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VwGH vom 27.02.2008, 2006/13/0157

VwGH vom 27.02.2008, 2006/13/0157

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Franz Bixner, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1470- W/04, betreffend Einkommensteuer 1995 und 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut Notariatsakt vom "verkaufte" der Beschwerdeführer seiner damaligen Ehefrau (E.L.) insgesamt sieben Liegenschaften. Nach Scheidung der Ehe klagte der Beschwerdeführer E.L. vor dem Landesgericht für ZRS Wien auf Feststellung der Ungültigkeit dieses Kaufvertrages. Am schlossen der Beschwerdeführer und E.L. hierauf den im Folgenden auszugsweise wiedergegebenen gerichtlichen Vergleich:

"1.) Der zwischen den Parteien ... in Notariatsform ...

abgeschlossene 'Kaufvertrag', mit dem (Beschwerdeführer)

vermeintlich der E.L. die Liegenschaften ... verkaufte und ins

Eigentum übertrug, ist ex tunc, also per ungültig und (Beschwerdeführer) nach wie vor Eigentümer dieser Objekte.

...

3.) (Beschwerdeführer) verpflichtet sich, der E.L. einen Betrag von S 6,000.000,-- (in Worten: Schilling sechs Millionen) bis längstens zu bezahlen.

...

8.) Mit diesem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche aber nur hinsichtlich der gegenständlichen streitverfangenen Liegenschaften bereinigt.

9.) Hinsichtlich des sonstigen Gebrauchsvermögens behalten sich die Parteien eine weitere Auseinandersetzung im Sinne der § 81 ff EheG vor.

..."

Das Finanzamt ging zunächst davon aus, dass E.L. im Hinblick auf den Vertrag vom einerseits und den Vergleich vom andererseits einen 1992 zu erfassenden Spekulationsgewinn in Höhe von S 2,628.090,-- erzielt habe. Es erließ für 1992 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid, der nach Erhebung einer Berufung durch die Berufungsbehörde bestätigt wurde. Mit hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0211, hob der Verwaltungsgerichtshof den Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf; die Berufungsbehörde habe ihre Beweiswürdigung betreffend das Fehlen einer Schenkungsabsicht, die von E.L. in Bezug auf den Vertrag vom behauptet worden war (gemäß ihrem Vorbringen habe es sich dabei um ein in Gläubigerschädigungsabsicht getätigtes Scheingeschäft gehandelt), nicht schlüssig begründet.

Im Zuge einer beim Beschwerdeführer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass dieser zwei der von Punkt 1.) des Vergleichs vom erfassten Liegenschaften veräußert hatte (uzw. in den Jahren 1995 und 1997). Davon ausgehend, dass der Beschwerdeführer die Liegenschaften "im Zuge der Grundstücksrückübereignung" durch den besagten Vergleich "miterworben" habe, vertrat der Prüfer die Auffassung, es lägen Spekulationsgeschäfte vor. Unter Berücksichtigung der erzielten Kaufpreise einerseits und des nach den Einheitswerten ermittelten aliquoten Anteils der beiden Liegenschaften an der Vergleichssumme von S 6 Mio. andererseits gelangte der Prüfer zu Spekulationsgewinnen von S 1,706.832,-- für 1995 und von S 2,703.258,-- für 1997. In seinen Einkommensteuerbescheiden für 1995 und 1997, je vom , folgte das Finanzamt den Annahmen des Prüfers.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, es habe sich "seinerzeit nicht um einen echten Verkauf, sondern nur um einen Vergleich gehandelt, wodurch kein Einfluss auf Spekulationsfristen entstanden sein kann". In einer Berufungsergänzung verwies er auf das mittlerweile ergangene Erkenntnis 2001/13/0211 und fügte hinzu, "die in Frage stehende Vergleichssumme" von S 6 Mio. sei "weder als Rückübereignung noch als gemischte Schenkung anzusehen". Dieser Betrag sei lediglich als ein vor dem Gericht ausgehandelter Wert für gemeinsam erarbeitetes, gekauftes oder ererbtes Hab und Gut anzusehen, der keinerlei steuerliche Auswirkungen nach sich ziehen könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, dass die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers, E.L., 1987 jedenfalls (wirtschaftliche) Eigentümerin der ihr übertragenen sieben Liegenschaften geworden sei. Durch den Vergleich vom sei es zu einer Rückübereignung gekommen, in wirtschaftlicher Betrachtungsweise liege aus der Sicht des Beschwerdeführers ein entgeltlicher Erwerbsvorgang vor. Entgegen den Berufungsausführungen sei der Betrag von S 6 Mio. für die Überlassung der Liegenschaften bezahlt worden und stelle keine Abgeltung für gemeinsam erarbeitetes, gekauftes oder ererbtes Gut dar. Das ergebe sich aus den Punkten 8.) und 9.) des Vergleichs. Da die Liegenschaften in der Folge innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren veräußert worden seien, lägen steuerpflichtige Spekulationsgeschäfte vor.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Spekulationsgeschäfte solche Veräußerungsgeschäfte betreffend Grundstücke, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob es durch den Vergleich vom zu einer die Spekulationsfrist auslösenden Anschaffung im Sinn der eben zitierten Bestimmung gekommen ist. Die Beschwerde weist dazu im Ergebnis grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass die in Punkt 1.) des Vergleichs getroffene Regelung bezüglich der betroffenen Grundstücke nicht schlichtweg - anders als die belangte Behörde meint - als "entgeltlicher Erwerbsvorgang" beurteilt werden kann. Eine derartige Sichtweise ließe den spezifischen Gehalt der unter Punkt 1.) des besagten Vergleichs getroffenen Feststellung außer Betracht, der zufolge der seinerzeitige Vertrag vom , mit dem die fraglichen Liegenschaften vom Beschwerdeführer an seine damalige Ehefrau E.L. "verkauft" worden waren, ex tunc ungültig und der Beschwerdeführer "nach wie vor Eigentümer dieser Objekte" sei. Läge in diesem Sinn bloß eine in Form eines zivilrechtlichen Vergleichs erfolgte Rückabwicklung als Konsequenz eines von vornherein vorgespiegelten Geschäfts (des Vertrags vom ) vor, das mithin als gar nicht zustande gekommen zu betrachten wäre, so könnte in dieser Rückabwicklung nämlich kein eine Anschaffung darstellendes Veräußerungsgeschäft erblickt werden.

