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VwGH vom 21.02.2020, Ra 2019/17/0070

VwGH vom 21.02.2020, Ra 2019/17/0070

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-S-1930/001-2017, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: E s.r.o. in B, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom ordnete die Landespolizeidirektion Niederösterreich gegenüber der mitbeteiligten Partei gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme von acht näher bezeichneten Glücksspielgeräten an.

2 Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in der sie sich "aus advokatorischer Vorsicht" mit näheren Argumenten in der Sache gegen den Beschlagnahmebescheid wendete und beantragte, das LVwG möge diesen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufheben. Weiters wurde in der Beschwerde vorgebracht, die mitbeteiligte Partei sei "weder Inhaberin, noch Eigentümerin, noch Veranstalterin", da sie das gegenständliche Lokal mit Ausnahme jenes behördlich geschlossenen Raumes gemietet habe, in welchem die beschlagnahmten Geräte betrieben worden seien; sie besitze daher keine Beschwerdelegitimation.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unzulässig zurück (1.) und sprach gleichzeitig aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen diesen Beschluss nicht zulässig sei (2.).

4 Begründend führte das LVwG hierzu aus, die mitbeteiligte Partei habe "nach belegter Eigenangabe" keine Parteistellung im gegenständlichen Beschlagnahmeverfahren. Diese sei zwar im Beschlagnahmebescheid als "Zugänglichmacher" bezeichnet worden, habe jedoch in ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde unter Vorlage eines unterfertigten Mietangebotes zwischen ihr und einer näher genannten Gesellschaft (s.r.o.) um Zurückweisung der Beschwerde ersucht, da sie weder Inhaberin, noch Eigentümerin, noch Veranstalterin sei.

5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich den rechtlichen Ausführungen des Amtsrevisionswerbers vollinhaltlich anschließt und einen Antrag auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand für die Revisionsbeantwortung stellt.

6 Der Amtsrevisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, der angefochtene Beschluss verstoße gegen jene näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach welcher die Frage der Parteistellung in amtswegigen Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu klären sei. Das LVwG habe sich in seinem Beschluss lediglich auf die Angabe der mitbeteiligten Partei gestützt, ohne von Amts wegen die notwendigen Ermittlungen zur Beurteilung deren Parteistellung durchzuführen. Im Rahmen der Revisionsgründe führt der Amtsrevisionswerber hierzu weiter aus, im Zusammenhang mit illegalem Automatenglücksspiel sei das Phänomen zu beobachten, dass oftmals Scheingeschäfte in Form von Scheinmietverträgen vorgeschoben würden, um den wahren Sachverhalt zu verschleiern. In diesem Sinne erscheine das konkrete Beschwerdevorbringen der mitbeteiligten Partei, sie habe das gegenständliche Lokal mit Ausnahme jenes behördlich geschlossenen Raumes gemietet, in dem die beschlagnahmten Geräte betrieben worden seien, "zumindest erörterungsbedürftig". Dies gelte umso mehr, als sich aus dem Beschlagnahmebescheid, mit dem sich das LVwG nicht auseinandergesetzt habe, ergebe, dass die Schlüssel zu dem Raum, in dem die Glücksspielgeräte betrieben worden seien, im Lokal der mitbeteiligten Partei in einem Blumentopf versteckt gewesen seien, und sich aus der Fotodokumentation, mit der sich das LVwG ebenfalls nicht auseinandergesetzt habe, ergebe, dass die mitbeteiligte Partei als unstrittige Inhaberin des diesen Raum umgebenden Lokals auch ohne den genannten Schlüssel faktisch die Schlüsselgewalt über den Raum mit den Glücksspielgeräten innegehabt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet. 8 Aus § 53 Abs. 3 GSpG ergibt sich, dass Parteien im Beschlagnahmeverfahren der Veranstalter, der Inhaber und der Eigentümer beschlagnahmter Gegenstände sind. Diesen Personen kommt daher auch das Recht zu, Rechtsmittel gegen einen Beschlagnahmebescheid zu erheben (vgl. etwa , mwN).

9 Die Zustellung eines Bescheides an eine Person macht diese noch nicht zu einer Partei des Verfahrens, wenn die Voraussetzungen für die Parteistellung objektiv nicht gegeben sind (vgl. ). Eine Beschwerde wäre in einem solchen Fall trotz Zustellung des Bescheides an eine solche Person zurückzuweisen.

10 Wie in der Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevision zutreffend ausgeführt wird, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im amtswegigen Verwaltungsverfahren nicht Sache einer Partei, die Voraussetzungen ihrer Parteistellung unter Beweis zu stellen, sondern ist der Behörde die Obliegenheit auferlegt, von Amts wegen in die Prüfung der Frage einzutreten, ob ein sich am Verfahren beteiligendes Rechtssubjekt Parteistellung genießt oder nicht. Dasselbe gilt für das Verwaltungsgericht (vgl. z.B. , mwN).

11 Im Revisionsfall hat das LVwG im angefochtenen Beschluss zwar unter Bezugnahme auf § 53 GSpG ausgeführt, in welchen Fällen grundsätzlich eine Parteistellung nach der genannten Gesetzesbestimmung vorliegen kann, es allerdings fallbezogen verabsäumt, eigene Ermittlungen zur Frage der Parteistellung der mitbeteiligten Partei im vorliegenden Beschlagnahmeverfahren anzustellen und auf deren Grundlage Feststellungen zu dieser Frage zu treffen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die mitbeteiligte Partei bereits im Beschlagnahmebescheid als Inhaberin der verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräte qualifiziert wurde und die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht bereits in diesem Bescheid davon ausging, dass die mitbeteiligte Partei verbotene Ausspielungen mit diesen Geräten zumindest zugänglich gemacht habe, hätte sich das LVwG vorliegend nicht mit einer "belegten Eigenangabe" der mitbeteiligten Partei zur Frage der Parteistellung im Beschlagnahmeverfahren begnügen dürfen, sondern hätte zu dieser Frage eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. in diesem Sinne , oder auch ) und auf der Grundlage geeigneter amtswegiger Ermittlungen in freier Beweiswürdigung nachvollziehbare Feststellungen dazu zu treffen gehabt. Eine Dispositionsmöglichkeit in einem Verwaltungsverfahren über die Parteistellung kommt jedenfalls nur in jenen Fällen in Betracht, in denen es das Gesetz den Parteien überlässt, die Tätigkeit einer Behörde in Anspruch zu nehmen (vgl. dazu sinngemäß ). Dies ist im vorliegenden, von Amts wegen durchgeführten Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG nicht der Fall.

12 Indem das LVwG daher im Revisionsfall die Beschwerdezurückweisung allein auf eine "Eigenangabe" der mitbeteiligten Partei gründete, hat es die dargelegte Rechtslage verkannt und sowohl die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als auch die für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen unterlassen. Dadurch belastete das LVwG den angefochtenen Beschluss infolge sekundärer Feststellungsmängel mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

13 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Der Antrag der belangten Behörde, ihr für die Revisionsbeantwortung Aufwandersatz im gebührenden Ausmaß zuzuerkennen, war schon deshalb abzuweisen, weil der Rechtsträger iSd § 47 Abs. 5 VwGG, der einerseits zum Aufwandersatz verpflichtet und dem andererseits der Aufwandersatz zufließen würde, im vorliegenden Fall ident ist (vgl. , mwN).

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170070.L00

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