VwGH vom 28.09.2011, 2011/04/0128

VwGH vom 28.09.2011, 2011/04/0128

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/04/0129 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Dr. Norman Dick und Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Imbergstraße 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 04/G/49/2431/2010-9, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung ergibt sich Folgendes:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin im Instanzenzug und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Last gelegt, sie hätte es als gewerberechtliche Geschäftsführerin der A GmbH zu verantworten, dass in der Betriebsanlage dieser Gesellschaft in B, in welcher das Gewerbe "Fußpflege, Kosmetik (Schönheitspflege)" ausgeübt werde, am folgende Auflage des rechtskräftigen Bescheides vom nicht eingehalten worden sei:

"Auflagenpunkt 7: Hauptverkehrswege müssen mindestens 1,20 m, Nebenverkehrswege müssen mindestens 1,20 m breit sein, sind in dieser vorgeschriebenen Mindestbreite freizuhalten und dürfen, ausgenommen durch Diebstahlsicherungsanlagen, nicht geteilt werden,"

weil der Nebenverkehrsweg im mittleren Verkaufsraum durch zwei Warenständer mit unterschiedlichen Angeboten auf 0,90 m eingeengt gewesen sei.

Dadurch hätte die Beschwerdeführerin § 367 Z. 25 GewO 1994 in Verbindung mit diesem Auflagenpunkt verletzt, weshalb über sie jeweils eine Geldstrafe von EUR 175,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag, 5 Stunden) verhängt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei gewerberechtliche Geschäftsführerin der Gesellschaft hinsichtlich des Kosmetikgewerbes.

Die nicht eingehaltene Auflage diene vornehmlich dem Schutz der Kunden, die sich in der Betriebsanlage aufhielten. Der Begriff der Betriebsanlage iSd § 74 GewO 1994 sei nicht auf den Bestand einer bestimmten Gewerbeberechtigung oder einer bestimmten Anzahl von Gewerbeberechtigungen abgestellt. Das Betriebsanlagenrecht sei vom Grundsatz geprägt, dass sämtliche Einrichtungen und Objekte einer Anlage eine Einheit bilden und als Gesamtobjekt der Genehmigungspflicht unterliegen, einschließlich solcher Objekte, die für sich genommen nicht genehmigungspflichtig wären.

Würden in einer Betriebsanlage, für die kein Filialgeschäftsführer bestellt sei, verschiedene Gewerbe ausgeübt, so seien für Übertretungen gemäß § 367 Z. 25 GewO 1994, die nicht eindeutig der Ausübung eines bestimmten Gewerbes zugeordnet werden könnten, wie dies jedenfalls bei der Einengung der Mindestbreite eines Nebenverkehrsweges der Fall sei, die gewerberechtlichen Geschäftsführer für alle in der Filiale ausgeübten Gewerbe strafrechtlich verantwortlich. Der Umstand, dass wegen der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung auch ein weiterer gewerberechtlicher Geschäftsführer bestraft worden sei (die Beschwerde bringt vor, es sei neben der Beschwerdeführerin auch der gewerberechtliche Geschäftsführer der Gesellschaft für das Drogisten- und das Handelsgewerbe bestraft worden), mache die Bestrafung nicht rechtswidrig.

Das Vorbringen, eine Anzahl von über 500 Filialen, für welche die gewerberechtlichen Geschäftsführer verantwortlich seien, verunmögliche konkrete Kontrollmaßnahmen, sei nicht geeignet, deren mangelndes Verschulden oder einen geringen Grad des Verschuldens zu belegen. Sei eine entsprechende Organisations- und Kontrolldichte auf Grund des damit verbundenen Organisationsaufwandes nicht möglich, gebe es die Möglichkeit der Bestellung eines Filialgeschäftsführers. Werde davon kein Gebrauch gemacht und kein entsprechend effizientes Kontrollsystem eingerichtet, so könne der Umstand, dass es einer Person naturgemäß nicht möglich sei, die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften in zahlreichen, über das Bundesgebiet verteilten Filialen persönlich zu überwachen, den strafrechtlich verantwortlichen gewerberechtlichen Geschäftsführer nicht entlasten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Beschwerdevorbringen:

Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, im Beschwerdefall stelle sich die Frage der Grenzen der Verantwortlichkeit von mehreren gewerberechtlichen Geschäftsführern in einer Betriebsanlage. Fallbezogen sei die vorgeworfene Einengung eines Nebenverkehrsweges unstrittig im Geschäftsbereich des Handelsbetriebes, fernab von Kosmetik- und Friseurstudio erfolgt. Sowohl die Verkaufsständer als Betriebsmittel als auch der örtliche Bereich der Aufstellung seien eindeutig dem Gewerbe "Handel" zuzuordnen. Friseur- und Beautystudio bildeten einen abgesonderten, in sich geschlossenen Bereich, es handle sich quasi um "shops im shop" mit eigener Empfangstheke, Kassa und Personal. Dieser sei vom Handelsbetrieb optisch, funktional und organisatorisch vollkommen abgegrenzt, es handle sich um selbständige Einheiten. Weiters führe der Zugang zum Friseur- und Beautystudio vom Eingang des Geschäftslokals aus direkt über einen beschilderten Hauptverkehrsweg, der nicht beeinträchtigt gewesen sei. Die gegenständlichen Verkaufsständer seien vom Friseur- und Beautystudio nicht zu sehen gewesen und mussten den Beschwerdeführern daher auch nicht auffallen.

Die aufgezeigte Organisationsform sei mit der eines Einkaufszentrums mit mehreren eigenständigen Geschäften bzw. Betrieben vergleichbar. Dort würden auch nicht alle gewerberechtlichen Geschäftsführer für Verstöße in allgemeinen Teilen des Zentrums zur Verantwortung gezogen werden, obwohl es sich um eine einheitliche Betriebsanlage handle.

Die Beschwerdeführerin hätte für den Bereich des Handelsgewerbes keine Anordnungsbefugnis und Kompetenz, woran sie sich auch zu halten hätte. Die Beschwerdeführerin durfte davon ausgehen, dass für den fraglichen Bereich ohnehin eine klare Verantwortlichkeit eines Dritten gegeben sei, sodass ihr keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne.

2. Zur Verantwortlichkeit von mehreren gewerberechtlichen Geschäftsführern für eine gewerbliche Betriebsanlage:

2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994 lauten:

"§ 9. (1) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften (offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften) können Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer (§ 39) bestellt haben.

§ 39. (1) Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist; er hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er den Befähigungsnachweis nicht erbringen kann oder wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat, sofern die Zustellung der Verhängung und die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen nicht durch Übereinkommen sichergestellt sind.

(2) Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs. 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen. …

§ 47. (1) Der Gewerbetreibende kann für die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte eine Person bestellen, die der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften in der weiteren Betriebsstätte verantwortlich ist (Filialgeschäftsführer).

§ 74. (1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

§ 353. Dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage sind folgende Unterlagen anzuschließen:

1. in vierfacher Ausfertigung

a) eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen,

b) die erforderlichen Pläne und Skizzen,

§ 370. (1) Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt, so sind Geld- oder Verfallsstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen."

2.2. Verfügt ein Gewerbeinhaber über mehrere Gewerbeberechtigungen, kann er für jedes Gewerbe eine andere Person als gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 (2011), § 39, Rz. 4).

Abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmefällen (vgl. etwa Betriebsanlagen der dem Bund zustehenden Monopole und Regalien nach § 2 Abs. 12 GewO 1994) setzt die Annahme einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 die regelmäßige Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit in Bezug auf eine örtlich gebundene Einrichtung voraus; die darin entfaltete Tätigkeit muss also (u.a.) eine gewerbliche sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/04/0244, mwN). Der Begriff der genehmigungspflichtigen Betriebsanlage iSd § 74 GewO 1994 stellt nicht auf den Bestand einer Gewerbeberechtigung ab (vgl. das zur GewO 1973 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0186, mwN).