Der Beschwerdeführer hat offenkundig stets den Standpunkt eingenommen, der Vertrag vom sei, weil als Scheingeschäft zu beurteilen, von vornherein ungültig gewesen. Diese Sichtweise lag jedenfalls der von ihm angestrengten Klage vor dem Landesgericht für ZRS Wien gegen seine ehemalige Ehefrau auf Feststellung der Ungültigkeit dieses Kaufvertrages zu Grunde, sie wurde aber ausreichend deutlich auch im hier zu beurteilenden Abgabenverfahren zum Ausdruck gebracht. Darauf ist die belangte Behörde nicht näher eingegangen. Ihre Ansicht, infolge des Vergleichs vom sei es zu einer Rückübereignung der seinerzeit an E.L. übertragenen Liegenschaften gekommen und es liege in wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein "entgeltlicher Erwerbsvorgang" vor, nimmt nicht auf diesen Standpunkt Bezug und orientiert sich im Ergebnis allein an der laut Punkt 3.) des Vergleichs festgesetzten Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers, die als Gegenleistung für die Rückübertragung der Liegenschaften zu betrachten sei.

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass der erwähnten Zahlungsverpflichtung "Gegenleistungsfunktion" zukommen könnte, diese Deutung ist freilich keineswegs zwingend. Zunächst fehlt es - wie in der Beschwerde mehrfach betont - an einer ausdrücklichen Verknüpfung zwischen der Feststellung nach Punkt 1.) des Vergleichs einerseits und der übernommenen Zahlungsverpflichtung andererseits. Auch der Verweis auf die Punkte 8.) und 9.) des Vergleichs, wonach mit diesem Vergleich "alle wechselseitigen Ansprüche aber nur hinsichtlich der gegenständlichen streitverfangenen Liegenschaften bereinigt" sein sollten und sich die Parteien hinsichtlich des sonstigen Gebrauchsvermögens eine Auseinandersetzung im Sinne der §§ 81 ff. EheG vorbehalten, ist aber letztlich nicht aussagekräftig, zumal die Verwendung des Wortes "sonstigen" in Punkt 9.) andeutet, die zu beurteilende Zahlung stelle eine Abgeltung der Ansprüche der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers nach den §§ 81 ff. EheG in Bezug auf die streitverfangen gewesenen Liegenschaften - und nicht die Gegenleistung für eine "Rückübereignung" - dar. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass die übernommene Zahlungsverpflichtung auch - quasi "freiwillig" eingegangen - "rein prozessualen Zwecken" (Ausschaltung des Prozessrisikos, Vermeidung weiterer Kosten) gedient haben könnte, was umso eher anzunehmen wäre, als die vereinbarten S 6 Mio. hinter dem (damaligen) tatsächlichen Wert der betroffenen Liegenschaften zurückblieben. Jedenfalls durfte die belangte Behörde nicht allein mit Blick auf die übernommene Zahlungsverpflichtung von der Prüfung absehen, ob im Sinne des Standpunktes des Beschwerdeführers mit Punkt 1.) des Vergleichs vom bloß die Rückabwicklung eines seinerzeitigen Scheingeschäftes erfolgen sollte. Das hat die belangte Behörde, die sich auch mit dem tatsächlichen Wert der von Punkt 1.) des Vergleichs vom erfassten Liegenschaften nicht auseinander gesetzt hat, verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am