VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0175

VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 147.897/2-III/4/06, betreffend Daueraufenthaltskarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) einen am durch den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Nigeria, gestellten Antrag auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurück.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer seit in Österreich aufhalte und am einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe. Das Verfahren über diesen Antrag sei noch nicht abgeschlossen; der Beschwerdeführer verfüge daher über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Am habe er in Wien eine britische Staatsangehörige geheiratet.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen - unter Wiedergabe der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG - aus, dass das NAG nach dieser Bestimmung auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar sei, weil er nach den Bestimmungen des Asylgesetzes vorläufig zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei.

Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers in Hinblick auf die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), werde festgehalten, dass der Beschwerdeführer die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle. Zwar habe die Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf die (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen, indem sie sich in Österreich niedergelassen habe. Das abgeleitete Recht des Beschwerdeführers als eines Angehörigen einer EWR-Bürgerin setze allerdings voraus, dass er die EWR-Bürgerin begleitet habe oder zu ihr nachgezogen sei. Beide Alternativen habe der Beschwerdeführer nicht erfüllt, weil er seine Ehefrau erst nach seiner Einreise nach Österreich geheiratet habe.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 600/07, abgelehnt und die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) gilt dieses Bundesgesetz nicht für Fremde, die nach dem Asylgesetz 2005 und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit das NAG nicht anderes bestimmt. Diese Bestimmung wird allerdings im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0941, mwN).

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) sind Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, die nicht EWR-Bürger sind und die die in § 52 Z. 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zur Niederlassung berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Daueraufenthaltskarte für die Dauer von zehn Jahren auszustellen.

Nach § 52 Z. 1 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) sind Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, die selbst EWR-Bürger sind, zur Niederlassung berechtigt, wenn sie Ehegatte sind und den EWR-Bürger begleiten oder zu ihm nachziehen.

Zwar enthält diese Bestimmung - in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG - die Wendung "und diesen begleiten oder zu ihm nachziehen", der Europäische Gerichtshof hat allerdings zu dieser Richtlinienbestimmung ausgesprochen, dass es keine Rolle spielt, ob Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, bevor oder nachdem sie Familienangehörige des Unionsbürgers wurden (vgl. dazu wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN, insbesondere mit Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom , Rs Metock u.a., C-127/08).

Die belangte Behörde, die davon ausgegangen ist, die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG auf den Beschwerdeführer setze voraus, dass dieser bereits vor der Einreise in Österreich als Aufnahmemitgliedstaat seine (britische) Ehefrau heiraten hätten müssen, hat dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am