VwGH vom 02.02.2012, 2011/04/0197

VwGH vom 02.02.2012, 2011/04/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/28, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. M63/007962/2011, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin im Instanzenzug die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes "Baumeister" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 91 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm § 13 Abs. 1 GewO 1994 entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei aufgefordert worden, betreffend ihre beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer G P und I F eine Bestätigung über das Nichtvorliegen von Verurteilungen aus dem Land, in dem sie in den letzten fünf Jahren aufhältig gewesen seien, vorzulegen. Weiters scheine G P im Strafregister mit einer einen Gewerbeausschlussgrund iSd § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden Verurteilung auf (Verweis auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen W vom wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB, Freiheitsstrafe von 5 Monaten bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren). Mit Verfahrensanordnung vom sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, die genannten handelsrechtlichen Geschäftsführer binnen einer Frist von zwei Monaten zu entfernen. Die Beschwerdeführerin habe die geforderten Strafregisterbescheinigungen ihrer beiden Geschäftsführer nicht vorgelegt. Da die Gewerbebehörde keinen Zugriff auf ausländische Strafregister besitze, habe die Beschwerdeführerin diese im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht beizubringen. Würden solche nicht vorgelegt, so könne das Nichtvorliegen von Gewerbeausschlussgründen nicht angenommen werden. Mit der Berufung sei eine Bescheinigung betreffend I F vorgelegt worden, wonach dieser zumindest nicht im rumänischen Strafregister eingetragen sei. Nachweise über die Entfernung des G P seien nicht vorgelegt worden. Eine Nachschau im Firmenbuch habe ergeben, dass G P nach wie vor handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei. Da die rechtmäßig gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 gesetzte Verfahrensanordnung nicht befolgt worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994 lauten:

"§ 13. (1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1. von einem Gericht verurteilt worden sind

b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2. die Verurteilung nicht getilgt ist.

§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 GewO 1994 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist

§ 91. …

(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen."

2. Die belangte Behörde stützt die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung der Gewerbeberechtigung darauf, dass die Verfahrensanordnung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 durch die Beschwerdeführerin nicht befolgt worden sei und die beiden genannten handelsrechtlichen Geschäftsführer nicht entfernt worden seien.

Diese Auffassung kann sich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen, wonach die in § 91 Abs. 2 GewO 1994 geregelte Entziehung der Gewerbeberechtigung nur eine Sanktion für die Nichtentfernung darstellt und Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Gewerbetreibenden gesetzten behördlichen Frist unbeachtlich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0213, mwN).

Zu beachten ist aber auch, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Aufforderung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 die Sache des gegenständlichen Entziehungsverfahrens festgelegt wird. Dies umfasst auch die in dieser Aufforderung angeführten für die Entfernung der genannten natürlichen Person bestimmenden Gründe (vgl. ebenso das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0213, mwN).

3.1. Im Beschwerdefall wurde als derart bestimmender Grund zunächst angeführt (der handelsrechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin) G P erfülle auf Grund der im Bescheid zitierten strafgerichtlichen Verurteilung den Entziehungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994.

Für den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist es erforderlich, dass die Gewerbebehörde auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit eine begründete und nachvollziehbare Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anstellt. Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 setzt daher die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zu Grunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0014, mwN).

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde im Hinblick auf die Verurteilung des G P lediglich auf einen Auszug aus dem Strafregister gestützt und keine Feststellungen zu den der herangezogenen Verurteilung konkret zu Grunde liegenden Tathandlungen getroffen. Auf Grund des Fehlens dieser Feststellungen durfte die belangte Behörde daher nicht davon ausgehen, dass G P den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 erfüllt habe.

3.2. Aber auch der weitere in der Anordnung angeführte Grund, betreffend die handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin seien keine Strafregisterauszüge des Landes vorgelegt worden, in dem diese in den letzten fünf Jahren wohnhaft bzw. aufhältig gewesen seien, kann die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung nicht tragen:

Alleine die Berufung auf die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin und das Fehlen entsprechender Bescheinigungen über die Straflosigkeit kann die Annahme eines Entziehungstatbestandes auch vor dem Hintergrund der oben angeführten Rechtsprechung (und der dort geforderten Feststellung der zu Grunde liegenden Tathandlungen) nicht tragen: Die Weigerung der Partei, in dem von Amts wegen zu führenden Ermittlungsverfahren in der beschriebenen Weise mitzuwirken, unterliegt der freien Beweiswürdigung durch die Behörde. Diese kann aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Beweiswürdigung für die Partei negative Schlüsse ziehen (vgl. etwa das in Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht 5. Auflage (2009), 185, zitierte hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2001/11/0220, 0221, mwN). Fallbezogen lässt sich jedoch aus der Nichtvorlage der verlangten (in- und ausländischen) Strafregisterauszüge nicht schlüssig ableiten, die Betreffenden seien wegen der in § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm § 13 Abs. 1 und 2 GewO 1994 genannten strafbaren Handlungen verurteilt worden.

4. Da sich der angefochtene Bescheid aus diesen Erwägungen als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am