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VwGH vom 14.12.2015, 2013/11/0179

VwGH vom 14.12.2015, 2013/11/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Dr. M A in J, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12, gegen den Bescheid der Österreichischen Ärztekammer vom , Zl. AZ 2013/06-FAP/28, betreffend Anrechnung im Ausland abgelegter Prüfungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Österreichische Ärztekammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines 1983 in Wien zum Dr. med. promovierten österreichischen Staatsbürgers, "auf Anrechnung der in Jerusalem abgelegten Prüfung Board Exam 1 (written) 1987 und Board Exam 2 (oral) 1990 im Fach Psychiatry, nachgewiesen durch das Schreiben des Jerusalem Mental Health Center vom , auf die Facharztprüfung Psychiatrie

u. Psychotherapeutische Medizin" gemäß § 14 Abs. 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG) ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, zum Begriff der Gleichwertigkeit in § 14 Abs. 2 ÄrzteG sei auf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft abzustellen. Bei länger als vier Jahre zurückliegenden Prüfungen sei aufgrund der medizinischen Entwicklung davon auszugehen, dass sich die Lösungen gegenüber dem Prüfungszeitpunkt wesentlich geändert hätten. Die seit der Prüfung geleistete ärztliche Tätigkeit habe keinen Einfluss auf das gegenständliche Verfahren. Dies lasse den Schluss zu, dass die in den Jahren 1987 und 1990 in Jerusalem abgelegten Prüfungen nicht den der Prüfung der Gleichwertigkeitsfeststellung zugrunde liegenden Qualitätskriterien der österreichischen Facharztprüfung für das Fachgebiet Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin entsprächen. Die Gleichwertigkeit der im Ausland abgelegten Prüfung mit einer gemäß der Prüfungsordnung abzulegenden Facharztprüfung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sei daher nicht gegeben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Da die vorliegende Beschwerde mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängig war, sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG, BGBl. I Nr. 122/2013, darauf die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden.

2. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des ÄrzteG idF BGBl. I Nr. 81/2013 lauten auszugsweise:

" Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als approbierter Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der §§ 32 bis 35, 36, 36a und 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind


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1.
die österreichische Staatsbürgerschaft oder ...,
2.
die Eigenberechtigung,
3.
die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit,
4.
die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung sowie
5.
ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache.

(3) Besondere Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

1. hinsichtlich der Grundausbildung:

a) ein an einer Universität in der Republik Österreich erworbenes Doktorat der gesamten Heilkunde oder

b) ...

2. hinsichtlich der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt:

a) ein von der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 15 Abs. 1

ausgestelltes Diplom ... oder

b) eine gemäß § 14 als gleichwertig anerkannte entsprechende praktische Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt und eine gemäß § 14 als gleichwertig anerkannte oder zusätzlich absolvierte Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder Facharztprüfung;

3. anstelle der entsprechenden Nachweise gemäß Z 1 und 2 eine entsprechende Berufsqualifikation gemäß § 5 oder § 5a.

(4) ...

...

Automatische Anerkennung von EWR-Berufsqualifikationen

§ 5. ...

Nicht automatische Anerkennung von EWR-Berufsqualifikationen und Drittlanddiplomen

§ 5a. (1) ...

...

(6) Drittlanddiplome, die einem Staatsangehörigen eines EWR-Vertragsstaates oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft ausgestellt worden sind, sind unter Anwendung der Abs. 2 bis 5 als ärztliche Ausbildungsnachweise anzuerkennen, sofern dieser

1. in einem der übrigen EWR-Vertragsstaaten oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt ist und

2. eine Bescheinigung des betreffenden Staates gemäß Z 1 darüber vorlegt, dass er drei Jahre den ärztlichen Beruf im Hoheitsgebiet dieses Staates tatsächlich und rechtmäßig ausgeübt hat.

...

