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VwGH vom 22.11.2011, 2011/04/0190

VwGH vom 22.11.2011, 2011/04/0190

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. M63/004396/2011, betreffend Ausnahmebewilligung nach der (Wiener) Marktordnung 2006 (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung ergibt sich Folgendes:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Ausnahmebewilligung von der Mindestausstattung eines näher bezeichneten Marktplatzes in W gemäß § 27 Abs. 5 der Marktordnung 2006 in der geltenden Fassung abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe am ein Ansuchen um Ausnahmebewilligung gestellt, in dem sie angegeben habe, dass die Errichtung weiterer Pissoirstände aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, da die Kosten des in den Jahren 2001 und 2004 stattgefundenen Umbaues des Marktstandes noch bis ins Jahr 2014 abzustatten seien. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen worden, dass in einer Entfernung von etwa 80 m öffentliche Toiletten zur Verfügung stünden und die bestehende Toilette 2004 auf ausdrückliche "Anordnung" des Marktamtes eingebaut worden sei. Die Beschwerdeführerin berufe sich auf eine Niederschrift der Marktverwaltung vom , aus welcher sich ergebe, dass im Hinblick auf die besonderen örtlichen Verhältnisse auf die Herstellung eines Pissoirs verzichtet worden sei. Die damals geforderten zwei Sitzzellen samt Waschgelegenheiten seien zwischenzeitlich errichtet worden.

Dieses Vorbringen habe im Hinblick auf die Änderung der Rechtslage durch die Marktordnung 2006 keine Relevanz. Im Zuge der Neuerlassung der Marktordnung 2006 seien zur Anhebung des hygienischen Standards auf ein zeitgemäßes und mit anderen Gastronomiebetrieben vergleichbares Niveau und im Interesse der Kundinnen und Kunden erstmals Bestimmungen über die erforderliche Mindestausstattung der Toilettenanlagen von Gastronomiebetrieben aufgenommen worden. Unter dem Aspekt der mit der neuen Marktordnung verlängerten Öffnungszeiten der Märkte und der immer größeren Zahl von Gastronomiebetrieben auf Märkten sollten diese auch der Reinhaltung der Märkte dienen.

Die Ausnahmebestimmung des § 27 Abs. 5 der Marktordnung 2006 solle die Bewilligung von Ausnahmen in begründeten Fällen ermöglichen. Die in dieser Bestimmung genannten Ausnahmetatbestände hätten gemeinsam, dass es sich um besondere, nicht vom Antragsteller beeinflussbare objektive Faktoren, handle. Der Begriff "ähnliche Ausnahmesituationen" sei daher so auszulegen, dass Umstände, welche ausschließlich im Bereich des Antragstellers lägen, davon nicht erfasst seien. Die im Ansuchen der Beschwerdeführerin angeführten, in ihrer Sphäre gelegenen wirtschaftlichen Gründe vermögen eine Ausnahmebewilligung nicht zu begründen. Für das Vorliegen einer objektiv begründeten Ausnahmesituation fände sich weder im Akt noch im Vorbringen der Beschwerdeführerin ein Anhaltspunkt. Insbesondere sei das Vorhandensein einer öffentlichen Toilettenanlage in rund 100 m Entfernung angesichts der Größe des gegenständlichen (und der zahlreichen weiteren in den letzten Jahren hinzugekommenen) Gastronomiebetriebes kein Grund für die Zulassung der beantragten Abweichungen. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Marktordnung 2006 am bis zum Ende der Übergangsfrist am - also drei Jahre lang - Zeit gehabt, wirtschaftlich zu disponieren, um den Einbau einer weiteren Sitzzelle sowie eines Pissoirstandes zu ermöglichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 293 Abs. 2 GewO 1994 kann die durch die Gemeinde gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung zu erlassende Marktordnung insbesondere Bestimmungen enthalten, die die Reinhaltung des Marktes sichern (Z. 2) sowie Bestimmungen darüber enthalten, inwieweit der Ausschank von Getränken und die Verabreichung von Speisen gestattet sind (Z. 4).

§ 27 der auf Grund von § 293 GewO 1994 erlassenen Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der eine Marktordnung erlassen wird, ABl. 2006/22 vom in der Fassung ABl. 2011/43 vom (Marktordnung 2006), enthält derartige Bestimmungen über die Mindestausstattung für die Gastronomie.