Dennoch ist es durchaus zulässig, dass eine gewerbliche Betriebsanlage wie im Beschwerdefall der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit, die in der Ausübung mehrerer Gewerbeberechtigungen besteht, regelmäßig zu dienen bestimmt ist (§ 74 Abs. 1 GewO 1994) und weiters für die jeweilige Ausübung der jeweiligen Gewerbeberechtigungen, auch bedingt durch die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen (vgl. § 39 Abs. 2 GewO 1994), jeweils ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt wird.

Für die Frage, welcher dieser gewerberechtlichen Geschäftsführer nun iSd § 370 Abs. 1 GewO 1994 für die Einhaltung der die Betriebsanlage betreffenden gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist, ist Folgendes maßgeblich:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 VStG darf die Bestellung (Namhaftmachung) eines strafrechtlich Verantwortlichen keine Zweifel über den Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offen lassen. Eine solche eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlass gebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches liegt darüber hinaus nur dann vor, wenn für die, in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/15/0022, mwN). Diese Grundsätze gelten auch für die Verantwortlichkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nach § 370 Abs. 1 GewO 1994 (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/04/0070).

2.3. Übertragen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, dass eine von der Beschwerdeführerin behauptete Begrenzung ihrer Verantwortlichkeit auf einen Teil der vorliegenden Betriebsanlage nur dann vorläge, wenn die Bestellung zur gewerberechtlichen Geschäftsführerin im Zusammenhang mit dem entsprechenden Genehmigungskonsens der betreffenden Betriebsanlage keine Zweifel über den (hier räumlichen) Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offen ließe. Eine solche eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlass gebende Umschreibung läge nur dann vor, wenn für die hier in räumlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt, was sich aus dem Genehmigungskonsens der Betriebsanlage (insbesondere der Betriebsbeschreibung und den erforderlichen Plänen und Skizzen nach § 353 Z. 1 GewO 1994) in zu keinen Zweifeln Anlass gebender Umschreibung ergeben muss.

Derartiges wird von der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall aber nicht behauptet. Vielmehr tritt sie den entscheidenden Feststellungen der belangten Behörde, die vorliegende Übertretung könne nicht eindeutig der Ausübung eines bestimmten Gewerbes zugeordnet werden, nicht konkret entgegen. So ist ihr Argument, der Zugang zum Friseur- und Beautystudio führe vom Eingang des Geschäftslokals aus direkt über einen beschilderten Hauptverkehrsweg, der nicht beeinträchtigt gewesen sei, nicht überzeugend, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass Kunden diesen Bereich trotz der vorhandenen Beschilderung nicht auch über den hier gegenständlichen Nebenverkehrsweg erreichen können.

Daher kann der belangten Behörde fallbezogen nicht entgegen getreten werden, wenn sie von einer Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin für die Einhaltung der vorliegenden Auflage ausgegangen ist.

3. Zum Kontrollsystem:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem fehlenden Verschulden nach § 5 Abs. 1 VStG - bei der angelasteten Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt - nur dann ausgegangen werden, wenn die Beschwerdeführerin im Unternehmen ein wirksames begleitendes Kontrollsystem eingerichtet hatte, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften jederzeit sichergestellt werden konnte. In diesem Zusammenhang lag es bei der Beschwerdeführerin konkret darzulegen, welche Maßnahmen von ihr getroffen wurden, um derartige Verstöße zu vermeiden, insbesondere wann, wie oft, und auf welche Weise und wem Kontrollen vorgenommen worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0152, mwN).

Im Beschwerdefall geht die Beschwerdeführerin davon aus, für die Einhaltung der Auflage nicht verantwortlich zu sein und behauptet kein wirksames Kontrollsystem.

Daher begegnet die Feststellung der belangten Behörde, es sei ein wirksames Kontrollsystem nicht vorgelegen, keinen Bedenken.

4. Soweit die Beschwerde als Verfahrensfehler geltend macht, die belangte Behörde habe über die örtliche und sachliche Abgrenzung und Ausgestaltung der Verantwortungsbereiche der Beschwerdeführerin keine ausreichenden Feststellungen getroffen und keinen Ortsaugenschein durchgeführt, fehlt diesem Vorbringen die für die Darlegung der Relevanz erforderliche Konkretisierung (etwa durch einen konkreten Hinweis auf den Genehmigungskonsens der vorliegenden Betriebsanlage).

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am