Anrechnung von Zeiten ärztlicher Aus- oder Weiterbildung, Tätigkeiten und Prüfungen

§ 14. (1) Sofern § 5a nicht zur Anwendung kommt, hat die Österreichische Ärztekammer unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit

1. im Rahmen der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt oder in einem Additivfach gemäß den §§ 7 bis 13 absolvierte Ausbildungszeiten,

2. im Ausland gemäß den entsprechenden ausländischen Aus- oder Weiterbildungsvorschriften absolvierte ärztliche Aus- oder Weiterbildungszeiten,

3. ...

...

auf die jeweils für die Ausbildung zum approbierten Arzt, Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt oder für die Ausbildung in einem Additivfach vorgesehene Dauer anzurechnen.

(2) Unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit hat die Österreichische Ärztekammer im Ausland absolvierte Prüfungen auf die Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt anzurechnen.

...

(5) ... Bei einem Antrag gemäß Abs. 1 hat die Österreichische Ärztekammer den Antragsteller nach Beurteilung von Inhalt und Dauer der absolvierten Zeiten anhand der vorgelegten Unterlagen und unter Berücksichtigung seiner Berufserfahrung, Zusatzausbildung und sonstigen ärztlichen Aus- oder Weiterbildung über die anrechenbaren Ausbildungszeiten zu unterrichten. Bei einem Antrag gemäß Abs. 2 hat die Österreichische Ärztekammer den Antragsteller nach Beurteilung der vorgelegten Unterlagen über die anrechenbaren Prüfungsteile zu unterrichten.

...

Ärzteliste und Eintragungsverfahren

§ 27. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern in den Bundesländern die Anmeldungen für die Ausübung des ärztlichen Berufes entgegenzunehmen und eine Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) jedenfalls mit folgenden Daten zu führen: ...

(2) Personen, die den ärztlichen Beruf als Arzt für Allgemeinmedizin, approbierter Arzt, Facharzt oder Turnusarzt auszuüben beabsichtigen, haben sich vor Aufnahme ihrer ärztlichen Tätigkeit bei der Österreichischen Ärztekammer im Wege der Ärztekammern in den Bundesländern zur Eintragung in die Ärzteliste anzumelden und die erforderlichen Unterlagen (Personal- und Ausbildungsnachweise sowie sonstige Urkunden) zum Nachweis der entsprechenden allgemeinen und besonderen Erfordernisse für die selbständige oder unselbständige Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 4 vorzulegen. Erforderlichenfalls haben Personen auf Verlangen der Österreichischen Ärztekammer den Ausbildungsnachweisen eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates vorzulegen, aus der hervorgeht, dass die vorgelegten Ausbildungsnachweise den in der Richtlinie 2005/36/EG vorgeschriebenen Nachweisen entsprechen. Die für die Eintragung in die Ärzteliste erforderlichen Unterlagen sind im Original oder in beglaubigter Abschrift und fremdsprachige Urkunden erforderlichenfalls in beglaubigter Übersetzung vorzulegen. Im Übrigen ist die Anmeldung zur Eintragung in die Ärzteliste in deutscher Sprache einzubringen. Vor Aufnahme einer unselbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes ist vom Dienstgeber auf dieses Erfordernis hinzuweisen.

..."

3. Die Beschwerde ist begründet.

3.1. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer, ein 1958 geborener österreichischer Staatsbürger, der 1983 an der Universität Wien zum Doktor der Medizin promoviert worden war, im Mai 2013 mittels Formular der Ärztekammer einen "Antrag auf Anrechnung einer ausländischen ärztlichen Aus- oder Weiterbildungszeit gemäß § 14 ÄrzteG ... als Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie" gestellt hat. Im Formular sind die 1983 beginnenden Zeiten der Ausbildung (Facharztausbildung von 1984 bis 1990) und die darauf folgenden, bis dato lückenlosen Tätigkeiten als Facharzt für Psychiatrie in Israel aufgelistet; die diesbezüglichen Dokumente sind dem Formular angeschlossen. In einem ebenfalls als Formular der Ärztekammer gestalteten "Beiblatt zum Antrag auf Anrechnung ausländischer Ausbildungszeiten" beantragte der Beschwerdeführer "gleichzeitig auch die Prüfung der Gleichwertigkeit der Facharztprüfung".

