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VwGH vom 04.08.2010, 2006/13/0169

VwGH vom 04.08.2010, 2006/13/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der C Treuhand- und Revisionsgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die ARNOLD Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3324-W/02, betreffend Wiederaufnahme der Gewerbesteuerverfahren für die Jahre 1987 bis 1990 sowie Gewerbesteuer 1987 bis 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft m.b.H.

(Beschwerdeführerin), eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, wurde 1971 gegründet. In den Streitjahren (1987 bis 1990) war Dkfm. L. zunächst zu 32 %, dann zu 42 % und zuletzt (ab ) zu 54 % an der Beschwerdeführerin beteiligt; außerdem ist er seit selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer.

In einem Bericht gemäß § 150 BAO vom traf der Prüfer unter Tz 19 "Hinzurechnung gem. § 7/6 GewStG" folgende Feststellungen:

"Die Entlohnung des an der geprüften Gesellschaft wesentlich beteiligten und für diese tätigen GF Dkfm. L. (Beteiligung im Prüfungszeitraum 32 % - 54 %) erfolgte nicht auf direktem Weg.

Aufgrund eines am zw. der geprüften Gesellschaft und der (B. GmbH) abgeschlossenen Werkvertrages wurde der Dienstnehmer der (B. GmbH) Dkfm. L. (Beteiligung bis - 25 %) der geprüften Gesellschaft zur Besorgung der Geschäftsführung und zur Erfüllung wirtschaftstreuhändischer Aufgaben zur Verfügung gestellt.

Dkfm. L. schied am aus den Diensten der (B. GmbH) aus und trat am in ein Dienstverhältnis zur neu gegründeten (Dkfm. L. GmbH) ein (Beteiligung - 25 %).

Die (B. GmbH) war daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, den bestehenden Werkvertrag hinsichtlich der Gestellung von Dkfm. L. zu erfüllen.

Deshalb wurde am zw. der geprüften Gesellschaft und der (B. GmbH) bzw. der (Dkfm. L. GmbH) eine Vereinbarung über den Eintritt der (Dkfm. L. GmbH) an Stelle der (B. GmbH) in den Werkvertrag vom hinsichtlich der Gestellung des Dkfm. L. geschlossen.

Dkfm. L. nimmt also seine GF-Funktion für die geprüfte Gesellschaft über die zwischengeschaltete (B. GmbH) und in weiterer Folge über die (Dkfm. L. GmbH) wahr.

In wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 21 BAO) hat daher die geprüfte Gesellschaft ihren GF Dkfm. L. für seine Tätigkeit entlohnt.

...

Es werden deshalb durch die Bp jene Beträge, die Dkfm. L. von der (B. GmbH) bzw. ab September 1987 von der (Dkfm. L. GmbH) für seine GF Tätigkeit bei der geprüften Gesellschaft erhält, nach § 7/6 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb bei der geprüften Gesellschaft hinzugerechnet.


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1987:
S
1,946.938,--
1988:
S
2,322.058,--
1989:
S
2,195.863,--
1990:
S
2,392.641,--"

Unter Tz 32 des Berichtes ("Wiederaufnahme des Verfahrens") führte der Prüfer aus, "hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume" seien Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderlich machten; in der Folge wurde u.a. die Gewerbesteuer für die Jahre 1987 bis 1990 mit "Hinweis auf Tz 19" angeführt. Unter Tz 34 heißt es dazu weiter:

"Bezüglich des seitens des Abgabepflichtigen bestrittenen Vorhandenseins der Voraussetzungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO ist von Seiten der Bp folgendes festzustellen:

Der in Tz 19 des vorliegenden Bp-Berichtes dargestellte Sachverhalt war bei der Veranlagung der GewSt für die Jahre 1987- 1990 nicht bekannt.


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GewSt 1987 - Bescheiddatum
GewSt 1988 - Bescheiddatum
GewSt 1989 - Bescheiddatum
GewSt 1990 - Bescheiddatum

Die in der Tz 19 des vorl. Bp-Berichtes erwähnten Werkverträge zw. der geprüften Gesellschaft und der (B. GmbH) bzw. der (Dkfm. L. GmbH) waren nicht bekannt und wurden erst im Rahmen der Bp vorgelegt.

