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VwGH vom 10.11.2010, 2008/22/0179

VwGH vom 10.11.2010, 2008/22/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12/12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 316.242/2- III/4/06, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) einen am gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG "gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit dem vorliegenden Antrag die Familienzusammenführung mit seiner in Österreich lebenden österreichischen Mutter anstrebe, welche im Verfahren eine Unterhaltserklärung vorgelegt habe.

Dem Antrag könne eine "schriftliche Erklärung" entnommen werden, wonach die Mutter des Beschwerdeführers dessen Unterhalt in Serbien finanziert haben solle, ohne dass diese Behauptung "jedoch mit dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen)" unterlegt worden wäre.

Weiters habe der Beschwerdeführer im Verfahren die Fotokopie eines Sparbuchs, datierend mit , vorgelegt, das auf seine Mutter laute und einen Guthabensstand in der Höhe von EUR 4.000,-- aufweise. In den vorgelegten Unterlagen fänden sich allerdings keine Hinweise darauf, dass dieser Geldbetrag tatsächlich dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehe.

Die Mutter des Beschwerdeführers sei bei zwei unterschiedlichen Unternehmen beschäftigt und verfüge über "ein monatliches Gesamteinkommen von etwa EUR 1.200,--".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe von § 82 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 sowie § 42 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass der gegenständliche Antrag aufgrund des am in Kraft getretenen NAG als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" (§ 47 Abs. 3 NAG) zu werten sei. Allerdings sei "aufgrund der Aktenlage nicht ersichtlich", dass der Beschwerdeführer - wie von § 47 Abs. 3 Z. 3 lit. a und b NAG verlangt - von der Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen oder mit dieser bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen habe, sodass die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben seien.

"Konsequenterweise" sei der vorliegende Antrag von Amts wegen dahingehend geprüft worden, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG vorlägen. Gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 NAG müsse der Beschwerdeführer bzw. dessen Mutter über feste und regelmäßige monatliche Einkünfte in der Höhe des Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG verfügen; es lägen allerdings keine ausreichenden eigenen Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers "für eine dauernde Zuwanderung in das Bundesgebiet" vor, sodass gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG kein Aufenthaltstitel erteilt werden dürfe.

Bei dem Sparguthaben handle es sich weder um feste noch regelmäßige Einkünfte, weshalb es für die "vom Gesetzgeber geforderte Unterhaltsleistung" nicht berücksichtigt werden könnte.

Im Zuge der damit erforderlichen Interessenabwägung habe die belangte Behörde festgestellt, dass "den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werde" müsse, weil der Beschwerdeführer der Behörde keinen Nachweis über die Sicherung seines Lebensunterhaltes erbracht habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen, am (noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) gestellten Antrag in Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zutreffend nach den Bestimmungen des NAG beurteilt hat (§ 81 Abs. 1 NAG).

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des vorliegenden Antrags allein auf das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG und legte ihrer Entscheidung bei der in diesem Zusammenhang erforderlichen Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel die Annahme zugrunde, dass der Antrag mangels Vorliegen der Voraussetzungen einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) von Amts wegen dahingehend geprüft werden müsse, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG vorlägen.

Allerdings war der belangten Behörde eine derartige Umdeutung des Antrages aus Eigenem aus den im hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0281, genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, verwehrt.

Damit erweisen sich aber die Ausführungen der belangten Behörde zu den nach § 42 Abs. 1 Z. 3 NAG (als besondere Erteilungsvoraussetzung) notwendigen Einkünften (diese Bestimmung legt insofern ein Zweifaches der Richtsätze des § 293 ASVG fest) schon vom Ansatz her als gänzlich verfehlt, weil im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 NAG nicht zu prüfen waren.

Der zur Beurteilung des gegenständlichen Antrages richtigerweise heranzuziehende § 47 Abs. 3 NAG lautet:

"§ 47. (...)

(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und Unterhalt bezogen haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben."

In diesem Zusammenhang bezieht sich der angefochtene Bescheid auf eine schriftliche Erklärung im Antrag, wonach die Mutter des Beschwerdeführers dessen Unterhalt in Serbien finanziert haben solle; die belangte Behörde schenkt dieser Erklärung allerdings - erschließbar - allein deshalb keinen Glauben, weil "diese Behauptung" nicht "mit dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen)" unterlegt worden wäre.

Die damit von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung ist allerdings nicht nachvollziehbar. Auch in dieser Hinsicht wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des bereits zitierten hg. Erkenntnisses vom verwiesen.

Im Übrigen kommt - entgegen der wiedergegebenen Ansicht der belangten Behörde - der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel in Hinblick auf § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG nach der hg. Rechtsprechung auch durch Spareinlagen in Betracht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2008/22/0835, mwN).

Schließlich teilt der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass im Rahmen der (nach § 11 Abs. 3 NAG in der hier maßgeblichen Stammfassung) vorzunehmenden Interessenabwägung den öffentlichen gegenüber den privaten Interessen im Hinblick auf vermeintlich nicht ausreichende Unterhaltsmittel "absolute Priorität" einzuräumen sei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0071, mwN).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Da dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, kommt ein Ersatz der Eingabengebühr nicht in Betracht.

Wien, am