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VwGH vom 18.04.2007, 2006/13/0126

VwGH vom 18.04.2007, 2006/13/0126

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/629- W/06, betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum Mai 2002 bis Dezember 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin, einer armenischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom nach den Vorschriften des Asylgesetzes 1997 durch Erstreckung Asyl gewährt. Mit am beim Finanzamt persönlich überreichten Anträgen begehrte sie für ihre vier minderjährigen Kinder die Gewährung von Familienbeihilfe. Diese Anträge präzisierte sie mit Eingabe vom dahingehend, dass ihr die Familienbeihilfe rückwirkend ab (dem Tag ihrer Einreise nach Österreich und der Stellung ihres Asylantrages) bis - bezüglich ihres jüngsten Kindes erst ab dessen Geburtstag () - gewährt werden möge.

Das Finanzamt entschied hierüber mit Bescheid vom ; der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe von Mai 2002 (bzw. von September 2003) bis Dezember 2005 werde abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Diese wies die belangte Behörde mit Bescheid vom als unbegründet ab.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:

Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die Beschwerdeführerin die Gewährung von Familienbeihilfe lediglich für den Zeitraum Mai 2002 bis April 2004 beantragte. Nur hinsichtlich dieses Zeitraumes hätte daher eine Entscheidung des Finanzamtes zu ergehen gehabt, während ihm bezüglich der weiter von seinem Abspruch im erstinstanzlichen Bescheid erfassten Monate Mai 2004 bis Dezember 2005 keine Entscheidungskompetenz zukam. Davon ausgehend hätte die belangte Behörde den Finanzamtsbescheid insoweit ersatzlos beheben müssen. Da dies unterblieb, ist der bekämpfte Bescheid zunächst einmal in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Was den Abspruch über die Monate Mai 2002 bis April 2004 anlangt, so kommt es entscheidend auf § 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) an. Diese Bestimmung lautete - auszugsweise - in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 367/1991 wie folgt:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; ...

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974.

(3) ..."

Mit dem am im Bundesgesetzblatt kundgemachten Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl. I Nr. 142/2004, erhielt § 3 Abs. 2 FLAG nachstehenden, bis (Inkrafttreten der durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100, bewirkten Änderungen) maßgeblichen Wortlaut:

"(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde."

Zugleich wurde ein § 50y in das FLAG eingefügt. Dessen Abs. 2 bestimmt:

"(2) Die §§ 3 Abs. 2 und 38a Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 treten mit in Kraft. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen bis einschließlich des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde."

Die dargestellte Änderung des § 3 Abs. 2 FLAG (und die darauf bezugnehmende Regelung in § 50y) war weder in der Regierungsvorlage zum Pensionsharmonisierungsgesetz (653 BlgNR 22. GP) noch im darauf bezugnehmenden Ausschussbericht (694 BlgNR 22. GP) vorgesehen und wurde erst auf Grund eines im Plenum gestellten Abänderungsantrages Gesetz. Dieser Abänderungsantrag war im fraglichen Punkt wie folgt begründet worden (StProt 22. GP S. 87, 164):

"Seit ist für alle Asylwerber für die Dauer des Asylverfahrens eine Grundversorgung sichergestellt. Es wird daher für die Bedürfnisse der Asylwerber und deren Familienangehörigen aus Mitteln der öffentlichen Hand gesorgt. Dem trägt die Anpassung des FLAG 1967 Rechnung."

