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VwGH vom 28.09.2011, 2011/04/0131

VwGH vom 28.09.2011, 2011/04/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X, Rechtsanwalt in Y, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 04/G/20/11490/2010-13, betreffend Übertretung der GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk (MBA), vom wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der T OG in Wien zu verantworten, dass diese in einer näher bezeichneten Betriebsanlage einen näher bezeichneten Auflagepunkt nicht eingehalten und somit § 367 Z. 25 GewO 1994 übertreten habe.

Nach einem fehlgeschlagenen Zustellversuch wurde diese Strafverfügung dem Beschwerdeführer per Adresse der T OG zugestellt. Das Schriftstück wurde nach einem Zustellversuch am an dieser Adresse hinterlegt und (laut Vermerk an Rückschein) beginnend mit dem zur Abholung bereitgehalten.

Der gegen diese Strafverfügung durch den Beschwerdeführer erhobene Einspruch wurde mit Bescheid des MBA vom als verspätet zurückgewiesen.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er im Wesentlichen geltend machte, die genannte Strafverfügung sei ihm nicht rechtswirksam zugestellt worden, zumal der Standort eines Konkursschuldners für seinen Masseverwalter keinen gesetzlichen Ort der Zustellung darstelle.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung keine Folge gegeben und der Zurückweisungsbescheid des MBA vom bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung ex lege gewerberechtlicher Geschäftsführer infolge der Ausübung des Fortbetriebsrechtes nach § 41 Abs. 5 GewO 1994 gewesen. Demzufolge sei eine Zustellung auch am Sitz der Gesellschaft in Betracht gekommen, weil auch dieser grundsätzlich als Abgabestelle im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 ZustellG für Zustellungen an den gewerberechtlichen Geschäftsführer anzusehen sei, welcher in der Lage sein müsse, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Dem könne der gewerberechtliche Geschäftsführer nur mit einer entsprechenden Tatsachenbehauptung entgegentreten. Eine solche werde aber mit der bloßen Bestreitung des "Zukommens der Zustellversuche" und des Schriftstückes, der Qualität des Zustellortes als Abgabestelle ohne nähere Begründung sowie des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zur Konkursschuldnerin nicht erstattet. Da somit von einer ordnungsgemäßen Zustellung durch Hinterlegung auszugehen war, sei die Berufung abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, der Standort eines Konkursschuldners stelle keine Abgabestelle nach dem Zustellgesetz für den Masseverwalter dar, und zwar auch nicht im Fall eines Unternehmensfortbetriebes im Konkurs. Dies auch unter dem Gesichtspunkt der Postsperre gemäß § 78 Abs. 2 "Konkursordnung (KO)". Weiters sei die Sendung den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge (wonach das Schriftstück beginnend mit dem zur Abholung bereitgehalten, die Sendung aber bereits am durch Herrn S behoben worden sei) nicht einen einzigen Tag zur Abholung bereitgehalten worden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Im Beschwerdefall geht es alleine um die Frage, ob die genannte Strafverfügung vom dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt worden ist. Damit verbunden ist die Frage, ob - wie vorliegend - im Falle des Fortbetriebes eines Gewerbebetriebes durch die Insolvenzmasse (§ 41 Abs. 1 Z. 4 GewO 1994) dieser Gewerbebetrieb als Abgabestelle des Insolvenzverwalters anzusehen ist.

Dies ist aus folgenden Erwägungen zu verneinen:

2. Gemäß § 41 Abs. 1 Z. 4 GewO 1994 (in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2010) steht das Recht, einen Gewerbebetrieb auf Grund der Gewerbeberechtigung einer anderen Person fortzuführen (Fortbetriebsrecht), der Insolvenzmasse zu.

Gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 tritt in einem solchen Fall der Insolvenzverwalter mit dem Einlangen der Anzeige des Fortbetriebes in die Funktion des Geschäftsführers ein. Er gilt nicht als Geschäftsführer, wenn mit der Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind. In diesem Fall hat der Fortbetriebsberechtigte einen Geschäftsführer zu bestellen.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Gewerbebetrieb der

T OG gemäß § 41 Abs. 1 Z. 4 GewO 1994 durch die Insolvenzmasse fortgeführt und der Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 in die Funktion des Geschäftsführers eingetreten ist.

