VwGH vom 10.11.2010, 2008/22/0172
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 315.977/10-III/4/07, betreffend u. a. Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Spruchpunktes II. (Abweisung der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA20-9/2737580-01-
W) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angeführten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) in dem - allein durch die Beschwerde bekämpften - Spruchpunkt II. einen Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit diesem Antrag die Familienzusammenführung mit seiner in Österreich lebenden österreichischen Mutter anstrebe. Dem Antrag könne eine schriftliche Erklärung der Mutter entnommen werden, wonach diese monatlich EUR 400,-- an den Beschwerdeführer bzw. dessen Familie geleistet habe und nach wie vor leiste, ohne dass "diese Behauptung jedoch mit dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen)" unterlegt worden wäre.
Die Mutter des Beschwerdeführers verfüge über ein monatliches Durchschnittseinkommen in der Höhe von EUR 1.699,-- (nach der unbekämpften Feststellung der Behörde erster Instanz: netto).
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe von § 82 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 sowie § 42 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass der gegenständliche Antrag aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage, nämlich des am in Kraft getretenen NAG, als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zu werten sei.
Allerdings sei aufgrund der Aktenlage nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z. 3 lit. a und b NAG erfülle. "Konsequenterweise" sei der Antrag von Amts wegen dahingehend einer Prüfung unterzogen worden, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG vorlägen. Gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 NAG müsse der Beschwerdeführer bzw. dessen Mutter über feste und regelmäßige monatliche Einkünfte in der Höhe des Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG verfügen. Der Vater des Beschwerdeführers sei serbischer Staatsangehöriger und damit kein Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG, weshalb sein Einkommen nicht herangezogen werden könne.
Es lägen keine "ausreichenden eigenen Mittel" zum Unterhalt des Beschwerdeführers "für eine dauernde Zuwanderung in das Bundesgebiet" vor, sodass diesem gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG kein Aufenthaltstitel erteilt werden dürfe. Im Zuge der damit erforderlichen Interessenabwägung müsse "den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden", weil der Beschwerdeführer keinen Nachweis über die Sicherung seines Lebensunterhaltes erbracht habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen, am (noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) gestellten Antrag in Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zutreffend nach den Bestimmungen des NAG beurteilt hat (§ 81 Abs. 1 NAG).
Die belangte Behörde stützte die Abweisung des vorliegenden Antrages allein auf das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG und legte ihrer Entscheidung bei der in diesem Zusammenhang erforderlichen Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel die Annahme zugrunde, dass mangels Vorliegen der Voraussetzungen einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) der gegenständliche Antrag von Amts wegen dahingehend habe geprüft werden müssen, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG vorlägen.
Damit aber hat die belangte Behörde eine unzulässige amtswegige Umdeutung des Antrages vorgenommen und schon deswegen den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dazu wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , 2008/22/0281, verwiesen.
Zu der von der belangten Behörde mit Blick auf die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z. 3 lit. a und b NAG vorgenommenen Beweiswürdigung hinsichtlich der Erklärung der Mutter des Beschwerdeführers hat sich der Gerichtshof ebenfalls in dem angeführten Erkenntnis vom geäußert.
Auch die Auffassung der belangten Behörde, dass das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers bei der Berechnung der erforderlichen Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG (idF BGBl. I Nr. 157/2005) von vornherein unberücksichtigt bleiben müsse, weil dieser nicht Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG (in der Stammfassung) sei, trifft nicht zu (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0399, unter Punkt II.2.3., mwN).
Schließlich teilt der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, dass mangels Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG den öffentlichen Interessen jedenfalls ein so großes Gewicht zukomme, dass die Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) unabhängig vom Gewicht der persönlichen Interessen des Fremden immer zu dessen Lasten ausgehen müsse (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0071, mwN).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die begehrte Umsatzsteuer vom Pauschalbetrag gemäß § 1 Z. 1 lit. a dieser Verordnung bereits umfasst ist.
Wien, am