VwGH vom 16.12.2013, 2013/11/0197

VwGH vom 16.12.2013, 2013/11/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des I W in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FSG/49/4362/2013-1, betreffend Erteilung der Lenkberechtigung (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (UVS) vom die Lenkberechtigung für die Klasse B entzogen, und zwar im Anschluss an eine frühere Entziehung, vom bis zum . Berücksichtigt wurden dabei insgesamt vier Alkoholdelikte des Beschwerdeführers, zuletzt eines vom , als der Beschwerdeführer trotz bereits entzogener Lenkberechtigung ein Kraftfahrzeug gelenkt und bei Betretung den Alkotest verweigert hatte.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom wies der UVS einen Antrag des Beschwerdeführers auf (Wieder)Erteilung der Lenkberechtigung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 FSG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

1. Das FSG lautet (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

6. ein Kraftfahrzeug lenkt;

a) trotz entzogener Lenkberechtigung oder Lenkverbotes oder trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines oder

b) wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse;

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

(5) Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind.

(6) Für die Beurteilung, ob eine strafbare Handlung gemäß Abs. 3 Z 6 lit. b, 7, 9 letzter Fall oder 13 wiederholt begangen wurde, sind vorher begangene Handlungen der gleichen Art selbst dann heranzuziehen, wenn sie bereits einmal zur Begründung des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit herangezogen worden sind, es sei denn, die zuletzt begangene Tat liegt länger als zehn Jahre zurück. Die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchungen gemäß Abs. 3 Z 12 gilt als nicht eingehalten, wenn der Befund oder das ärztliche Gutachten nicht innerhalb einer Woche nach Ablauf der festgesetzten Frist der Behörde vorgelegt wird.

…"

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, aus dem erstinstanzlichen Akt ergäbe sich, dass der Beschwerdeführer wegen Übertretungen des § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG 1967, § 106 Abs. 2 KFG 1967, § 36 lit. a KFG 1967, § 44 Abs. 4 KFG 1967, § 1 Abs. 3 FSG (insgesamt drei Mal) und § 5 Abs. 1 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden sei, überdies wegen Übertretung des § 8 Abs. 5 StVO 1960 und § 103 Abs. 1 iVm. § 36 lit. e KFG 1967. Das Fehlen der Verkehrszuverlässigkeit sei von der Erstbehörde zurecht angenommen worden. Dass ein mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges im Zusammenhang stehendes Alkoholdelikt als verwerflich und gefährlich zu werten sei, sei offensichtlich und entspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung sei zu berücksichtigen, dass Alkoholdelikte zu den schwerstwiegenden Delikten im Straßenverkehr zählen. Da noch keine so lange Zeit verstrichen sei, dass mit Sicherheit auf eine Änderung der schädlichen Sinnesart des Beschwerdeführers geschlossen werden könne, müsse dieser auch derzeit noch als verkehrsunzuverlässig angesehen werden.

2.2. Dem angefochtenen Bescheid liegt erkennbar die Annahme zugrunde, dass ungeachtet des Umstands, dass der im Bescheid der belangten Behörde vom bestätigte Entziehungszeitraum vom bis zum bereits verstrichen war, der Beschwerdeführer auch noch knapp 10 Monate später, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, weiterhin verkehrsunzuverlässig sei. Dieser Annahme steht der rechtskräftige Entziehungsbescheid vom entgegen, der die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers infolge der diesem Bescheid zugrunde liegenden Delikte mit begrenzt hat. Eine darüber hinaus reichende Verkehrsunzuverlässigkeit ließe sich nur mit einem zusätzlichen Fehlverhalten des Beschwerdeführers, das dem Entziehungsbescheid vom noch nicht zugrunde lag, begründen.

Die Bescheidbegründung stützt sich im Wesentlichen auf die Gefährlichkeit und Verwerflichkeit von Alkoholdelikten, enthält aber keine Feststellungen zur Begehung eines solchen seit der mit Bescheid vom zuletzt bestätigten Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers, welche wie erwähnt ua. ein Alkoholdelikt zuletzt vom , mithin dreieinhalb Jahre vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides, verwertet hat. Angesichts dieses langen seit der Begehung des letzten Alkoholdelikts vergangenen Zeitraums erweist sich die von der belangten Behörde formelartig vorgenommene Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG als nicht nachvollziehbar.

2.3. Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am