3. Gemäß § 2 Z. 4 ZustellG (in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008) ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde der Auffassung, dass der fortgeführte Gewerbebetrieb zulässige Abgabestelle für Zustellungen an den Insolvenzverwalter als Geschäftsführer nach § 41 Abs. 5 GewO 1994 ist, zumal dieser sich als gewerberechtlicher Geschäftsführer im Betrieb entsprechend zu betätigen habe. Somit sei der fortgeführte Gewerbebetrieb als Betriebsstätte bzw. Arbeitsplatz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 ZustellG und damit als Abgabestelle des Insolvenzverwalters anzusehen.

Die Auffassung der belangten Behörde berücksichtigt dabei nicht die besondere Stellung des Insolvenzverwalters als Geschäftsführer nach § 41 Abs. 5 GewO 1994:

Fortbetriebsberechtigte nach § 41 Abs. 1 Z. 4 GewO 1994 und damit Gewerbetreibende nach § 38 Abs. 2 GewO 1994 ist die Insolvenzmasse (vgl. auch die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl , Gewerbeordnung3 (2011), 490, Rz. 8 zu § 38 GewO 1994, und 545f, Rz. 18 zu § 41 GewO 1994, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz GewO 1994 muss der Geschäftsführer den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs. 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen.

Gemäß § 39 Abs. 3 GewO 1994 muss sich der Gewerbeinhaber in den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen ist, eines Geschäftsführers bedienen, der sich im Betrieb entsprechend betätigt.

Der Insolvenzverwalter tritt nach § 41 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ex lege in die Funktion des (gewerberechtlichen) Geschäftsführers ein, soweit nicht die Ausnahme des zweiten Satzes dieser Bestimmung gegeben ist. Damit übernimmt der Insolvenzverwalter ex lege die Funktion des Geschäftsführers (vgl. auch Grabler/Stolzlechner/Wendl , Gewerbeordnung3 (2011), 554f, Rz. 32 zu § 41 GewO 1994 mit Verweis auf die Materialien); eine Bestellung nach § 39 GewO 1994 samt Anzeige nach Abs. 4 dieser Bestimmung ist nicht erforderlich.

Davon ausgehend ist auch die Bestellungsvoraussetzung des § 39 Abs. 2 GewO 1994, wonach der Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen (vgl. hiezu ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0038, mwN), nicht Voraussetzung eines Eintrittes des Insolvenzverwalters in die Funktion als Geschäftsführer nach § 41 Abs. 5 GewO 1994. Auch liegt ein Fall des § 39 Abs. 3 GewO 1994, in dem ein Geschäftsführer zu bestellen ist, der sich im Betrieb entsprechend betätigt, nicht vor.

Die vorliegende Strafsache betrifft nicht die Insolvenzmasse, sondern den als Insolvenzverwalter eingesetzten Beschwerdeführer ad personam. Die Abgabenstelle hat sich daher nach ihm zu richten, sodass eine Zustellung nur an seine Betriebsstätte bzw. seinen Arbeitsplatz zulässig gewesen wäre. Der fortgeführte Gewerbebetrieb kann aber nicht als Betriebsstätte des Beschwerdeführers angesehen werden, weil dieser dort ad personam keine betriebliche Tätigkeit entfaltet hat (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I 2. Auflage (1998), 1887, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Er kann aber auch nicht als Arbeitsplatz des Beschwerdeführers angesehen werden, weil nach dem Obgesagten allein aus der Funktion als Geschäftsführer nach § 41 Abs. 5 GewO 1994 nicht ohne Weiteres geschlossen werden kann, dass er sich regelmäßig im Gewerbebetrieb aufhält.

Daher erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, die allein auf die Verpflichtung zur entsprechenden Betätigung im Betrieb abstellt, als nicht tragfähig.

4. Da sich aus diesen Erwägungen der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am