VwGH vom 13.11.2013, 2013/12/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des A S in L, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom , Zl. PNr. 308082, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. besoldungsrechtliche Angelegenheiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsdirektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist gemäß § 17 des Poststrukturgesetzes der Telekom Austria Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen.
Mit Bescheid vom hatte der Bundesminister für Öffentliche Wirtschaft und Verkehr gemäß § 12 GehG den Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers mit festgesetzt.
In seiner Eingabe vom beantragte er gemäß § 113 Abs. 10 GehG die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages und seiner daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung, die Nachzahlung von Bezügen und die Anrechnung entsprechender Ruhegenusszeiten mit der Möglichkeit, daraus resultierende Jahre nachzukaufen.
In seinem formularmäßigen "Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages" vom selben Tag beantragte er gemäß § 113 Abs. 10 GehG die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages und seiner daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung sowie allenfalls die Nachzahlung von Bezügen aus diesem Anlass aus folgenden Gründen:
"Mein 18. Geburtstag lag mehr als drei Jahre vor dem 30. Juni des Jahres, in dem ich mein 9. Schuljahr abgeschlossen habe.
…
Aus sonstigen Gründen und zwar:
Gehaltsnachzahlung/Nachzahlung von Bezügen laut Gehaltstabelle vor dem sowie die Berücksichtigung aller Jahre für den Ruhegenuss mit der Möglichkeit Zeiten zu kaufen!"
Mit Bescheid vom setzte das Personalamt Wien (als Dienstbehörde erster Instanz) aufgrund des Antrages vom für den Beschwerdeführer mit Wirkung vom gemäß §§ 12 und 113 GehG durch zusätzliche Voransetzung von Zeiten "laut Beilage" den als Vorrückungsstichtag neu fest.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, bei seinem Antrag vom habe er die Nachzahlung "laut alter Gehaltstabelle bis zum Geltungstermin der neuen Gehaltstabelle ab dem gefordert". Ebenfalls sei die Anpassung vom Pensionskonto mit den jetzt neu vorangesetzten Zeiten gefordert worden. Im gegenständlichen Bescheid wird auf die Ruhegenussfähigkeit der angeführten Zeiten nicht eingegangen. Die genannten Forderungen seien nie Themen im Rahmen des Parteiengehörs gewesen und auch nicht Bestandteil des neuen Bescheids. Die Berufung schließt mit:
"Neuerliche Forderungen laut Antrag vom Gehaltsnachzahlung laut alter Gehaltstabelle für den Zeitraum
der Wirksamkeit der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages, dem bis zur Wirksamkeit der neuen Gehaltstabelle, dem .
Die jetzt neu vorangesetzten Zeiten als ruhegenussfähige Zeiten beim Pensionskonto nachzureichen und das Pensionskonto dementsprechend anzupassen."
Mit Erledigung vom trug das Personalamt Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 1 DVG auf, die eingebrachte Berufung durch Ergänzung eines begründeten Berufungsantrages zu verbessern. Was die im Schreiben vom angesprochene Nachzahlung von Bezügen anlange, teile die Dienstbehörde mit, dass sich durch die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages weder der Vorrückungstermin noch der Zeitpunkt der nächsten Vorrückung geändert hätten. Aus diesem Grund komme es auch zu keiner Nachzahlung von Bezügen. Zu seinem Antrag auf "Nachreichung der jetzt neu vorangesetzten Zeiten … als ruhegenussfähige Zeiten beim Pensionskonto und auf entsprechende Anpassung des Pensionskontos" teile das Personalamt mit, dass nach dem Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag ein Recht auf Beantragung der nachträglichen Berücksichtigung von vor dem 18. Lebensjahr liegenden Lehr- und Dienstzeiten beim Bund als Ruhegenussvordienstzeiten samt Anpassung des Pensionskontos nicht vorgesehen sei. Die Ruhegenussvordienstzeiten seien mit Bescheid des Bundesministers für Öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom rechtskräftig festgelegt worden. Eine Rechtsgrundlage für die Anrechnung der oben angeführten, vor dem
18. Geburtstag liegenden Lehrzeiten als Ruhegenussvordienstzeit findet sich weder in den Bestimmungen des Gehaltsgesetzes 1956 noch des Pensionsgesetzes 1965. Der diesbezügliche Antrag werde daher mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage mittels Bescheides im Rahmen eines weiteren Verfahrens abzuweisen sein.
