VwGH vom 09.04.2013, 2011/04/0048
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwälte in 9100 Völkermarkt, Münzgasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-349/19/2009, betreffend Barauslagen nach § 76 AVG in einer Angelegenheit nach dem Berggesetz 1975 bzw. (nunmehr) MinroG (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Berghauptmannschaft K vom , Zl. 43.311/36/98, wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen einer bergrechtlichen Bewilligung nach § 146 iVm § 132 Abs. 1 und 2 Berggesetz 1975 unter Berücksichtigung der materiellrechtlichen Bestimmungen des § 49 Forstgesetz 1975 in Anwendung des § 50 Abs. 2 Forstgesetz 1975 folgende Auflage vorgeschrieben:
"5. Ab dem Jahr 1999 ist zur forstlichen Beweissicherung ein 6 Punkte (zu je 2 Fichten) umfassendes Beweissicherungsnetz (Probepunkte B1, B2, B3, B8, B13 und B14) im Einvernehmen mit dem Forstsachverständigen zu beernten und zur Fluor- und Schwefelanalyse an die Forstliche Bundesversuchsanstalt Wien zu übermitteln. Bei Vorliegen entsprechend günstiger Ergebnisse (keine HF-Grenzwertüberschreitungen) kann die Anzahl der Probepunkte ab dem Jahre 2000 bis auf weiteres auf drei Probepunkte verringert werden."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug verpflichtet, "der Behörde" (gemeint: der Bezirkshauptmannschaft W) an Barauslagen für das forstliche Beweissicherungsprogramm gemäß Auflagenpunkt 5. des Bescheides der Berghauptmannschaft K vom einen Betrag von EUR 13.544,82 zu ersetzen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Akt erliege eine Kostenaufstellung für eine forstliche Beweissicherung betreffend das Ziegelwerk der Beschwerdeführerin für die Jahre 2000 und 2002 bis 2007. Aus dieser Kostenaufstellung gehe hervor, dass ein Baumsteiger an näher bezeichneten Tagen je sechs Probepunkte zu zwei Probebäumen beerntet habe. Als Kostenanteil seien der Beschwerdeführerin näher bezeichnete Beträge in Rechnung gestellt worden. Der Zeuge Dipl. Ing. W - ein in der zuständigen Fachabteilung beim Amt der Kärntner Landesregierung beschäftigter Dipl. Ing., der im Forstschutz tätig sei und über eine entsprechende einschlägige universitäre Fachausbildung verfüge - habe nachvollziehbar und glaubwürdig erläutert, dass eine Beerntung der Probebäume durch einen Baumsteiger in der Form erfolge, dass Astproben aus dem Wipfelbereich der Probebäume entnommen würden, sodann von den Kontrollorganen in einen ersten und zweiten Nadeljahrgang aufgeteilt und diese Proben der Bundesversuchsanstalt Wien zur Analyse übersandt würden. Üblicherweise seien Vertreter der Landesforstdirektion, ein Baumsteiger und ein Vertreter des Unternehmens vor Ort anwesend. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei glaublich nur zweimal bei den Probeentnahmen anwesend gewesen. Die Beschwerdeführerin habe die für die Beprobung im Jahr 2001 "anerlaufenen" Kosten bezahlt.
Sodann führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, die Berghauptmannschaft habe im genannten Bescheid vom in Anwendung des § 50 Abs. 2 Forstgesetz 1975 zutreffend im Sinne des § 49 Abs. 5 leg. cit. Auflagen unter Bedachtnahme auf den Stand der Technik vorgeschrieben. Adressat dieses rechtskräftigen Bescheides sei die Beschwerdeführerin, welche ein sechs Punkte umfassendes Beweissicherungsnetz zu beernten und zur Fluor- und Schwefelanalyse an die forstliche Bundesversuchsanstalt Wien zu übermitteln habe.
Aus § 49 Abs. 1 zweiter Satz Forstgesetz 1975 iVm § 76 Abs. 1 erster Satz AVG ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin als Antragstellerin zu qualifizieren und daher zur Kostentragung verpflichtet sei. Diese Verpflichtung sei entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin verschuldensunabhängig.
Die Veranlassung der Beprobungen von Amts wegen sei insofern überdies gerechtfertigt gewesen, als die Beschwerdeführerin nichts unternommen habe, um dem Auflagenpunkt 5. des Bescheides der Berghauptmannschaft vom von sich aus nachzukommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Beschwerdefall geht es um die Frage, ob die auf § 76 AVG gestützte Vorschreibung von Barauslagen zu Recht erfolgte.
2. Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz AVG dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat.
Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind gemäß § 76 Abs. 2 erster Satz AVG die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen gemäß § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.
§ 76 Abs. 1 und 2 jeweils erster Satz AVG erfassen alle Amtshandlungen, die notwendige Voraussetzung für die Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag sind, und zwar unabhängig davon, ob der Antragsteller (oder ein anderer Beteiligter) die kostenverursachende Amtshandlung ausdrücklich beantragt hat.
