehr § 17 Abs. 3 AVG, wonach Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen sind, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde (vgl. dazu die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom , Rs C-450/06, Varec SA, aufgestellten Grundsätze, nach denen diese Frage im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zu beurteilen ist). Im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 3 AVG ist somit im Einzelfall zu beurteilen, inwieweit ein überwiegendes Interesse besteht , einem Bieter bestimmte Informationen vorzuenthalten, wobei gleichzeitig die effektive Rechtsverfolgung sichergestellt werden muss."

2.5.2. Aus dem Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0238, ist für den angefochtenen Bescheid nichts zu gewinnen, hat doch der Verwaltungsgerichtshof bereits in diesem Erkenntnis auf den Unterschied zwischen einerseits der Einsicht in die Akten des Vergabeverfahrens (Unterlagen des privatwirtschaftlich agierenden Auftraggebers) und andererseits der - nach § 17 AVG zu beurteilenden - Einsicht in die Akten des Verfahrens der Vergabekontrollbehörde hingewiesen.

2.5.3. Im zitierten , Varec SA, hat sich der Gerichtshof mit den gegenläufigen Interessen der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen im Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge einerseits und der ausreichenden Kenntnis von Beweismitteln im Rahmen des fair trial nach Art. 6 EMRK andererseits auseinandergesetzt (Rn 45f.). Er hat klargestellt, dass im kontradiktorischen Verfahren zur Überprüfung einer Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers zwar kein Anspruch auf unbegrenzten und uneingeschränkten Zugang zu allen bei der Nachprüfungsinstanz eingereichten und dieses Verfahren betreffenden Informationen bestehe, sondern dass dieses Zugangsrecht vielmehr gegen das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer auf Schutz ihrer vertraulichen Angaben und ihrer Geschäftsgeheimnisse "abzuwägen" sei (Rn 51). Der Grundsatz des Schutzes von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen müsse so ausgestaltet sein, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten in Einklang stehe und dass in Verfahren vor einem Gericht im Sinne von Art. 234 EG sichergestellt sei, dass in dem Rechtsstreit insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet werde (Rn 52).

2.5.4. Ausgehend davon, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Verfahren über deren Nachprüfungsantrag das (seitenlange) Vorbringen der gegnerischen Auftraggeberin vorenthalten hat, wäre es vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage (Beurteilung des überwiegenden Interesses iSd § 17 Abs. 3 AVG) Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zunächst Feststellungen darüber zu treffen, welche Themen das der Beschwerdeführerin vorenthaltene Vorbringen der Auftraggeberin betrifft, um daran anknüpfend rechtlich zu beurteilen, ob und inwieweit ein - überwiegendes - Interesse an der Geheimhaltung des jeweiligen Vorbringens besteht und weshalb trotz der Geheimhaltung eine effektive Rechtsverfolgung durch die Beschwerdeführerin möglich sei. Ausführungen dieser Art fehlen im angefochtenen Bescheid gänzlich.

Vielmehr hat die belangte Behörde, wie aufgezeigt, angenommen, dem Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin komme "ohnedies Berechtigung nicht zu", und daraus unzutreffend abgeleitet, dass "schon aus diesen Überlegungen" die von der Beschwerdeführerin begehrte Akteneinsicht nicht zu gewähren sei. Damit hat die belangte Behörde, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer ausreichenden Stellungnahmemöglichkeit genommen, sodass ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG in seinen Spruchpunkten 1. und 3. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen bedarf.

4. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, weil die einstweilige Verfügung gemäß § 31 Abs. 7 WVRG 2007 idF LGBl. Nr. 18/2010 spätestens mit der Entscheidung des Vergabekontrollsenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft tritt und nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0201) auch im Falle der Aufhebung dieses Bescheides nicht wieder auflebt.

5. Die beantragte Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG entfallen, dies auch im Hinblick auf die bereits vor der belangten Behörde, einem Tribunal iSd Art. 6 EMRK, durchgeführte Verhandlung.

6. Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am