Es sind daher die Voraussetzungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO gegeben."

Mit Bescheiden je vom nahm das Finanzamt in der Folge die Verfahren hinsichtlich der Gewerbesteuer und Bundesgewerbesteuer samt Zuschlägen für die Jahre 1987 bis 1990 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf, wobei es begründend auf die "Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind", verwies. Außerdem erließ es dem Prüfungsbericht entsprechende neue Sachbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Bescheide Berufung, die die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid - im dritten Rechtsgang (eine erste Berufungsentscheidung der damaligen Finanzlandesdirektion wurde mit hg. Erkenntnis vom , 98/13/0096 und 99/13/0242, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben; eine zweite Berufungsentscheidung der damaligen Finanzlandesdirektion wurde vom Bundesminister für Finanzen gemäß § 299 Abs. 1 lit. a BAO idF vor dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, aufgehoben, was mit Beschluss vom zur Einstellung des beim Verwaltungsgerichtshof zu 2001/13/0280 geführten Beschwerdeverfahrens wegen Klaglosstellung führte) - als unbegründet abwies. Zur Wiederaufnahme der Verfahren argumentierte die belangte Behörde auszugsweise wie folgt (Bw = Beschwerdeführerin):

"Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob hinsichtlich der Gewerbesteuerbescheide 1987 bis 1990 zu Recht die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO verfügt wurde, wenn erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung die genaue Höhe der Geschäftsführerbezüge des Dkfm. L. bei der (B. GmbH) bzw. (Dkfm. L. GmbH) bekannt gegeben wurde. Des Weiteren ist strittig, ob die Verfügung der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens infolge der langen Verfahrensdauer sowie des Umstandes, dass die von der Bw. entrichteten Beträge an Lohnsummensteuer nicht mehr rückgefordert werden können, eine Unbilligkeit gemäß § 236 BAO darstellt.

...

Im vorliegenden Fall ist aus dem Veranlagungsakt der Bw. und insbesondere aus den Gewerbesteuererklärungen und den Bilanzen der Jahre 1987 bis 1990 nicht ersichtlich, in welcher Höhe Dkfm. L. für die Besorgung der Geschäftsführung und die Erbringung wirtschaftstreuhändischer Aufgaben bei der Bw. Gehälter von der (B GmbH) bzw. (Dkfm. L. GmbH) bezog. Demgemäß wird in der von Dkfm. L. unterfertigten Niederschrift über die mit anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Berufungssenat IX festgehalten, dass hinsichtlich seiner Person dem Finanzamt die Höhe seiner Gehaltszahlungen nicht bekannt gewesen sei, aber vom Finanzamt jederzeit hätte erfragt werden können. Das die Bw. veranlagende Finanzamt habe Dkfm. L. nie nach seinen Gehältern befragt, da es dem Finanzamt damals offensichtlich nicht wesentlich erschienen war. Die exakte Höhe der Geschäftsführerbezüge des Dkfm. L. für die Jahre 1987 bis 1990 wurde demnach erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung mit Eingabe vom bekannt gegeben.

Dem Vorbringen der Bw. in der mit anberaumten mündlichen Verhandlung, dass dem Finanzamt die Lohnzettel zur Verfügung gestanden seien, ist entgegen zu halten, dass sich die Lohnzettel der Jahre 1987 bis 1990 betreffend die Bezüge des Dkfm. L. nur in den Steuerakten der (B. GmbH) bzw. (Dkfm. L. GmbH), nicht aber in den Steuerakten der Bw. befunden haben. Die Höhe der Vergütungen von Dkfm. L. in den Jahren 1987 bis 1990 konnte den Veranlagungsakten der Bw. nicht entnommen werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die gegenständliche Hinzurechnung nach § 7 Z 6 GewStG von entscheidender Bedeutung, ob der wesentlich beteiligte Gesellschafter Dkfm. L. gegenüber der Bw. Dienstleistungen erbracht hat, wie sie auch ohne Zwischenschaltung anderer Personen erfolgen kann, ob er in den betrieblichen Organismus der Bw. eingegliedert gewesen ist und ob das durch die Bw. geleistete Entgelt jenem vergleichbar gewesen ist, mit welchem die Dienstleistung natürlicher Personen abgegolten wird (vgl. Zl. 2001/13/0050).

