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VwGH vom 27.01.2009, 2008/22/0190

VwGH vom 27.01.2009, 2008/22/0190

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Wolfgang Pitzal, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 147.986/2-III/4/06, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein vom Beschwerdeführer, einem nigerianischen Staatsangehörigen, am gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für Angehörige wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der Erstbehörde) vom gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am unter einem Aliasnamen illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe. Mit Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom sei dieser Asylantrag gemäß § 7 und § 8 Asylgesetz abgewiesen worden; einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer sei daher nach wie vor gemäß dem Asylgesetz vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens berechtigt; das Asylverfahren sei noch nicht rechtskräftig beendet.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen - unter Wiedergabe der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG - aus, dass das NAG angesichts der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz auf dessen Fall nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG nicht anzuwenden sei.

In Hinblick auf die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), werde festgehalten, dass der Beschwerdeführer die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle und daher kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen könne; der Beschwerdeführer habe nicht einmal behauptet, dass sein Wahlvater das Recht auf die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

§ 1 NAG lautet:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Erteilung, Versagung

und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, sowie die Dokumentation von bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Fremde, die


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1. nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und nach vorigenasylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit diesesBundesgesetz nicht anderes bestimmt;
2. nach § 95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, über einenLichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügen oder
3. nach § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeitberechtigt sind."

Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom zu dem hier relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung aufgrund der asylgesetzlichen Bestimmungen verfügt hat und sein Asylverfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist.

Angesichts dieser Berechtigung zum Aufenthalt nach asylgesetzlichen Bestimmungen ist das NAG nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0315, mwN).

Die Beschwerde vertritt schließlich die Auffassung, dass der Beschwerdeführer als Wahlkind eines österreichischen Staatsbürgers ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG habe. Das hätte allerdings im Ergebnis zur Folge, dass das Prozesshindernis des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG infolge Verdrängung durch das Gemeinschaftsrecht einer Entscheidung nicht entgegenstehen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/21/0671).

Zu diesem Beschwerdevorbringen ist allerdings anzumerken, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie - unter bestimmten Voraussetzungen - ein Aufenthaltsrecht von "Familienangehörigen" von Unionsbürgern nur dann begründet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt in dem Sinn vorliegt, dass der Zusammenführende nicht die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , 2008/18/0507, mwN).

Verwandte in gerader absteigender Linie eines Unionsbürgers sind überdies gemäß Art. 2 Z. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG nur dann "Familienangehörige" im Sinn der Richtlinie, wenn sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wenn ihnen durch den Unionsbürger Unterhalt gewährt wird.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als 24 Jahre alt. Er hat in seinem Vorbringen im Administrativverfahren nicht behauptet, dass ihm von seinem österreichischen Adoptivvater, der nach einer im Verwaltungsakt enthaltenen Auskunft des Arbeitsmarktservice vom ab Notstandshilfe in Höhe von EUR 15,92 pro Tag bezog (AS 25), Unterhalt gewährt werde. Vielmehr hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass sein Adoptivvater nach einer erfolgreichen Alkoholentwöhnungskur wieder eine Eingliederung in den Arbeitsprozess anstrebe und die Unterstützung des Beschwerdeführers benötige (Antrag vom ); sein Wahlvater sei aufgrund von Alkoholproblemen in einem Heim untergebracht und werde vom Beschwerdeführer, der viele Angelegenheiten für ihn erledige, mehrmals pro Woche besucht (Berufung vom ).

Da somit der Beschwerdeführer gar nicht Familienangehöriger im Sinn der zitierten Bestimmung des Art. 2 Z. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG ist, ist der vorliegende Fall auch von den dem hg. Beschluss vom , A 2008/0041 (2008/18/0507), zugrunde liegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken zu § 57 NAG nicht berührt.

Mangels Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts kann sich der Beschwerdeführer auch nicht etwa auf das Metock u.a., C-127/08, oder den Deniz Sahin, C-551/07, berufen.

Letztlich gehen die Beschwerdeausführungen zu §§ 21, 72 ff NAG ins Leere, weil dieses Bundesgesetz - wie oben dargelegt - auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008 (vgl. insbesondere deren § 3 Abs. 2).

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-84062