VwGH vom 30.08.2019, Ra 2019/17/0035
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A G in A, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , 405- 10/516/1/13-2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Die Vorschreibung der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG in Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufhoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Am führten Organe der Finanzpolizei bei einer Tankstelle in A eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) durch. Anlässlich dieser Kontrolle wurde in der Tankstelle ein funktionsfähiges Glücksspielgerät vorgefunden. Der Revisionswerber und eine weitere Person, D H, waren zu diesem Zeitpunkt die handelsrechtlichen Geschäftsführer der A GmbH, der Betreiberin der gegenständlichen Tankstelle.
2 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (belangte Behörde) vom wurde das Verfahren gegen den Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A GmbH wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.
3 Begründend führte die belangte Behörde aus, das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber habe nicht mehr eingeleitet werden können. Die Übertretung sei bereits verjährt, da binnen der Frist des § 31 Abs. 1 VStG gegen den Revisionswerber keine Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG gesetzt worden sei.
4 Gegen diesen Bescheid erhob das Finanzamt Salzburg-Land Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG). 5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass es den Revisionswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer der A GmbH einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG schuldig erkannte und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängte. Weiters verpflichtete es den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG in der Höhe von EUR 150,--. Außerdem sprach das LVwG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das LVwG hierzu ua. aus, die belangte Behörde habe mit Aufforderung zur Rechtfertigung an den handelsrechtlichen Geschäftsführer D H vom eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt, die aufgrund § 32 Abs. 3 VStG auch gegen den Revisionswerber gelte, weshalb eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten sei.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
10 Liegen - wie im vorliegenden Revisionsfall - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen gerichteten Revision auch getrennt zu prüfen (z.B. , mwN).
11 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12. 12 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie , 0049, Rn. 24 ff).
13 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher , 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
14 Der Revisionswerber rügt in den Zulässigkeitsgründen der Revision überdies, es sei bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Es sei innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 VStG zu keiner Verfolgungshandlung ihm gegenüber gekommen. Sinn und Zweck der Bestimmung des § 32 Abs. 3 VStG liege darin, die Möglichkeit der Verfolgung eines verantwortlich Beauftragten sicherzustellen, wenn sich in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium eine solche Bestellung herausstellen sollte. Nicht jedoch sei mit dieser Bestimmung beabsichtigt, die Verfolgung einer weiteren zur Vertretung nach außen berufenen Person über die Frist des § 31 Abs. 1 VStG hinaus zu ermöglichen, wenn die ausschließlich zunächst verfolgte, zur Vertretung nach außen berufene Person "ohnehin bereits für die Verwaltungsübertretung der juristischen Person (...) verantwortlich gemacht werden kann". Ein solches Verständnis würde § 32 Abs. 3 VStG "einen offenbar verfassungswidrigen Inhalt" beimessen.
15 Dem ist Folgendes zu entgegnen:
16 Das LVwG traf im angefochtenen Erkenntnis ua. die vom Revisionswerber unwidersprochen gebliebenen Feststellungen, zum Tatzeitpunkt hätten sowohl der Revisionswerber als auch D H als handelsrechtliche Geschäftsführer der A GmbH fungiert. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung an D H vom habe die belangte Behörde innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG auch gegenüber dem Revisionswerber eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt.
17 § 31 Abs. 1 VStG sieht vor, dass die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Eine Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Gemäß § 32 Abs. 3 VStG erster Satz gilt eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen gerichtet ist, auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten.
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt eine Aufforderung zur Rechtfertigung als Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG (vgl. für viele etwa ). Im Zusammenhang mit einer behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs. 3 erster Satz VStG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass mit einer Verfolgungshandlung lediglich der Wille der Behörde nach außen tritt, eine Person wegen einer bestimmten Verwaltungsübertretung verfolgen zu wollen. Nach außen tritt dieser Wille, sobald das jeweilige Schreiben die Sphäre der Behörde verlassen hat. Die Kenntnis des Beschuldigten von der Verfolgungshandlung ist für die Gültigkeit der Verfolgungshandlung nicht erforderlich. Die im dortigen Fall vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 32 Abs. 3 erster Satz VStG teilte der Verwaltungsgerichtshof nicht (vgl. ).
19 Wenn das Zulässigkeitsvorbringen weiters offenbar auf eine behauptete Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs. 3 erster Satz VStG abzielt, soweit diese Bestimmung eine Bestrafung eines gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen ermöglicht, selbst wenn bereits die Bestrafung eines anderen zur Vertretung nach außen Berufenen erfolgt ist, ist dazu festzuhalten, dass die Verantwortlichkeit nach § 9 VStG jeden zur Vertretung nach außen Berufenen trifft (vgl. bereits etwa , oder auch , jeweils mwN). 20 Die Voraussetzungen für die Erhebung einer
außerordentlichen Revision fehlen, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen konnte. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergangen ist (vgl. z.B. , mwN).
21 Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 3 VStG gilt eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen gerichtet ist, auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen (und die verantwortlichen Beauftragten). Für den Revisionsfall bedeutet dies, dass der Revisionswerber die Aufforderung zur Rechtfertigung, die unstrittig innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gegen den anderen handelsrechtlichen Geschäftsführer D H ergangen ist, auch als Verfolgungshandlung ihm gegenüber gelten lassen muss. Eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zeigt der Revisionswerber daher auch mit den zu § 32 Abs. 3 erster Satz VStG erstatteten Zulässigkeitsausführungen nicht auf.
22 Auch darüber hinaus wirft das Zulässigkeitsvorbringen der Revision, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet, keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
23 Hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens jedoch, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur erstmaligen Vorschreibung der Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG, erweist sich die Revision als zulässig und begründet. 24 Der Verwaltungsgerichthof hat bereits ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht nicht berechtigt ist, erstmals Kosten für das erstinstanzliche Verfahren vorzuschreiben. Eine Kostenvorschreibung durch das Verwaltungsgericht im Rahmen einer sinngemäßen Anwendung der Bestimmungen § 64 Abs. 1 und 2 VStG iSd § 38 VwGVG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kostenvorschreibung durch das Verwaltungsgericht in § 52 VwGVG abschließend geregelt ist (vgl. ). 25 Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses enthaltene Vorschreibung der Kosten des Strafverfahrens der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. 26 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019170035.L00 |
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