Im vorliegenden Fall kann erst anhand der bekannt gegebenen Gehälter der Jahre 1987 bis 1990 des Dkfm. L. eine Beurteilung darüber erfolgen, ob das durch die Bw. geleistete Entgelt jenem vergleichbar ist, mit dem die Dienstleistung natürlicher Personen abgegolten wird.

Damit wurde - aus der Sicht des Körperschaftsteuerverfahrens der Bw. - der Abgabenbehörde der Sachverhalt nicht so vollständig bekannt gegeben, dass sie bei richtiger rechtlicher Subsumption zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Sachentscheidung hätte gelangen können.

Da in den betreffenden Verfahren zur Gewerbesteuer für die Jahre 1987 bis 1990 die für die Vornahme einer Hinzurechnung nach § 7 Z 6 GewStG maßgeblichen Umstände und Voraussetzungen nicht hinreichend bekannt waren, liegen demnach Wiederaufnahmsgründe vor, die die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO rechtfertigen, ..."

Die Bestätigung der erstinstanzlich vorgenommenen Hinzurechnung nach § 7 Z 6 GewStG begründete die belangte Behörde im Ergebnis im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das eine vergleichbare Konstellation bei der Dkfm. L. GmbH betreffende hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0050.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den genannten Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 197/06, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde, zu der die Beschwerdeführerin eine Äußerung erstattete, erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt mit Recht, dass die belangte Behörde in unzulässiger Weise den Wiederaufnahmegrund "ausgetauscht" habe.

Der Prüfer, auf den sich das Finanzamt in seinen erstinstanzlichen Bescheiden bezog, sah den Grund für die Wiederaufnahme der gegenständlichen Gewerbesteuerverfahren - nach einem zunächst bloß allgemein gehaltenen Hinweis auf die Feststellungen unter Tz 19 des Prüfberichtes - nämlich konkret darin, dass die zwischen der Beschwerdeführerin und der B. GmbH bzw. der Dkfm. L. GmbH geschlossenen Werkverträge (zu ergänzen: über die Beistellung des Dkfm. L. als Geschäftsführer) in den wiederaufzunehmenden Verfahren nicht bekannt gewesen und erst im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegt worden seien. Er erachtete somit die Rechtsbeziehungen zwischen der Beschwerdeführerin einerseits und den genannten Gesellschaften andererseits über die Beistellung des Dkfm. L. als die entscheidende neu hervorgekommene Tatsache im Sinn des § 303 Abs. 4 BAO. Damit war auch die "Sache" für das Berufungsverfahren (§ 289 Abs. 2 BAO) festgelegt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0327). Die Berufungsbehörde hat bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen eine amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt nur zu prüfen, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wieder aufnehmen durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre (vgl. für viele etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2003/15/0141, und vom , 2004/13/0108). Demgegenüber stellte die belangte Behörde ausschließlich auf die genaue Höhe der Geschäftsführerbezüge des Dkfm. L. bei der B. GmbH bzw. der Dkfm. L. GmbH ab; diese sei aus dem Veranlagungsakt der Beschwerdeführerin und insbesondere aus den Gewerbesteuererklärungen und den Bilanzen der Jahre 1987 bis 1990 nicht ersichtlich gewesen und erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung bekannt gegeben worden. Damit zog die belangte Behörde im Ergebnis aber andere wesentliche Sachverhaltsmomente als die erstinstanzliche Behörde, uzw. die finanzielle Ausgestaltung des Dienstverhältnisses des Dkfm. L. zu den genannten Gesellschaften, als Grund für die Wiederaufnahme heran.

Es erweist sich daher der angefochtene Bescheid zunächst in Angelegenheiten Wiederaufnahme, davon ausgehend aber auch insoweit, als er die neuen Sachbescheide bestätigt, als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher zur Gänze, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden müsste, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am