In seinem Schriftsatz vom brachte der - nunmehr rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer vor, gegen die Festsetzung des Vorrückungsstichtages mit erhebe er ausdrücklich keine Einwände. Der Bescheid sei jedoch, wie in der Berufung bereits ausgeführt, unter anderem deshalb rechtswidrig, weil über die weiteren mit der Neufestsetzung unter einem gestellten Anträge nicht abgesprochen worden sei. Aufgrund des neuen Vorrückungsstichtages und der erwähnten Gehaltstabelle habe der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom bis einen Zeitvorteil bei den Vorrückungen von insgesamt drei Jahren. Durch die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages sei der Bescheid vom überholt und aufgrund des Sachverhaltes hätten sich auch Ruhegenussvordienstzeiten geändert. Aus diesem Grund müssten Ruhegenussbeträge für die drei weiteren Jahre angerechnet und diese drei Jahre bei der Betrachtung der Ruhegenussvordienstzeiten berücksichtigt und als ruhegenussfähige Zeiten beim Pensionskonto nachgereicht werden. Aus diesen Gründen stelle der Beschwerdeführer folgende Anträge:
"Der angefochtene Bescheid der Telekom Austria Aktiengesellschaft, Personalamt Wien … ist dahin abzuändern, dass auch die aus der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages des Einschreiters mit resultierende besoldungs- und pensionsrechtliche Stellung des Einschreiters sowie die Nachzahlung von Bezügen aus diesem Anlass festgesetzt werden mögen; insbesondere dem Einschreiter eine Nachzahlung zu seinen Bezügen in jener Höhe zu gewähren ist, die sich aus der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages mit errechnet, insbesondere aber für die Höhe der Bezüge der Jahre bis einen Erstvorrückungszeitraum von zwei Jahren (anstatt von fünf Jahren) berücksichtigt und dem Einschreiter jedenfalls der Zeitraum bis als Ruhegenussvordienstzeit anzurechnen und das Pensionskonto des Einschreiters dahin entsprechend anzupassen ist."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die - verbesserte - Berufung gegen den Bescheid vom "wegen Unzulässigkeit" zurück. Begründend schilderte sie zunächst den Gang des Verwaltungsverfahrens, um nach Zitierung des § 1 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 DVG sowie des § 66 Abs. 4 AVG in rechtlicher Hinsicht auszuführen:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
(VwGH) ist - sofern die Gesetze nicht anderes anordnen - 'Sache'
des Berufungsverfahrens der Gegenstand des Verfahrens in der
Vorinstanz, dh jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des
angefochtenen Bescheides der Unterinstanz … gebildet hat ... Die
Grenzen der Sache, über welche die Berufungsbehörde abzusprechen
hat, bestimmen sich nicht nach der Angelegenheit, die vor der
untergeordneten Instanz in Verhandlung war, sondern nach dem
Gegenstand, der durch den Spruch des Bescheides entschieden wurde
…, dh die Berufungsbehörde darf sachlich nicht über mehr
absprechen, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz
war ... Sind Anträge der Partei im angefochtenen Bescheid nicht
oder nur zum Teil erledigt worden, ist die Berufungsbehörde nicht
befugt, über die nicht behandelten Anträge bzw. die unerledigten
Teile abzusprechen, da sie nicht zur 'Sache', dh zum Inhalt des
Spruchs des bekämpften Bescheides, gehören ... Ebenso wenig darf
die Berufungsbehörde ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen, das über den in erster Instanz gestellten und entschiedenen Antrag hinausgeht ...
Spricht die Berufungsbehörde über eine Angelegenheit in der Sache ab, die nicht Gegenstand des unterinstanzlichen Bescheides gewesen ist, leidet der Berufungsbescheid an Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Rechtsmittelbehörde, weil eine derartige Entscheidung nicht in ihre funktionelle Kompetenz fällt …; überdies würde die Sachentscheidung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Partei auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzen ..."
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht "auf Stattgebung seiner Ansuchen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt"; er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, bei der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages und der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung handle es sich um einen einzigen (unter einem) abzusprechenden Spruch und eine Einheit, einen inneren Zusammenhang und sei der Verfahrensgegenstand nicht teilbar. Die Berufungsbehörde dürfe nicht über anderes entscheiden als Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz gewesen sei.
