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VwGH vom 27.01.2014, 2013/11/0211

VwGH vom 27.01.2014, 2013/11/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der Bezirkshauptmannschaft Amstetten in 3300 Amstetten, Preinsbacherstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-13-0193, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und weitere Maßnahmen nach dem FSG (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie; mitbeteiligte Partei: R in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich Folgendes:

Dem Beschwerdeführer war wegen eines am begangenen Delikts nach § 99 Abs. 1a StVO 1960 (er hatte ein Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,78 mg/l betrug) die Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten entzogen worden.

Am lenkte der Beschwerdeführer ein Kraftfahrzeug, obwohl der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,98 mg/l betrug.

Mit dem einen entsprechenden Mandatsbescheid bestätigenden Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten (iF: BH) vom wurde deshalb dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für einen Zeitraum von zehn Monaten, gerechnet ab (Abnahme des Führerscheins) entzogen; weiters wurden begleitende Maßnahmen nach dem FSG angeordnet.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde, des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich (iF: UVS) vom wurde der sich nur gegen die Entziehung richtenden Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge gegeben und die Entziehungsdauer auf acht Monate ( bis ) herabgesetzt.

In der Begründung legte der UVS den maßgebenden Sachverhalt und die relevanten Rechtsvorschriften dar und erachtete rechtlich, die "gesetzlich vorgeschriebene Mindestentzugszeit (sei) nach dem Wegfall der einschlägigen Vormerkung mit Tatzeit weggefallen", weshalb sich nunmehr eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestentziehungszeit von sechs Monaten ergebe. Da dem Beschwerdeführer sein reumütiges Geständnis zugute zu halten sei, habe die von der BH festgesetzte Entziehungsdauer reduziert werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Die maßgebenden Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) und des Führerscheingesetzes (FSG) lauten - auszugsweise - wie folgt:

1.1. StVO 1960:

"§ 99. Strafbestimmungen.

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist ... zu bestrafen,

a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,

c) (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

(1a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist ... zu

bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

(1b) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist ... zu

bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt."

1.2. FSG:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. ...

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. ...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (1) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs. 3 Z 1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen. Wenn jedoch

1. auch eine der in § 7 Abs. 3 Z 4 bis 6 genannten Übertretungen vorliegt, oder

2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat,

so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.

Wenn jedoch eine der in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretungen vorliegt, so hat die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen. § 25 Abs. 3 zweiter Satz ist in allen Fällen sinngemäß anzuwenden.

(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges

1. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen,

2. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens zwölf Monate zu entziehen,

3. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a oder 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens acht Monate zu entziehen,

4. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen,

5. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens zehn Monate zu entziehen,

6. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens acht Monate zu entziehen,

7. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens sechs Monate zu entziehen. § 25 Abs. 3 zweiter Satz ist sinngemäß anzuwenden.

...

(5) Eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 gilt als erstmalig, wenn eine vorher begangene Übertretung der gleichen Art zum Zeitpunkt der Begehung der neuerlichen Übertretung getilgt ist."

2. Die Beschwerde, die sich im Wesentlichen dagegen wendet, dass die belangte Behörde unter Abgehen von der gesetzlich vorgesehenen Mindestentziehungsdauer von 10 Monaten bloß eine Entziehung für die Dauer von 8 Monaten ausgesprochen hat, ist begründet.

3. Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführer am ein Delikt nach § 99 Abs. 1a StVO 1960 und am ein Delikt nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen hat.

Nach § 26 Abs. 2 Z 5 FSG beträgt in einem derartigen Fall die Mindestentziehungsdauer zehn Monate, wurde doch das Delikt nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 am und damit "innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung" des Delikts nach § 99 Abs. 1a StVO 1960 (am ) begangen.

4. Anders als die belangte Behörde offenbar meint, stellt die Regelung des § 26 Abs. 2 Z 5 FSG (wie im Übrigen auch die Fälle nach Z 2 bis 3 sowie Z 6 und 7) - explizit und unmissverständlich -

auf den Zeitpunkt der Begehung der in Rede stehenden Delikte ab. Es kommt entgegen der Auffassung der belangten Behörde ("Wegfall der einschlägigen Vormerkung") daher nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der (neuerlichen) Entziehung die zuvor begangene Übertretung bereits getilgt ist.

5. Zufolge § 26 Abs. 2 Z 5 FSG hatte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung also - unter Entfall der gemäß § 7 Abs. 4 FSG sonst vorgesehenen Wertung - für die Dauer von mindestens 10 Monaten zu entziehen.

Die in § 26 Abs. 1 und 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten stehen zwar dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum jedenfalls dann nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Die Festsetzung einer über die Mindestzeit des § 26 FSG hinausreichenden Entziehungsdauer hat gegebenenfalls nach der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 3 FSG zu erfolgen, d.h. die Behörde darf über eine solche Mindestentziehungszeit nur insoweit hinausgehen, als der Betreffende für einen die Mindestentziehungsdauer überschreitenden Zeitraum verkehrsunzuverlässig ist (ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0039, mwN).

Für ein Unterschreiten der gesetzlich vorgegebenen Mindestentziehungsdauer fehlt aber eine gesetzliche Grundlage, vielmehr ist bei Vorliegen der in § 26 Abs. 1 bis 3 FSG umschriebenen Voraussetzungen jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum oder Mindestzeitraum auszusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0023, mwN).

6. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am