Im Beschwerdefall ist allein strittig, ob sich die Beschwerdeführerin - deren Eigenschaft als Flüchtling im Sinn der FlKonv bereits ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise nach Österreich auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wird - bezüglich des Zeitraums Mai 2002 bis April 2004 noch auf § 3 Abs. 2 FLAG in der Fassung vor dem Pensionsharmonisierungsgesetz stützen kann, oder ob im Hinblick auf ihre Antragstellung vom bereits die durch das genannte Gesetz geänderte Fassung maßgeblich ist, sodass eine Zuerkennung von Familienbeihilfe für den fraglichen Zeitraum - weil eine Asylgewährung erst mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom erfolgte - nicht in Betracht kommt. Die belangte Behörde vertrat letzteren Standpunkt und führte dazu zusammenfassend aus, dass "die alte Rechtslage" nicht mehr angewendet werden könne. Bezüglich der Gewährung von Familienbeihilfe seien österreichischen Staatsbürgern nun nicht mehr Flüchtlinge im Sinn der FlKonv gleichgestellt, sondern Personen ab dem Zeitpunkt, zudem ihnen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 zuerkannt worden sei. Maßgeblich für die Gewährung von Familienbeihilfe sei das Datum des Asylbescheides, gegenständlich somit der . Gemäß § 50y Abs. 2 FLAG trete die neue Regelung rückwirkend mit in Kraft. Ausgenommen seien jene Fälle, in denen bis Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt worden sei. Das treffe im Fall der Beschwerdeführerin jedoch nicht zu.

Mit dieser Auffassung verkannte die belangte Behörde die Rechtslage.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, gilt der Grundsatz der "Zeitbezogenheit der Abgabengesetze" auch im Regelungsbereich des FLAG. Ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist daher anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten (siehe das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0119, und daran anschließend die hg. Erkenntnisse vom , 96/14/0139, vom , 2000/13/0104, vom , 96/14/0125, und vom , 2000/13/0103). Auf den Zeitpunkt der Antragstellung kommt es demgegenüber nicht an, weshalb für den hier gegenständlichen Zeitraum Mai 2002 bis April 2004 die in diesem Zeitraum geltende Rechtslage heranzuziehen ist. Für den besagten Zeitraum galt § 3 Abs. 2 FLAG jedoch in der Fassung vor dem Pensionsharmonisierungsgesetz, woran auch die Übergangsbestimmung des § 50y Abs. 2 FLAG nichts zu ändern vermag. Der erste Satz dieser Norm sieht nämlich abweichend von der Grundregel des Art. 49 Abs. 1 B-VG, wonach Gesetze an dem ihrer Herausgabe und Versendung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag Verbindlichkeit erlangen, bloß vor, dass die durch das Pensionsharmonisierungsgesetz vorgenommene Neufassung des § 3 Abs. 2 rückwirkend bereits mit in Kraft tritt. Damit wurde der Beginn des zeitlichen Bedingungsbereichs der Neufassung vom (der Tag der Kundmachung des Pensionsharmonisierungsgesetzes war wie oben dargestellt der ) auf den vorverlegt, ohne jedoch auch für den davor liegenden Zeitraum eine Aussage zu treffen. Der zweite Satz des § 50y Abs. 2 nimmt die erwähnte Vorverlegung für bestimmte Fälle wieder zurück, und zwar für jene, in denen bis einschließlich Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde. Das bedeutet indes nur, dass in derartigen Fällen ungeachtet der im ersten Satz angeordneten Rückwirkung auch für Zeiträume nach dem (bloß) auf die Eigenschaft als Flüchtling nach der FlKonv und nicht auf die Asylgewährung abzustellen ist. Eine Anordnung für den hier in Frage stehenden Zeitraum ist aber auch damit nicht verbunden.

Die eben dargestellte Auffassung wird auch durch die oben zitierte Begründung für die in Rede stehende Gesetzesänderung bestätigt. Demnach sollte nämlich im Hinblick auf die seit für alle Asylwerber für die Dauer des Asylverfahrens sichergestellte Grundversorgung eine - zusätzlich zu leistende - Familienbeihilfe bis zur Asylgewährung nicht mehr in Betracht kommen, und zwar selbst dann nicht, wenn sich nachträglich (durch die Asylgewährung) die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers herausstellte. Indem auf die seit sichergestellte Grundversorgung abgestellt wird, ergibt sich auch daraus, dass es für davor liegende Zeiträume entgegen der Ansicht der belangten Behörde bei der "alten Rechtslage" zu bleiben hat (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0098).

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid auch hinsichtlich seines Ausspruchs über die Monate Mai 2002 bis April 2004 mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am