VwGH vom 02.05.2019, Ra 2019/18/0045
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S S in W, vertreten durch Mag. Bernhard Campara-Kopeinig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Julius-Raab-Platz 4, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zlen. I417 2194801-1/5E und I417 2194801-2/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Mit E-Mail vom erkundigte sich Rechtsanwalt Dr. W. beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) für seinen im Betreff des Schreibens genannten "Mandanten" (den Revisionswerber), ob mit einer zeitnahen Entscheidung zu rechnen sei.
3 Mit Bescheid vom wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
4 Dieser Bescheid wurde am an Rechtsanwalt Dr. W. als Rechtsvertreter des Revisionswerbers zugestellt. 5 Mit E-Mail vom teilte Rechtsanwalt Dr. W. dem BFA mit, dass es seit längerer Zeit unmöglich sei, Kontakt zu seinem Mandanten aufzunehmen, weshalb er das bestehende Vollmachtsverhältnis als aufgelöst erachte.
6 Mit Schriftsatz vom stellte der Revisionswerber den Antrag auf "ordnungsgemäße Zustellung" des Bescheids vom an seine nunmehrige Rechtsvertretung. Hilfsweise beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und er erhob gleichzeitig eine Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid. 7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab und die Beschwerde als verspätet zurück. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
8 Begründend stellte das BVwG fest, Rechtsanwalt Dr. W. sei vom Revisionswerber "als Rechtsanwalt" bevollmächtigt worden. Diese Vollmacht habe auch eine Zustellvollmacht enthalten. Das Vollmachtsverhältnis sei gegenüber der Behörde erst mit Schreiben vom als aufgelöst deklariert worden. Die Zustellung des Bescheides vom an Dr. W. sei daher rechtswirksam gewesen und die Beschwerde vom sei verspätet eingebracht worden. Zum Wiedereinsetzungsantrag hielt das BVwG fest, der Revisionswerber habe seinen Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, er habe nicht gewusst, dass seinem Rechtsvertreter Dr. W. rechtswirksam zugestellt werden könne. Dies solle ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis darstellen. Für das Gericht sei jedoch nicht glaubwürdig, dass es der Rechtsanwalt unterlassen habe, den Revisionswerber über den Umfang seiner Rechtsanwaltsvollmacht aufzuklären. Ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis, das den Revisionswerber daran gehindert hätte, die Rechtsmittelfrist zu wahren, liege deshalb nicht vor.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zur Zulässigkeit geltend, das BVwG sei mit der Herleitung einer Zustellvollmacht an Dr. W. aus dessen einmaliger Anfrage nach dem Verfahrensstand von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Hinweis auf VwGH 99/06/0139). Im Zweifel wäre die Behörde jedenfalls verpflichtet gewesen, das Bestehen des Vollmachtsverhältnisses zu überprüfen. In Bezug auf den Wiedereinsetzungsantrag hätte das BVwG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu amtswegigen Ermittlungspflichten ermitteln müssen, ob das Vorliegen einer (die Verfahrensführung umfassenden) Vollmacht für den Revisionswerber überhaupt erkennbar gewesen sei. Dazu hätte das BVwG auch verhandeln müssen.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
11 Vorweg ist festzuhalten, dass die Revision die Frage der Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nicht anspricht (vgl. dazu grundlegend ). Es ist dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, diese Frage von amtswegen aufzugreifen, zumal sich die Revision auch nicht aus anderen Gründen als zulässig erweist (vgl. etwa , mit weiteren Nachweisen).
12 Soweit die Revision das Vorliegen einer Zustellvollmacht für Dr. W. in Zweifel zieht, ist einerseits zu erwidern, dass das von der Revision zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/06/0139, in sachverhaltsmäßiger Hinsicht anders als der Revisionsfall gelagert war und daher nicht einschlägig ist. Andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt erkannt, dass die Berufung auf die Vollmacht durch einen Rechtsanwalt auch dadurch erfolgen kann, dass eine Eingabe namens oder auftrags eines Mandanten eingebracht wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014), § 10, Rz 13, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Die Revision vermag nicht darzutun, weshalb die Behörde verpflichtet gewesen wäre, über das Bestehen der Vollmacht weitere Ermittlungen zu tätigen.
13 Wenn die Revision geltend macht, es sei für den Revisionswerber nicht erkennbar gewesen, dass er an Dr. W. eine Zustellvollmacht erteilt habe, ist auf die gegenteiligen Sachverhaltsfeststellungen des BVwG zu verweisen, wonach es nicht glaubwürdig sei, dass Dr. W. den Revisionswerber darüber nicht aufgeklärt haben sollte. Diesen Feststellungen tritt die Revision nicht explizit entgegen. Unabhängig davon ist festzuhalten, dass der Revisionswerber auch nach seinem Prozessstandpunkt Dr. W. jedenfalls beauftragt hat, bei der Behörde zu intervenieren, um eine Entscheidung seiner Angelegenheit zu erwirken. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn die Revision vermeint, weder der Revisionswerber noch sein Vertreter Dr. W. seien von einem Vertretungsverhältnis ausgegangen.
14 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180045.L00 |
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