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VwGH vom 28.05.2015, 2013/11/0222

VwGH vom 28.05.2015, 2013/11/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des DI G M O in B, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr, Dr. Franz Haunschmidt, Dr. Georg Minichmayr, Dr. Peter Burgstaller, Mag. Georg J. Tusek, Dr. Christian Hadeyer, Mag. Peter Breiteneder und Dr. Harald Lettner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom , Zl. S 90931/170-Recht/2012, betreffend Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 18 Abs. 2 WaffG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Erwerb und Besitz von 17 halbautomatischen Gewehren (sechs M1 Garand Rifle, Kaliber .30- 06; elf M1 Carbine, Kaliber .30 Carbine) gemäß §§ 10 und 18 Abs. 3 und 5 WaffG in Verbindung mit § 1 Abschnitt I. Z. 1 lit. a der Kriegsmaterialverordnung, BGBl. Nr. 624/1977, ab.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Antrag des Beschwerdeführers wieder, legte dann die seitens des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik abgegebene Stellungnahme (im Wesentlichen zu Eigenschaften und Verwendungszweck der antragsgegenständlichen Waffen) und die Äußerung der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach (zu den Ergebnissen der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsüberprüfung) wieder, weiters die ergänzende Stellungnahme des Beschwerdeführers sowie die Stellungnahme des heeresgeschichtlichen Museums (zu dem Gegenstand und Schwerpunkt der Waffensammlung des Beschwerdeführers).

Im Weiteren legte die belangte Behörde die maßgebenden Bestimmungen der Kriegsmaterialverordnung und des WaffG dar und folgerte, im Rahmen der Ermessensübung sei unter Anwendung des § 10 WaffG das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren dem privaten Interesse der Partei gegenüberzustellen; vorliegend sei also zu beurteilen, ob es vertretbar sei, dem Beschwerdeführer die antragsgegenständlichen Waffen zugänglich zu machen.

Dabei sei zu beachten, dass der Besitz von funktionsfähigem Kriegsmaterial wie der gegenständlichen Waffen durch Privatpersonen generell eine Sicherheitsgefährdung bzw. ein Gefährdungspotenzial darstelle. Selbst veraltete als Kriegsmaterial einzustufende Schusswaffen seien auf Grund ihrer Funktions- und Wirkungsweise als gefährlich anzusehen. Es sei nicht auszuschließen, dass dieses Kriegsmaterial gegebenenfalls (wenn auch nicht notwendigerweise durch den Beschwerdeführer selbst) sogar gegen Sicherheitsorgane eingesetzt werden könnte, die ihrerseits im Normalfall nicht mit solch leistungsstarken Waffen ausgerüstet seien. Dies könnte zu einem Gefahrenpotenzial bei Einsätzen der Exekutive werden. Eine waffenmäßige Überlegenheit von Privatpersonen gegenüber den für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und damit für den Schutz des Staatsbürgers verantwortlichen Sicherheitsorganen müsse aber strikt abgelehnt werden.

Würde man daher eine stark verbreitete Überlassung des gegenständlichen Kriegsmaterials an Privatpersonen zulassen, so würde dies unter Umständen zu höchst unerwünschten Verhältnissen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit, wie etwa die Häufung von Unfällen, Missbräuchen und Straftaten, führen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass in Österreich konkret genannte Waffen (halbautomatische Versionen von Sturmgewehren) der Kategorie B zuzuordnen wären, sei "anzumerken", dass dies im Hinblick auf § 1 Abschnitt I Z. 1 lit. a der Kriegsmaterialverordnung "wohl nicht zutreffend" sei. Vielmehr seien halbautomatische Karabiner und Gewehre grundsätzlich als Kriegsmaterial einzustufen und damit dem Regime des § 18 WaffG unterworfen; eine Ausnahme findet sich lediglich für halbautomatische Jagd- und Sportgewehre.

Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Gefährlichkeit anderer Schusswaffen sei "zu bemerken, dass im gegenständlichen Verfahren nur die eingangs genannten Schusswaffen antragsgegenständlich sind, diese in der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind und dass dem Waffengesetz eine Bestimmung, die eine Einbeziehung anderer, nicht antragsgegenständlicher Schusswaffen in dieses Verfahren vorsieht, nicht zu entnehmen" sei.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, bei den antragsgegenständlichen Waffen handle es sich um mittlerweile veraltete Konstruktionen aus der Zeit des 2. Weltkriegs, sei "anzumerken, dass von ho. Seite nie behauptet wurde, dass es sich bei den gegenständlichen Waffen um technische Neuerungen handelt".

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er könne eine sichere Verwahrung der gegenständlichen Waffen gewährleisten, sei "anzumerken, dass die Frage der ordnungsgemäßen Verwahrung von Schusswaffen bzw. Kriegsmaterial bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit Bedeutung zukommt". Die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers sei aber nicht in Zweifel gezogen worden.

Zum Einwand des Beschwerdeführers, eine missbräuchliche Verwendung von Kriegsmaterial könne allenfalls durch die Erteilung der Ausnahmebewilligung unter Auflagen bezüglich der Verwahrung und Lagerung der Waffen hintangehalten werden, führte die belangte Behörde aus, es sei zwar in § 18 Abs. 3 WaffG vorgesehen, dass die Behörde eine Ausnahmebewilligung nach § 18 Abs. 2 WaffG an Auflagen binden könne, jedoch aus § 18 Abs. 3 WaffG nicht ersichtlich, welche Auflagen vorgesehen werden könnten. Da ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung unter Auflagen nicht bestehe, sei auch keine Verpflichtung der Behörde erkennbar "unbegrenzt und in jede Richtung gehend zu prüfen", ob Auflagen dazu führen könnten, dass eine Ausnahmewürdigung erteilt werden könnte.

Die öffentlichen Interessen an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren seien daher weitaus gewichtiger als das private Interesse des Beschwerdeführers als Sammler von Waffen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage und der Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 18 Abs. 2 WaffG wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/11/0226, vom , Zl. 2012/11/0218, vom , Zl. 2011/11/0091 und Zl. 2011/11/0001, vom , Zl. 2010/11/0127, vom , Zl. 2009/11/0249, und vom , Zl. 2007/11/0054, verwiesen.

Auf den Beschwerdefall bezogen ist Folgendes hervorzuheben:

Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass nur für funktionsunfähiges oder beschränkt funktionsfähiges Kriegsmaterial Ausnahmebewilligungen erteilt werden dürften. Das Ausmaß der Begründungspflicht bei der iSd § 18 Abs. 2 WaffG vorzunehmenden Interessenabwägung hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. § 18 Abs. 3 WaffG bietet die Grundlage für eine Einschränkung der Ausnahmebewilligung durch Befristung und Auflagen zwecks Sicherstellung der in Abs. 2 genannten Interessen. Eine gehörige Interessenabwägung erfordert auch eine Auseinandersetzung mit einem Einwand dahin, vom antragsgegenständlichen Kriegsmaterial gingen keine höheren Gefährdungen aus als von anderen Waffen, die ohne eine Ausnahmebewilligung nach § 18 Abs. 2 WaffG erworben und besessen werden könnten.

3. Vor diesem Hintergrund wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, sich mit der Argumentation des Beschwerdeführers zur vergleichsweise geringen Gefährlichkeit der antragsgegenständlichen Schusswaffen auseinanderzusetzen (vgl. insbesondere die - ebenfalls halbautomatische Gewehre betreffenden - hg. Erkenntnisse Zl. 2011/11/0001, Zl. 2011/11/0091, und Zl. 2010/11/0127). Ebenso hätte die belangte Behörde auf den Einwand des Beschwerdeführers, die Verwahrung seiner Waffen in einem besonders gesicherten Tresorraum reduziere das Risiko, diese könnten (durch andere) gegen Sicherheitskräfte eingesetzt werden, und allfälligen derartigen Interessen könne durch Erteilung der beantragten Bewilligung unter Verhängung von Auflagen Rechnung getragen werden, eingehen müssen (vgl. insbesondere die Erkenntnisse Zl. 2010/11/0127 und Zl. 2009/11/0249).

Dies hat sie unterlassen.

4. Aus dem Gesagten folgt, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-83914