§ 76 Abs. 2 letzter Satz AVG kann sich daher nur mehr auf Barauslagen für "von Amts wegen angeordnete Amtshandlungen" beziehen, die nicht im Sinn des § 76 Abs. 1 erster Satz AVG auf Grund eines Antrages angeordnet wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0108, mwN).
3. Im Beschwerdefall stützte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf die Auffassung, aus § 49 Abs. 1 zweiter Satz Forstgesetz 1975 iVm § 76 Abs. 1 erster Satz AVG ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin als Antragstellerin zu qualifizieren und daher verschuldensunabhängig zur Kostentragung verpflichtet sei.
Die Beschwerde bringt dagegen unter anderem vor, § 76 AVG regle Fälle der Kostentragung während eines anhängigen Verwaltungsverfahrens. Das "gegenständliche Betriebsanlagengenehmigungsverfahren" sei aber mit Bescheid der Berghauptmannschaft vom bereits abgeschlossen, sodass eine Rechtsgrundlage im Sinne des § 76 AVG nicht gegeben sei.
4. Wenn auch diese Auffassung der Beschwerde in ihrer Allgemeinheit unzutreffend ist, zeigt sie doch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei im Hinblick auf § 49 Abs. 2 zweiter Satz Forstgesetz 1975 iVm § 76 Abs. 1 erster Satz AVG als Antragstellerin zu qualifizieren, kann nur dahingehend verstanden werden, dass die belangte Behörde meint, aus der Antragstellung der Beschwerdeführerin, die zu dem rechtskräftigen Bewilligungsbescheid der Berghauptmannschaft Klagenfurt vom geführt habe (vgl. zur Antragsbedürftigkeit einer derartigen Bewilligung § 146 Abs. 1 zweiter Satz Berggesetz 1975), ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin nach § 76 Abs. 1 erster Satz AVG verschuldensunabhängig zum Ersatz der vorliegenden Barauslagen verpflichtet sei.
Jedoch ist das durch Antrag der Beschwerdeführerin eingeleitete bergrechtliche Verfahren - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - bereits durch den (rechtskräftigen) Bewilligungsbescheid der Berghauptmannschaft Klagenfurt vom abgeschlossen worden. Es ist auch offenkundig, dass die vorliegenden Barauslagen nicht durch das bergrechtliche Bewilligungsverfahren verursacht wurden, sondern eine Beweissicherung betreffen, wie sie der Beschwerdeführerin mit Auflage 5 im genannten, das Verfahren abschließenden Bescheid vom vorgeschrieben wurde.
Weiters steht (nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides) fest, dass die durchgeführte Beweissicherung, welche für die angefallenen Barauslagen ursächlich war, von Amts wegen durchgeführt wurde, wobei nach dem angefochtenen Bescheid unklar bleibt, welcher Behörde letztlich diese amtswegige Beweissicherung zuzurechnen ist und auf Grund welcher Rechtsgrundlage diese Beweissicherung erfolgte. Fest steht lediglich, dass die durchgeführte Beweissicherung der Erfüllung der genannten Auflage 5 des Bescheides vom diente, weil - so der angefochtene Bescheid - die Beschwerdeführerin nichts unternahm, um dem Auflagenpunkt von sich aus nachzukommen.
Es wäre daher festzustellen gewesen, auf welcher Rechtsgrundlage und durch welche Behörde die durch Auflage 5 des genannten Bescheides vom der Beschwerdeführerin vorgeschriebene forstliche Beweissicherung durchgeführt wurde.
Dabei ist insbesondere auf § 178 MinroG hinzuweisen: Nach dieser Bestimmung hat die Behörde dem Bergbauberechtigten, Fremdunternehmer oder Verwalter aufzutragen, den vorschriftswidrigen Zustand binnen angemessener Frist zu beheben, wenn im § 174 Abs. 1 MinroG angeführte Rechtsvorschriften außer Acht gelassen werden. Nach § 174 Abs. 1 MinroG haben die Behörden die Einhaltung dieses Bundesgesetzes, der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen und der sonstigen von den Behörden anzuwendenden Rechtsvorschriften sowie der darauf beruhenden Anordnungen zu überwachen. Wird dem Auftrag nach § 178 Abs. 1 MinroG nur unvollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen, so gilt gemäß dem letzten Satz dieser Bestimmung das VVG mit der Maßgabe, dass als Vollstreckungsbehörde die Bezirksverwaltungsbehörde einzuschreiten hat.
Hinzuweisen ist auch darauf, dass § 76 Abs. 2 AVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht anwendbar ist, wenn die Tragung der der Behörde erwachsenen Barauslagen durch eine Sondervorschrift geregelt ist. Eine solche Sonderregelung findet sich in Ansehung von Barauslagen, die durch die (Vorbereitung einer) Ersatzvornahme entstanden sind, in den §§ 11 und 3 VVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2002/07/0118, 0119, mwN).
5. Da die belangte Behörde auf Grund ihrer unzutreffenden Rechtsansicht derartige Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht getroffen hat, war dieser wegen der primär aufzugreifenden Rechtwidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-83879