VwGH vom 05.10.2010, 2008/22/0114
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der E, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 147.112/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den - noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 (FrG) gestellten - Antrag der Beschwerdeführerin, einer moldawischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin strebe die Familienzusammenführung mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehemann an. Bei der Errechnung der Unterhaltsmittel, die der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann zur Verfügung stehen müssten, sei der Richtsatz nach § 293 ASVG (in der Fassung des BGBl. II Nr. 466/2005) zu berücksichtigen. Nach diesem müsste ein Ehepaar, das im gemeinsamen Haushalt lebe, über EUR 1.055,99 verfügen. Da auch die Mietbelastung von EUR 437,36 unter Abzug des Wertes der freien Station von EUR 231,45 zu berücksichtigen sei, sei dem Wert des Richtsatzes ein Betrag von EUR 205,91 hinzuzuzählen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin müsse sohin monatliche Mittel von insgesamt EUR 1.261,90 aufbringen.
Dieser habe bis Notstandshilfe im Ausmaß von EUR 31,29 pro Tag - das entspreche monatlich EUR 938,70 - bezogen. Nunmehr sei er selbstständig tätig. In den Monaten September bis November 2006 habe er ein monatliches Einkommen von zweimal EUR 315,-- und einmal EUR 320,-- erwirtschaftet. Des Weiteren seien von der Beschwerdeführerin Sparguthaben im Gesamtausmaß von EUR 6.200,-- ins Treffen geführt worden.
Da der Ehemann der Beschwerdeführerin nur über ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von EUR 317,-- verfüge, reiche sein Einkommen nicht aus, um den für die Beschwerdeführerin notwendigen Unterhalt sicherstellen zu können. Auch die vorhandenen Sparguthaben reichten nicht aus, um die Zuwanderung der Beschwerdeführerin zu ermöglichen.
Zur nach § 11 Abs. 3 NAG gebotenen Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, diese habe deswegen zu Lasten der Beschwerdeführerin auszugehen, weil sie sich seit Ablauf des ihr "seinerzeit erteilten Visums für Österreich mit " unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Damit habe sie dokumentiert, dass sie nicht gewillt sei, die in Österreich geltende Rechtsordnung einzuhalten.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 11 Abs. 2 Z 4, Abs. 3 und Abs. 5 NAG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 157/2005) lautet:
"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. ...
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
...
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen
Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
...
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist.
...
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.
..."
Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde bei der Beurteilung, ob die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG gegeben ist, zutreffend darauf abgestellt hat, ob ein Einkommen im Ausmaß des in § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG festgelegten Richtsatzes vorliegt (vgl. zur Maßgeblichkeit der in § 293 ASVG enthaltenen Richtsätze ausführlich das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0711).
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr Ehemann lediglich über das von der belangten Behörde festgestellte Einkommen verfügt. Jedoch verweist sie auf eine geordnete langjährige frühere Berufstätigkeit ihres Ehemannes bei der Handelskette M mit einem durchaus gehobenen Einkommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung dargelegt, dass für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel jenes Einkommen maßgeblich ist, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0659). Dass und inwieweit der früheren Beschäftigung des Ehemannes der Beschwerdeführerin für diese Beurteilung im gegenständlichen Fall Relevanz zukommen könnte, wurde in der Beschwerde aber in keiner Weise dargelegt. Dies ist angesichts der der Beschwerde zufolge im Gang befindlichen beruflichen Umorientierung des Ehemannes auch sonst nicht erkennbar.
Wenn die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde hätte nicht "auf den punktuellen Notstandshilfebezug" ihres Ehemannes abstellen dürfen, weil dieser die tatsächliche Erwerbssituation nicht fundiert wiedergegeben hätte, ist dem zu entgegnen, dass die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung ohnedies nicht davon ausgegangen ist, sondern auf die nunmehr bestehende selbstständige Erwerbstätigkeit des Ehemannes abgestellt hat.
Soweit noch vorgebracht wird, es seien "ausreichende Geldreserven" vorhanden, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Sparguthaben ohnedies berücksichtigt hat. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zur hier maßgeblichen Rechtslage des § 11 Abs. 5 NAG bereits ausgeführt, dass Mietbelastungen sowie ein allfälliger Wert der freien Station nicht gesondert zu berücksichtigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0711). Ungeachtet dessen liegen aber zweifelsfrei Mittel im Ausmaß des nach § 293 ASVG relevanten Richtsatzes hier nicht vor, um den Unterhalt für die Beschwerdeführerin für die Dauer von 12 Monaten - jene Dauer, für die der begehrte Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 1 NAG grundsätzlich auszustellen wäre - sicherzustellen (vgl. zu dieser Anforderung das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0348 und 0349, mwN); ergeben sich doch selbst unter Berücksichtigung des festgestellten Sparguthabens monatlich zur Verfügung stehende Mittel von insgesamt lediglich etwa EUR 840,--.
Dass die von der belangten Behörde nach § 11 Abs. 3 NAG vorgenommene Interessenabwägung unzutreffend wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Angesichts des bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bloß kurzen, großteils rechtswidrigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet von etwa dreieinhalb Jahren kann fallbezogen auch der Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger kein solches ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden, sodass die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels auf Grund der Bestimmung des Art. 8 EMRK geboten gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0412).
Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-83912