VwGH vom 02.10.2012, 2011/04/0038
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Mag. Johannes Fraißler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburger Kai 47/HP, gegen den Bescheid des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch die Regner Günther Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Rechte Wienzeile 31/7, vertretenen Beschwerdeausschusses der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom , Zl. BA/KV, betreffend Feststellung in der Angelegenheit einer Vorsorgeeinrichtung (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom stellte der Krankenversicherungsausschuss der Kammer der Wirtschaftstreuhänder fest, dass die Beschwerdeführerin als Steuerberaterin dem von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mit der UNIQA Personenversicherung AG abgeschlossenen Gruppen-Krankenversicherungsvertrag mit verpflichtend unterliege. Sie sei verpflichtet, der UNIQA Personenversicherung AG alle persönlichen Daten sowie jene der Angehörigen bekanntzugeben, die aufgrund des Vertrages vorgesehen seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde (Berufung) gemäß § 153 Abs. 5 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, der mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde keine Folge gegeben wurde.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung der Vorsorgeeinrichtung - Krankenversicherung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (im Folgenden: Satzung) unterliege jeder selbständig erwerbstätige Berufsberechtigte dem Gruppen-Krankenversicherungsvertrag, es sei denn, dass für ihn eine verpflichtende Selbstversicherung nach § 16 ASVG bestehe oder der Berufsberechtigte sich für die Versicherungen gemäß §§ 14a oder 14b GSVG nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG entschieden habe und dies jeweils der Kammer der Wirtschaftstreuhänder durch Vorlage einer Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers nachgewiesen werde.
Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Beschwerde die Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom vorgelegt, wonach sie als Betriebsführerin nach dem BSVG gesetzlich krankenversichert sei. Sie habe aber keine nach der Satzung erforderliche Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers übermittelt, dass für sie als selbständig erwerbstätige Berufstätige nach § 1 Abs. 3 des Gruppen-Krankenversicherungsvertrages (sohin als natürliche Person, die zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt ist) eine verpflichtende Selbstversicherung nach § 16 ASVG bestehe oder sie sich für die Versicherungen gemäß §§ 14a oder 14b GSVG nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG entschieden habe. Die Beschwerdeführerin habe daher nicht nachweisen können, dass hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänderin (Steuerberaterin) - nur diese sei verfahrensgegenständlich - eine verpflichtende Selbstversicherung nach § 16 ASVG bestehe oder sie sich für die Versicherungen gemäß §§ 14a oder 14b GSVG nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG entschieden habe.
Im Übrigen sei die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, dass im österreichischen Sozialversicherungsrecht der Grundsatz der Mehrfachversicherung bestehe. Wer gleichzeitig mehrere sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten ausübe (z.B. als Landwirtin und als Steuerberaterin), sei auch mehrfach versichert.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 945/09-12, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofs verbesserte bzw. ergänzte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom und beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Mit wurde durch das Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139, für die selbständig Erwerbstätigen eine Pflichtversicherung in allen Zweigen der Sozialversicherung vorgesehen (§ 2 Abs. 1 Z. 4 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz; GSVG), es sei denn, die gesetzliche berufliche Vertretung macht gemäß § 5 GSVG von einem "Opting-Out" Gebrauch. Das "Opting-Out" nach dieser Gesetzesstelle ist aber nur zulässig, wenn für das jeweilige Kammermitglied gegenüber einer Einrichtung seiner Berufsvertretung oder einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung in der Krankenversicherung ein den Leistungen nach dem GSVG gleichartiger oder zumindest annähernd gleichwertiger Leistungsanspruch besteht.
1.2. Mit der 24. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 175/1999, wurde in dieses Gesetz § 14b Abs. 1 GSVG eingefügt, der wie folgt lautet:
"(1) Personen, die auf Grund eines Antrages ihrer gesetzlichen beruflichen Vertretung gemäß § 5 von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen sind, unterliegen dann auf Grund ihrer freiberuflichen Erwerbstätigkeit in der Krankenversicherung der Pflichtversicherung, wenn sie
1. eine andere Erwerbstätigkeit, die die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet, ausüben oder
2. eine die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Pension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz beziehen
und sie nicht einer Krankenvorsorgeeinrichtung ihrer gesetzlichen beruflichen Vertretung beigetreten sind. Dies gilt auch für Bezieher einer Hinterbliebenenpension bzw. einer Hinterbliebenenversorgungsleistung."
§ 14b GSVG sieht eine Gegenausnahme zu § 5 GSVG vor, wenn die freiberufliche Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG, die von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung zwar infolge des "Opting-Out" der gesetzlichen Berufsvertretung ausgenommen wäre, mit einer anderen Erwerbstätigkeit, die die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet, oder mit einem Pensionsbezug, der einer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung unterliegt, zusammentrifft und das konkrete Kammermitglied bezüglich dieser Tätigkeit nicht einer Krankenvorsorgeeinrichtung seiner Kammer beigetreten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/08/0122, und vom , Zl. 2006/08/0101). In diesem Fall unterliegt der Betroffene - trotz des "Opting-Out" seiner gesetzlichen Berufsvertretung - aufgrund seiner freiberuflichen Erwerbstätigkeit der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung des GSVG.