Der Beschwerdeführer hatte in seinen Eingaben vom neben der Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages nach § 113 Abs. 10 GehG auch die Neufestsetzung seiner besoldungsrechtlichen Stellung, die Nachzahlung von Bezügen und die Anrechnung entsprechender Ruhegenussvordienstzeiten begehrt. Mit seinem Bescheid vom hatte das Personalamt Wien als Dienstbehörde erster Instanz gemäß §§ 12 und 113 GehG den Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers neu festgesetzt und damit ausschließlich über den Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages abgesprochen, nicht jedoch über die weiteren, vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren erster Instanz erhobenen Begehren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Absprüche über die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages bzw. über die dadurch erlangte besoldungsrechtliche Stellung jedenfalls für Zwecke der Anfechtung vor dem Verwaltungsgerichtshof als teilbar qualifiziert (vgl. als Beispiel einer solchen Teilanfechtung das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/12/0007).
Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , Zl. 2013/12/0061, ausgesprochen, dass im Falle des Fehlens einer spruchförmigen Entscheidung durch die erstinstanzliche Dienstbehörde über die besoldungsrechtliche Stellung eine solche Entscheidung nicht "Sache" eines Berufungsverfahrens bilden kann, welches gegen eine isolierte Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages eingeleitet wird.
Der Beschwerdeführer hat unter Berücksichtigung des Vorgesagten hier ausschließlich Berufungsanträge gestellt, welche außerhalb der "Sache" lagen, über die die erstinstanzliche Behörde abgesprochen hat, weshalb die belangte Behörde zutreffend (siehe auch die tiefer stehenden Ausführungen) mit Zurückweisung der Berufung vorgegangen ist.
Anzumerken ist freilich, dass sich eine Trennung der beiden in § 113 Abs. 10 GehG vorgesehenen Anträge bzw. Entscheidungen in erster Instanz - jedenfalls rückblickend im Hinblick auf das vorzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sowie auf die dem hg. Vorlagebeschluss vom , Zl. EU 2013/0005, zu Grunde liegenden Rechtsfragen - als höchst unzweckmäßig erweist. Auch ist mit den vorstehenden Ausführungen keine Aussage über die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der erstinstanzlichen Behörde in Ansehung der Vornahme eines abgesonderten Abspruches über den Vorrückungsstichtag verbunden. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Vorgangsweise der erstinstanzlichen Behörde hätte der Beschwerdeführer aber nur erzielen können, indem er die isolierte Vornahme der Festsetzung des Vorrückungsstichtages (mit einem Berufungsantrag in Richtung ihrer Aufhebung unter Erteilung eines Auftrages an die erstinstanzliche Behörde darüber gemeinsam mit der besoldungsrechtlichen Stellung zu entscheiden) angefochten hätte.
Demgegenüber hat er sich aber nur auf Teilsäumnis berufen und Berufungsanträge außerhalb der "Sache" gestellt.
Mit der Berufung kann von der Rechtsmittelinstanz aber nur eine andere Entscheidung in "derselben Sache" begehrt werden, nicht jedoch etwas, was außerhalb der Sache des Berufungsverfahrens liegt. Bewegt sich der in der Berufung erhobene Antrag nicht innerhalb der Sache des bekämpften Bescheides, sondern liegt er zur Gänze außerhalb dieser Sache, ist die Berufung als unzulässig zurückzuweisen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/12/0173 und Zl. 2002/12/0243 sowie die in Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 62 zu § 66 sowie in Hengstschläger/Leeb , Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Teilband, unter Rz. 42 zu § 66 wiedergegebene weitere Rechtsprechung).
Da der Beschwerdeführer auch in seiner verbesserten Berufung eine Entscheidungen der belangten Behörde außerhalb der Sache des Berufungs-verfahrens begehrte, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde diese Berufung als unzulässig zurückwies.
Damit verletzt der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf Stattgebung seiner weiteren Begehren, über die zunächst die Dienstbehörde erster Instanz in einem weiteren Verfahren zu entscheiden hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG unter Abstandnahme von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG als unbegründet abzuweisen, weil schon die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens den entscheidungswesentlichen Sachverhalt - den Umfang der Sache des Verwaltungsverfahrens erster Instanz, damit die Sache des Berufungsverfahrens einerseits und den Inhalt der Berufung andererseits - darlegten und damit erkennen ließen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ, und sowohl Art. 6 Abs. 1 EMRK als auch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dem nicht entgegen standen, nachdem sich die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Beantwortung der eingangs erörterten Rechtsfrage beschränkte.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am