VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0189
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Z, vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 315.855/2-III/4/06, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den am gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin mit einem Visum der Kategorie C, gültig vom 15. November bis , nach Österreich eingereist sei und seither in Wien 5 wohne.
Mit dem vorliegenden Antrag strebe die Beschwerdeführerin die Familienzusammenführung mit ihrer in Österreich lebenden Schwiegertochter an, die österreichische Staatsbürgerin sei; allerdings sei aufgrund der Aktenlage nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Schwiegertochter als der Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen habe oder mit dieser bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen habe.
Nach einer mit dem Antrag vorlegten Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse vom verfüge die Schwiegertochter der Beschwerdeführer über ein monatliches Gesamteinkommen in der Höhe von EUR 617,70. (Der vom datierende Bescheid erster Instanz hatte - in der Berufung nicht bestritten - ein monatliches Nettoeinkommen der Schwiegertochter in der Höhe von EUR 1.013,-- festgestellt. Eigene Erhebungen der belangten Behörde oder etwa die Einräumung von Parteiengehör zu diesem Punkt nach § 45 Abs. 3 AVG sind aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlich.)
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten des NAG anhängig seien, nach dessen Bestimmungen zu Ende zu führen seien.
Da die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG im Fall der Beschwerdeführerin nicht vorlägen, sei der gegenständliche Antrag "konsequenterweise" von Amts wegen dahingehend geprüft worden, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG vorlägen.
Im Weiteren prüfte die belangte Behörde, ob die monatlichen Einkünfte der Beschwerdeführerin - wie von § 42 Abs. 1 Z. 3 NAG gefordert - das Zweifache des anzuwendenden Richtsatzes des § 293 ASVG erreichten, und verneinte die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG, weil nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführerin eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften möglich sei.
Im Zuge der damit erforderlichen Interessenabwägung habe die belangte Behörde festgestellt, dass "den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden" müsse, weil die Beschwerdeführerin keinen Nachweis über die Sicherung ihres Lebensunterhaltes erbracht habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen, noch während der Geltung des Fremdengesetzes 1997 - FrG gestellten Antrag zutreffend nach den Bestimmungen des am in Kraft getretenen NAG beurteilt hat (§ 81 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 NAG).
Indem die belangte Behörde den vorliegenden Antrag, der auf die Familienzusammenführung mit der österreichischen Schwiegertochter der Beschwerdeführerin gerichtet und somit nach dem In-Kraft-Treten des NAG nach dessen § 47 Abs. 3 Z. 1 (in der hier maßgeblichen Stammfassung) zu beurteilen ist, von Amts wegen in einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG umgedeutet hat, hat sie den angefochtenen Bescheid allerdings mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (zu der im Anwendungsbereich des NAG geltenden strengen Antragsbindung vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0281, mwN).
Ein weiterer Rechtsirrtum liegt darin, dass die belangte Behörde - nach Verneinung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG - die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) mit der Begründung abgelehnt hat, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerin "absolute Priorität" eingeräumt werden müsse. Diese Rechtsmeinung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0659).
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am