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid nicht über den vom Beschwerdeführer primär gestellten Antrag nach § 14 Abs. 1 ÄrzteG auf Anrechnung der Aus- und Weiterbildungszeiten, sondern nur über den bloß im Anhang daran eingebrachten Antrag auf Prüfungsanrechnung nach § 14 Abs. 2 ÄrzteG entschieden.

3.2. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe sich mit dem Inhalt der in Israel absolvierten Prüfung, Ausbildung und ärztlichen Tätigkeit nicht auseinandergesetzt und keinen Vergleich der Prüfungsinhalte vorgenommen. Ohne Kenntnis der Prüfungsinhalte könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass keine Gleichwertigkeit vorliege. Überdies sei § 14 ÄrzteG nicht zu entnehmen, dass nach der Prüfung durch Weiterbildung und Berufstätigkeit erworbene Fachkenntnisse bei der Gleichwertigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen seien. Der Zeitfaktor alleine stelle keine ausreichende Begründung dar.

3.3. Zwar normiert § 14 ÄrzteG - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - in seinem Abs. 5 die Berücksichtigung von Berufserfahrung, Zusatzausbildungen und sonstiger Aus- und Weiterbildung nur für die Anrechnung iSd § 14 Abs. 1 ÄrzteG. Auch kann sich der Beschwerdeführer nicht auf die Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Anerkennung von Drittlanddiplomen berufen, da im Beschwerdefall (mangels in einem anderen Mitgliedstaat erworbener Diplome oder dort ausgeübter Berufstätigkeit) jeder gemeinschaftsrechtliche Bezug fehlt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/11/0141, und vom , Zl. 2010/11/0004, jeweils mwN).

Jedoch trifft das Beschwerdevorbringen zu, die belangte Behörde habe sich mit dem Inhalt der in Israel absolvierten Prüfung nicht auseinandergesetzt, keinen Vergleich der Prüfungsinhalte vorgenommen und unzulässiger Weise allein auf den Zeitfaktor abgestellt.

Der angefochtene Bescheid stützt sich lediglich auf die nicht weiter substantiierte Vermutung, bei länger als vier Jahre zurückliegenden Prüfungen sei aufgrund der medizinischen Entwicklung davon auszugehen, dass sich die Lösungen gegenüber dem Prüfungszeitpunkt wesentlich geändert hätten. Die belangte Behörde hat keinerlei Feststellungen zu den Inhalten der vom Beschwerdeführer in Israel abgelegten Facharztprüfung getroffen. Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, welchen Beweiswert die im Bescheid enthaltene Auflistung (unbekannter Quelle) der "zur Erreichung des Prüfungsziels erforderlichen Kenntnisse" haben soll. Der im angefochtenen Bescheid dazu enthaltene bloße Verweis auf eine weder im Akt aufliegende noch im Bescheid wiedergegebene "Stellungnahme des für das Fach Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin etablierten fachspezifischen Prüfungsausschusses" eignet sich ebensowenig zur Begründung der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur festhält (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2013/11/0079, vom , Zl. Ro 2014/03/0076, vom , Zl. 2012/08/0024, und vom , Zl. 2007/05/0231, jeweils mwN), erfordert eine dem § 60 AVG entsprechende Bescheidbegründung in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben.

4. Da es die belangte Behörde verabsäumt hat, ausreichende Feststellungen für eine Gleichwertigkeitsprüfung iSd § 14 Abs. 2 ÄrzteG zu treffen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

6. Die Kostenentscheidung beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-83843