VwGH vom 14.09.2020, Ra 2019/17/0054

VwGH vom 14.09.2020, Ra 2019/17/0054

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Berger, die Hofrätin Dr. Koprivnikar und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der U in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-S-2621/001-2018, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln),

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit die Einziehung des in den Geldladen der eingezogenen Glücksspielgeräte befindlichen Bargeldes angeordnet wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde gemäß § 53 Abs. 3 und 4 iVm § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz - GSpG die Beschlagnahme von zwei näher bezeichneten Glücksspielgeräten und einem sogenannten „Cash-Center“ jeweils samt Geldlade und darin befindlichem Bargeld verfügt.

2Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom wurde die von der revisionswerbenden Partei als Eigentümerin der Glücksspielgeräte gegen den Beschlagnahmebescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3Mit weiterem Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Einziehung der zuvor beschlagnahmten Glücksspielgeräte jeweils samt Geldlade und darin befindlichem Bargeld gemäß § 54 Abs. 1 GSpG verfügt.

4Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

61. Liegen - wie hier in Bezug auf die einzelnen für eingezogen erklärten Gegenstände - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. z.B. , mwN).

72.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.

112.2. Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12.

12Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie bis 0049, Rn. 24 ff, und ).

13Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis eine Ausnahme enthält, wird mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Notwendigkeit der Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. näher bis 0049, Rn. 34 ff).

142.3. In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, sodass die Revision, soweit sie sich gegen die im angefochtenen Erkenntnis genannten, eingezogenen Glücksspielgeräte samt Geldladen (ohne Bargeld) wendet, zurückzuweisen war.

153.1. Demgegenüber erweist sich die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur Rechtswidrigkeit der Einziehung des in den Geldladen der verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräte befindlichen Bargeldes als zulässig. Sie ist in diesem Umfang auch begründet.

16Das GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 107/2017, lautet (auszugsweise):

Einziehung

§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.

(2) Die Einziehung ist mit selbständigem Bescheid zu verfügen. Dieser ist all jenen der Behörde bekannten Personen zuzustellen, die ein Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände haben oder ein solches geltend machen und kann, soweit die Einziehung betroffen ist, von ihnen mit Beschwerde angefochten werden. Kann keine solche Person ermittelt werden, so hat die Zustellung solcher Bescheide durch öffentliche Bekanntmachung zu erfolgen.

(3) Eingezogene Gegenstände sind nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides binnen Jahresfrist von der Behörde nachweislich zu vernichten.

(4) § 54 Abs. 1 gilt auch für vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beschlagnahmte Gegenstände.“

Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände

§ 55. (1) Beschlagnahmte Gegenstände, die nicht eingezogen werden und die auch nicht gemäß § 17 Abs. 1 oder 2 VStG für verfallen erklärt werden können, sind demjenigen, der ihren rechtmäßigen Erwerb nachweist, dann herauszugeben, wenn keiner der an der Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 Beteiligten (Veranstalter, Inhaber) innerhalb der letzten fünf Jahre (§ 55 VStG) schon einmal wegen einer solchen Verwaltungsübertretung bestraft worden ist. Die Herausgabe hat mit dem Hinweis zu erfolgen, dass im Falle einer weiteren Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 die Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, eingezogen werden. Davon ist auch der Eigentümer der herausgegebenen Gegenstände zu verständigen, soweit er ermittelbar ist und ihm die Gegenstände nicht herausgegeben wurden.

(2) Sind beschlagnahmte Gegenstande gemäß Abs. 1 innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nach Rechtskraft der Bestrafung niemanden herauszugeben, so gehen sie in das Eigentum des Bundes über.

(3) Geld, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet, ist zunächst zur Tilgung von allfälligen Abgabenforderungen des Bundes und sodann von offenen Geldstrafen des wirtschaftlichen Eigentümers der beschlagnahmten Gegenstände zu verwenden, ansonsten auszufolgen.“

17Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, erfasst die Beschlagnahme gemäß § 53 GSpG das Glücksspielgerät samt seinem Inhalt, somit auch das darin befindliche Geld (vgl. , mwN). Zwar beinhaltet § 55 Abs. 3 GSpG keine eigene gesetzliche Ermächtigung, den einem Glücksspielgerät entnommenen Geldbetrag separat in Verwahrung zu nehmen, jedoch ist die Beschlagnahme des Kasseninhaltes der Glücksspielgeräte, wenn sie unter Einem im Beschlagnahmebescheid gemäß § 53 GSpG angeordnet ist, von der angeordneten Beschlagnahme mitumfasst (vgl. , mwN). Da es sich im Revisionsfall um eine Einziehung handelt, ist diese Rechtsprechung jedoch nicht unmittelbar anwendbar.

18Für die Lösung der im Revisionsfall relevanten Rechtsfrage ist primär auf den Gesetzeswortlaut abzustellen: Insbesondere ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 54 Abs. 3 GSpG („vernichten“) klar, dass der Gesetzgeber unter der Einziehung von Gegenständen nicht Geld verstanden hat, setzt doch § 54 Abs. 1 GSpG als objektives Tatbestandsmerkmal einer allfälligen Vernichtung voraus, dass Gegenstände, die der Einziehung unterliegen können, die objektive Eignung aufweisen, „gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1“ zu verstoßen.

19Eine solche Eignung kommt Bargeld nicht zu. Der historische Gesetzgeber hat aus Anlass der Novellierung der § 53 bis 55 GSpG im Rahmen der Novelle BGBl. Nr. 747/1996 nämlich u.a. klargestellt, dass er sowohl bei der Beschlagnahme als auch bei der Einziehung neben Glücksspielapparaten oder Glücksspielautomaten diese Möglichkeiten lediglich auf „andere Eingriffsgegenstände bzw. technische Hilfsmittel (beispielsweise Roulettetische, Kartenmischvorrichtungen, Kartenschlitten, Glücksräder oder Würfelbahnen usw., aber auch zum Eingriff benützte moderne Technologien wie EDV-Anlagen, Datenleitungen, Modems usw.)“ ausweiten wollte (vgl. ErläutRV 368 BlgNR 20. GP 6).

20Die Bestimmung des § 55 Abs. 3 GSpG sieht außerdem vor, wie mit Geld verfahren werden soll, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet. Darin ist - im Gegensatz zur Anordnung des Überganges des Eigentums an beschlagnahmten Gegenständen an den Bund nach § 55 Abs. 2 GSpG - die Ausfolgung bestimmt, soweit das Geld nicht für die Tilgung der in § 55 Abs. 3 GSpG genannten Abgabenforderungen und Geldstrafen zu verwenden ist.

21Weiters ergibt sich auch aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 54 GSpG (Einziehung), § 55 Abs. 1 GSpG (Verfahren mit Gegenständen, die nicht eingezogen werden) und § 55 Abs. 3 GSpG (Regelung für Geld in beschlagnahmten Gegenständen), dass der Gesetzgeber keine rechtliche Grundlage für die Einziehung von Geld schaffen wollte, das sich in Glücksspielgeräten befindet.

223.2. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass Geld, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet, nicht gemäß § 54 Abs. 1 und 2 GSpG eingezogen werden darf.

233.3. Das Verwaltungsgericht hat diese Rechtslage verkannt und damit das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es war daher, soweit es die Einziehung des in den Geldladen der eingezogenen Glücksspielgeräte befindlichen Bargeldes betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

243.4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff, insbesondere § 50 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170054.L00

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