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VwGH vom 08.05.2013, 2011/04/0049

VwGH vom 08.05.2013, 2011/04/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde der X in Perchtoldsdorf, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7/4. OG, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 04/G/19/9654/2010-11, betreffend Übertretung der GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk, vom wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der F-GmbH zu verantworten, dass die F-GmbH mit der Absicht einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, an vier näher bezeichneten Tagen im Juli 2010 in 1010 Wien Fruchtsäfte und Fruchtsalat im Umherziehen mittels eines Handwagens feilgeboten hat, ohne eine hierfür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 366 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verletzt, weshalb über sie eine Geldstrafe von EUR 380,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 15 Stunden) verhängt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen diesen Bescheid des Magistrats erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von EUR 76,-- zu bezahlen.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit im Beschwerdefall wesentlich - aus, dass die Beschwerdeführerin zur Tatzeit handelsrechtliche Geschäftsführerin der F-GmbH gewesen sei und die F-GmbH über die Gewerbeberechtigungen Gastgewerbe in der Betriebsart eines Buffets mit den Berechtigungen nach § 142 Abs. 1 GewO 1994 Z. 2 bis Z. 4 sowie "Handelsgewerbe und Handelsagent" verfüge.

Eine Berechtigung der F-GmbH, das Gastgewerbe im Umherziehen auszuüben, sei im Gewerberegister nicht vermerkt. Auch sei die Beschwerdeführerin nicht im Besitz der Gewerbeberechtigungen für Bäcker, Fleischer oder Lebensmittelhändler gewesen, sodass sie auch nicht auf Grundlage des § 53a GewO 1994 berechtigt gewesen sei, Waren auf Grund einer derartigen Gewerbeberechtigung im Umherziehen von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus feilzubieten.

Ebenso wenig sei eine Gewerbeberechtigung zum "Feilbieten von Obst, Gemüse, Kartoffeln, Naturblumen, inländischem Brennholz, inländischer Butter und inländischen Eiern im Umherziehen" aktenkundig geworden.

Die Beschwerdeführerin verantworte daher das Feilbieten im Umherziehen ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht verletzt, nicht gemäß § 5 VStG und § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 bestraft zu werden, und bringt hiezu unter anderem vor, sie erfülle den objektiven Tatbestand der Strafbestimmung des § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 nicht, da die F-GmbH auf Grund der bestehenden uneingeschränkten Gewerbeberechtigung "Handelsgewerbe und Handelsagent" berechtigt sei, auch Speisen und Getränke im Umherziehen gemäß § 53a GewO 1994 feilzubieten. Gemäß § 154 Abs. 1 GewO 1994 stehe der Beschwerdeführerin auch das Recht zu, als Lebensmittelhändlerin einfache Speisen zu verabreichen und insbesondere nichtalkoholische Getränke auszuschenken. Da die F-GmbH zum uneingeschränkten Handelsgewerbe berechtigt sei, sei sie Lebensmittelhändler gemäß § 53a GewO 1994. Die Ausübung des Handelsgewerbes erfolge durch den Verkauf von näher bezeichneten Lebensmitteln in "fixen" Betriebsstätten in diversen Einkaufszentren.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid warf die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 vor, weil die F-GmbH Lebensmittel im Umherziehen feilgeboten habe, ohne eine hierfür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

3. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die F-GmbH über die uneingeschränkte Gewerbeberechtigung "Handelsgewerbe und Handelsagent" nach § 154 GewO 1994 verfügte.

Da das Handelsgewerbe nach § 154 GewO 1994 uneingeschränkt oder eingeschränkt auf bestimmte Waren (z.B. Lebensmittel) ausgeübt werden kann (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl , Kommentar zur GewO3 (2011), Rz. 1 zu § 154), war die F-GmbH somit (auch) zum Handel mit und zum Feilbieten von Lebensmitteln berechtigt. Sie verfügte somit über die zur Ausübung dieser gewerblichen Tätigkeit erforderliche Gewerbeberechtigung (iSd § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994).

Ob die F-GmbH diese gewerbliche Tätigkeit, zu der sie auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung berechtigt war, gemäß § 53a GewO 1994 auch im Umherziehen von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus ausüben durfte, ist keine Frage einer unbefugten Gewerbeausübung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994. Vielmehr handelt es sich bei § 53a GewO 1994 - wie die systematische Einordnung dieser Bestimmung im I. Hauptstück unter die Bestimmungen über die "Ausübung von Gewerben" zeigt - um eine Vorschrift über die Ausübung des Gewerbes auf Grund einer Gewerbeberechtigung (Gewerbeausübungsvorschrift; vergleichbar etwa mit der Ausübung des Gewerbes in weiteren Betriebsstätten nach § 46 GewO 1994).

Die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 übertreten, erweist sich somit als rechtswidrig.

4. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am