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VwGH vom 18.03.2010, 2008/22/0079

VwGH vom 18.03.2010, 2008/22/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 315.819/2-III- 4/07, betreffend Übergang der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) betreffend den am bei der Bezirkshauptmannschaft I gestellten Antrag auf Erteilung einer (weiteren) Niederlassungsbewilligung ab.

"Begründend führte die belangte Behörde aus, aufgrund mehrerer im Rahmen des Verfahrens aufgetretener Verdachtsmomente" seien "weitere Erhebungen hinsichtlich des Bestehens einer Aufenthaltsehe geführt" worden. Mit Schreiben vom habe die Bezirkshauptmannschaft I dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung eingeleitet werde, und die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Diese Möglichkeit habe der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom in Anspruch genommen und im Wesentlichen ausgeführt, die vorliegenden Erhebungsberichte würden zwar "den einen oder anderen Verdacht begründen". Es könne jedoch nicht von "einer gefestigten Sachverhaltsgrundlage" gesprochen werden.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft I vom sei gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen worden. Einer dagegen erhobenen Berufung sei Folge gegeben worden; der Ausweisungsbescheid sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom behoben worden.

In weiterer Folge sei "mit eine Ladung und mit ein Ladungsbescheid" an die Ehefrau des Beschwerdeführers "zwecks Verifizierung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes" ergangen. Sohin ergebe sich, "dass die Verzögerung der Entscheidung" nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 erster Satz AVG sind Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8 AVG) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Nach § 73 Abs. 2 AVG geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag), wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird. Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der in § 73 Abs. 2 AVG enthaltene Begriff des (überwiegenden) "Verschuldens der Behörde" nicht im Sinne eines Verschuldens der Organwalter der Behörde zu verstehen, sondern insofern "objektiv", als ein solches anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0667, mwN).

Die belangte Behörde geht davon aus, dass im Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages die in § 73 Abs. 1 AVG festgelegte Entscheidungsfrist von sechs Monaten bereits abgelaufen war. Diese Ansicht begegnet - selbst unter Berücksichtigung der nach § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) während des Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung eingetretenen Hemmung der Frist des § 73 Abs. 1 AVG - keinen Bedenken.

Die belangte Behörde meint allerdings, die Verzögerung sei nicht ausschließlich auf ein (überwiegendes) Verschulden der Behörde zurückzuführen. Dafür - im Sinn des oben Gesagten - maßgebliche Gründe sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere vermag der von der belangten Behörde angeführte Verfahrensschritt der Bezirkshauptmannschaft I, nämlich das Ergehen einer Ladung "mit ", in keiner Weise diese Annahme zu tragen; ergibt sich doch bloß aus der Feststellung, dass ein Verfahrensschritt gesetzt wurde, noch nicht, dass dieser nicht in einem wegen überwiegendem Verschulden der Behörde verzögerten Verfahren getätigt worden wäre. Selbst wenn die belangte Behörde damit die Auffassung zum Ausdruck brächte, der entscheidungsrelevante Sachverhalt sei noch nicht ausreichend geklärt gewesen, stellt auch das für sich genommen noch keinen Grund dar, davon ausgehen zu können, diese bislang unterbliebene Klärung und somit die Hinderung an der Entscheidung sei auf schuldhaftes Verhalten der Partei oder unüberwindliche Hindernisse zurückzuführen.

Da sohin dem angefochtenen Bescheid keine nachvollziehbare Begründung für die Ansicht der belangten Behörde, die Verzögerung der Entscheidung sei nicht auf ein überwiegendes Verschulden der erstinstanzlichen Behörde zurückzuführen, zu entnehmen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-83845