Gemäß § 27 Abs. 1 der Marktordnung 2006 muss eine für die Benützung durch die Gäste vorgesehene Toilettenanlage vorhanden sein, welche nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 aus Sitzzellen getrennt für Männer und Frauen sowie aus einer Pissoiranlage zu bestehen hat, wenn mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen oder Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden. Die Zahl der Sitzzellen und der Stände der Pissoiranlage werden in Abs. 1 nach der Anzahl der Verabreichungsplätze näher vorgeschrieben.

Gemäß § 27 Abs. 5 der Marktordnung 2006 hat die Marktverwaltung abweichende Maßnahmen mit Bescheid zuzulassen, wenn die Einrichtung von Abs. 1 entsprechenden Toilettenanlagen infolge besonderer örtlicher Verhältnisse, baulicher Besonderheiten, entgegenstehender Bestimmungen des Denkmalschutzes oder ähnlicher Ausnahmesituationen nicht erforderlich oder möglich ist.

2. Im Beschwerdefall wurde den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge das Ansuchen um Ausnahmebewilligung nach § 27 Abs. 5 Marktordnung 2006 im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Errichtung des nach der Marktordnung 2006 vorgeschriebenen weiteren Pissoirstandes aus finanziellen Gründen nicht möglich sei und die in 80 m Entfernung zur Verfügung stehenden öffentlichen Toiletten ausreichend seien.

Davon ausgehend kann die Auffassung der belangten Behörde, diese von der Beschwerdeführerin angeführten Gründe seien keine Ausnahmesituation nach § 27 Abs. 5 Marktordnung 2006, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Die Beschwerde beruft sich nun darauf, dass es sich bei dem vorliegenden Markt um einen traditionellen Markt handle, der Produkte für den täglichen Bedarf anbiete. Allein schon auf Grund des Alters der einzelnen Marktstände, die bereits ursprünglich nicht darauf ausgerichtet gewesen seien, am Stand eigene Toiletten aufzuweisen, liege eine außergewöhnliche Ausnahmesituation vor.

Auch mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Ausnahmesituation nach § 27 Abs. 5 der Marktordnung 2006 konkret darzulegen. Vielmehr legt die Begründung des ursprünglichen Antrages auf Ausnahmebewilligung nahe, dass - abgesehen von den von der Beschwerdeführerin genannten finanziellen Gründen - keine Ausnahmesituation besteht, welche die Einrichtung von dem § 27 Abs. 1 leg. cit. entsprechenden Toilettenanlagen als nicht erforderlich oder möglich erscheinen lässt.

4. Die Beschwerdeführerin beruft sich weiters auf die bereits im Verfahren vor der belangten Behörde angeführte Niederschrift des Magistrates der Stadt W, Magistratsabteilung 59, Marktamtsabteilung für den 4. bis 7. Bezirk vom (der Beschwerde beigelegt). Aus dieser ergibt sich, dass seitens der Marktbehörde auf die Herstellung eines Pissoirs verzichtet werde.

Ein wohlerworbenes Recht kann aus dieser Niederschrift aber schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil die vorliegend maßgebliche Bestimmung des § 27 der Marktordnung 2006 gemäß § 41 Abs. 12 dieser Verordnung für zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits bestehende Gastronomiebetriebe erst mit in Kraft getreten ist. Auf Grund dieser nachträglichen Änderung der Rechtslage kann von einem Eingriff in erworbene Rechte iSd § 68 Abs. 3 AVG (vgl. hiezu die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz. 99f wiedergegebene hg. Rechtsprechung) nicht gesprochen werden. Zu dieser Änderung der Rechtslage hat die belangte Behörde zutreffend auch auf die nach dieser Bestimmung normierte dreijährige Übergangsfrist hingewiesen.

5. Ob letztlich die Feststellung im angefochtenen Bescheid, der Marktstand der Beschwerdeführerin würde nur eine Sitzzelle (Toilette) aufweisen (während die Beschwerdeführerin vorbringt, sie habe bereits zwei Sitzzellen getrennt für Männer und Frauen errichtet), zutrifft, kann vorliegend dahinstehen, weil im Beschwerdefall alleine maßgeblich ist, dass dem § 27 Abs. 1 Marktordnung 2006 entsprechende Toilettenanlagen einzurichten waren und ob davon abweichende Maßnahmen zuzulassen waren (§ 27 Abs. 5 Marktordnung 2006).

Vorliegend ist die belangte Behörde nicht in als rechtswidrig zu erkennender Weise davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 27 Abs. 5 Marktordnung 2006 für eine Ausnahmebewilligung nicht vorgelegen sind.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am