1.3. Gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung der Vorsorgeeinrichtung-Krankenversicherung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, kundgemacht im Amtsblatt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nummer 3/99 (im Folgenden: Satzung), unterliegt jeder selbständig erwerbstätige Berufsberechtigte (iSd § 1 Abs. 3 der Satzung; das ist jede natürliche Person, die zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt ist) dem Gruppen-Krankenversicherungsvertrag, es sei denn, dass für ihn eine verpflichtende Selbstversicherung nach § 16 ASVG besteht oder der Berufsberechtigte sich für die Versicherungen gemäß §§ 14a oder 14b GSVG nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG entschieden hat und dies jeweils der Kammer der Wirtschaftstreuhänder durch Vorlage einer Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers nachgewiesen wird. Dem Gruppen-Krankenversicherungsvertrag unterliegen nach § 2 Abs. 2 der Satzung ferner - mit näher bezeichneten Ausnahmen - alle Angehörigen gemäß § 83 Abs. 2 GSVG.
Damit hat die Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom "Opting Out" gemäß § 5 GSVG Gebrauch gemacht. Im Beschwerdefall stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerin ungeachtet dessen der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegt, weil sie die Voraussetzungen für die in § 14b Abs. 1 GSVG geregelte Gegenausnahme zu § 5 GSVG erfüllt.
2. Es ist nicht strittig, dass die Beschwerdeführerin - wie sie durch eine Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom im Verfahren vor der belangten Behörde nachgewiesen hat - seit bis "laufend" als "Betriebsführerin" der Pflichtversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) bzw. nach dem Betriebshilfegesetz (BHG) unterliegt. Es wird auch von keiner Seite bezweifelt, dass sie dem von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mit der UNIQA Personenversicherung AG abgeschlossenen Gruppen-Krankenversicherungsvertrag nicht aus Eigenem beigetreten ist. Aus diesem Grund ist auch nicht nachvollziehbar, wenn die Beschwerde geltend macht, die belangte Behörde habe es unterlassen, Beweise darüber aufzunehmen, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich der Gruppen-Krankenversicherung beigetreten sei bzw. ob sie einer gesetzlichen Pflichtversicherung insbesondere nach § 14b Abs. 1 Z. 1 GSVG unterliege.
3. Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid vielmehr darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin die in § 2 Abs. 1 der Satzung geforderte Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers zum Nachweis der dort genannten Voraussetzungen nicht vorgelegt hat.
Auf diesen - entscheidungsrelevanten - Umstand geht die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht näher ein. Sie verweist lediglich in allgemeinen Worten darauf, dass die Satzung als im Stufenbau der Rechtsordnung nachrangige Verordnung keine gesetzlichen Bestimmungen ab- bzw. verändern könne. Dem ist jedoch - mit den Worten des Verfassungsgerichtshofes in seinem Ablehnungsbeschluss vom - entgegen zu halten, dass es nicht gesetzwidrig ist, wenn § 2 Abs. 1 der Satzung aus Gründen der Verwaltungsökonomie vorsieht, dass ein Kammermitglied, das der Gruppenversicherung nicht beigetreten ist, den - von weiteren im Gesetz genannten Umständen abhängigen - Eintritt der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 14b iVm § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG durch Vorlage einer Bestätigung nachzuweisen hat.
Als "zuständiger Krankenversicherungsträger" für die Ausstellung der Bestätigung ist im gegenständlichen Fall die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft anzusehen, die bei Vorliegen der in § 14b Abs. 1 Z. 2 GSVG genannten Voraussetzungen zu bestätigen hat, dass das Kammermitglied auf Grund der freiberuflichen Erwerbstätigkeit der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung (nach dem GSVG) unterliegt.
Die Beschwerdeführerin wurde nach der Aktenlage schon im erstinstanzlichen Verfahren zur Vorlage einer entsprechenden Bestätigung aufgefordert. Dass sie eine solche vorgelegt hätte, wird von ihr weder behauptet noch lässt sich dies aus den Verwaltungsakten entnehmen. Ausgehend davon ist der angefochtene Bescheid aber nicht als rechtswidrig zu erkennen.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall von der mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG jedenfalls abgesehen werden kann, da es sich nach dem oben Gesagten ausschließlich um Fragen handelt, zu deren Klärung eine Verhandlung nichts mehr beizutragen vermag (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/04/0096, und vom , Zl. 2009/08/0145, sowie den hg. Beschluss vom , Zl. 2009/04/0266, jeweils mit Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Fälle Fexler/Schweden, Hofbauer/Österreich Nr. 2, Bösch/Österreich)).
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am