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VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0160

VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0160

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 148.866/3- III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit , ohne über einen gültigen Aufenthaltstitel zu verfügen, in Österreich auf. Am habe er in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Am habe er den gegenständlichen Antrag persönlich bei der Behörde erster Instanz gestellt.

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte der Beschwerdeführer aber den Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen. Da er unrechtmäßig eingereist sei und sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, erfülle er auch nicht die nach § 21 Abs. 2 Z 1 NAG vorgesehenen Voraussetzungen für eine Antragstellung im Inland.

Zu der nach den §§ 72, 74 NAG vorzunehmenden Prüfung, ob die Inlandsantragstellung aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen von Amts wegen zuzulassen sei, sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, er sei koptisch-orthodoxer Christ, was mit den Gesetzen seines Herkunftslandes nicht in Einklang stehe. Er habe seinem Vorbringen zufolge mit der Rache muslimischer Extremisten zu rechnen, weil er sich, indem er (als Christ) eine muslimische Frau geheiratet habe, nach innerstaatlichem ägyptischen Recht strafbar gemacht habe. Diese Angaben seien jedoch als "reine Schutzbehauptung" zu werten, weil der Beschwerdeführer keine Unterlagen seines Heimatlandes vorgelegt habe, aus denen ersichtlich sei, dass er auf Grund der Eheschließung tatsächlich mit einer strafrechtlichen Verfolgung zu rechnen habe.

Weiters - so die belangte Behörde - stelle die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger "noch kein Aufenthaltsrecht" dar.

Sohin stehe der Bewilligung des gegenständlichen Antrages das Fehlen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 NAG entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass es sich beim gegenständlichen Antrag, um einen Erstantrag handelt, der die Inlandsantragstellung ermöglichende Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 2 Z 1 NAG (in der Stammfassung) nicht erfüllt ist und sohin auf den Antrag des Beschwerdeführers das Gebot der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG, dem er nicht entsprochen hat, Anwendung findet. Dafür, dass die diesbezügliche Ansicht der belangten Behörde unrichtig wäre, gibt es keine Hinweise.

Der Beschwerdeführer wendet sich allerdings gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Inlandsantragstellung sei auch nicht im Wege der §§ 72, 74 NAG zuzulassen. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Das Recht, den Antrag im Inland zu stellen und die Entscheidung hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland einschließlich des Abwartens der Entscheidung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0045, mwN).

Die belangte Behörde sprach dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in seinem Heimatland auf seinen religiösen Glauben zurückzuführender Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt, zu Recht nicht die Eignung ab, einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG darzustellen. Allerdings wertete sie sein Vorbringen als unglaubwürdig, weil er "keine Unterlagen" seines Heimatlandes, anhand derer seine Verfolgung belegt werde, vorgelegt habe.

Diese Beweiswürdigung hält einer Schlüssigkeitsüberprüfung nicht stand. Es ist nämlich in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung im Heimatland ausschließlich durch "Unterlagen des Heimatlandes" nachgewiesen werden könnte. In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eine Bestätigung des koptisch-orthodoxen Patriarches/Diözese Österreich vorgelegt hat, der zu entnehmen ist, dass es nach den ägyptischen Gesetzen nicht erlaubt sei, dass ein Christ eine muslimische Frau heirate, und man sich damit in Ägypten strafbar mache. Des Weiteren wird in dieser Bestätigung ausgeführt, dass Personen, die derartige Handlungen setzten, von Gruppen muslimischer Extremisten "lebensbedrohlich" verfolgt würden. Es wäre schon deswegen geboten gewesen, dass sich die belangte Behörde - was sie zur Gänze unterließ - näher mit der Situation im Heimatland des Beschwerdeführers sowie den ihn betreffenden individuellen Umständen auseinandergesetzt hätte. Dass die Angaben des Beschwerdeführers allein deswegen, weil er keine von seinem Heimatland ausgestellte Urkunde beigebracht habe, als unrichtig angesehen werden könnten, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen.

Somit hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einem für das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens relevanten Verfahrensmangel belastet, weshalb er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer abzielende Mehrbegehren war abzuweisen, weil solche in dem in der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 festgelegten Pauschalsatz bereits enthalten ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-83972