VwGH vom 14.04.2011, 2011/04/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 51/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. A14-30-1826/2010-12, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung für das "Gastgewerbe in der Betriebsart Cafe gemäß § 142 Abs 1 Z 2 - 4 GewO 1994" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 entzogen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, gegen die Beschwerdeführerin seien wegen begangener Übertretungen im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Gewerbes die folgenden Verwaltungsstrafen rechtskräftig verhängt worden:
Mit insgesamt acht Straferkenntnissen des Magistrates Graz im Zeitraum vom bis seien jeweils wegen Übertretungen gemäß § 368 GewO 1994 Geldstrafen in der Höhe von einmal EUR 365,-- und in weiterer Folge jeweils EUR 200,-- verhängt worden. Die Beschwerdeführerin habe es danach zu verantworten, dass zu jeweils näher bezeichneten Zeiten in der Betriebsanlage laute - in fünf Fällen bei geschlossener Lokaltür bis auf die Straße vor dem Lokal wahrnehmbare - Musik dargeboten worden sei, obwohl mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom die Stilllegung der Musikwiedergabeanlage verfügt worden sei.
Außerdem sei über die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis des Magistrates Graz vom wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) eine Geldstrafe von EUR 750,-- verhängt worden; die Beschwerdeführerin habe im Zeitraum vom bis eine rumänische Staatsangehörige als Reinigungskraft geringfügig beschäftigt, obwohl diese (u.a.) nicht über eine nach dem AuslBG notwendige Beschäftigungsbewilligung verfügt habe.
Schließlich sei über die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung des Magistrates Graz vom wegen einer Übertretung gemäß § 74 Abs. 1 und 2 iVm § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 eine Geldstrafe von EUR 250,-- verhängt worden; die Beschwerdeführerin habe es in Ausübung des Gastgewerbes zu verantworten gehabt, dass die mit Bescheid des Magistrates Graz vom genehmigte Betriebsanlage am geändert worden sei, indem entgegen der Betriebsbeschreibung lautere Musik als Hintergrundmusik dargeboten worden sei; diese Änderung sei geeignet gewesen, die Anrainer durch Lärm zu belästigen.
Unter Wiedergabe des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, bei dem Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG nicht berechtigten Arbeitnehmern handle es sich um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm, deren Einhaltung zu den in § 87 Abs. 1 GewO 1994 genannten Schutzinteressen zähle. Die wiedergegebenen Verstöße der Beschwerdeführerin stellten schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen im Sinn des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 dar; der Gesichtspunkt einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Gewerbeinhabers habe im vorliegenden Entziehungsverfahren keine rechtliche Relevanz.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, sie sei in der Zeit, in der die Verwaltungsübertretungen gemäß § 368 GewO 1994 gesetzt worden seien (vom bis ) nicht ortsanwesend gewesen und habe diese Delikte somit nicht als unmittelbare Täterin gesetzt. Auf Grund der durch einen nicht ordnungsgemäß agierenden Mitarbeiter gesetzten Delikte habe sie das Beschäftigungsverhältnis zwischen diesem und der Rechtsträgerin aufgelöst.
Die rumänische Arbeitnehmerin sei im Betrieb vollkommen ordnungsgemäß angemeldet worden; alle diesbezüglichen Gebühren, Beiträge und Abgaben seien ordnungsgemäß entrichtet worden. Die Beschwerdeführerin habe darüber geirrt, dass jene Arbeitnehmerin - obwohl sie als rumänische Staatsangehörige EU-Bürgerin sei - zum damaligen Zeitpunkt noch eine gesonderte Beschäftigungsbewilligung benötigt habe. Es handle sich bei jener Bestrafung um die einzige Übertretung nach den Bestimmungen des AuslBG, die die Beschwerdeführerin in dreißigjähriger Tätigkeit zu verantworten habe.
Im vorliegenden Fall lägen zwar "numerisch 10 Verwaltungsstrafen" vor, inhaltlich sei aber wegen der mangelnden unmittelbaren Täterschaft einerseits und wegen der Geringfügigkeit des unmittelbar zu verantwortenden Deliktes nach dem AuslBG andererseits kein Grund gegeben, "in Negation der jahrzehntelangen völlig ordnungsgemäßen Tätigkeit der Beschwerdeführerin nunmehr deren gewerberechtliche Unzuverlässigkeit anzunehmen".
2. Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.
Gemäß § 87 Abs. 1 letzter Absatz GewO 1994 sind Schutzinteressen gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/04/0137, sowie vom heutigen Tag, Zl. 2009/04/0307, jeweils mwN). Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung die Prognose stellen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. zur diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom ,
G 257/07, VfSlg. 18.608).
Die Beschwerde versucht in diesem Zusammenhang die achtmalige Bestrafung der Beschwerdeführerin gemäß § 368 GewO 1994 wegen der Darbietung von lauter Musik mit dem Hinweis auf die Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin vom bis zu relativieren. Damit kann die Beschwerdeführerin allerdings schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dartun, weil die belangte Behörde in der Frage, ob die Beschwerdeführerin die ihr in diesen Straferkenntnissen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen (einschließlich der subjektiven Tatseite) begangen habe, an die angeführten Straferkenntnisse gebunden war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0070, mwN). Abgesehen davon wurde die Beschwerdeführerin auch im Zusammenhang mit zu lauter Musikdarbietung am bestraft.
Die der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten acht Übertretungen des § 368 GewO 1994 in einem relativ kurzen Zeitraum sowie die damit im Zusammenhang stehende Übertretung des § 74 Abs. 1 und 2 iVm § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 (jeweils wegen zu lauter Musik) sind in ihrer Gesamtheit "schwerwiegenden Verstößen" im Sinn des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 gleichzuhalten (vgl. auch das elf Übertretungen der Sperrstunde betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0096). Es ist dabei nämlich zu berücksichtigen, dass (wie sich aus den unstrittigen Feststellungen der belangten Behörde und dem Spruch der Straferkenntnisse ergibt) schon mit Bescheid vom die Stilllegung der Musikanlage verfügt worden war, sodass es an der Beschwerdeführerin gelegen wäre, dieser Verfügung zu entsprechen und damit - von vornherein - die mehrfach beanstandeten Musikdarbietungen zu unterbinden.
4. Bei dem Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG hiezu nicht berechtigten Arbeitnehmern handelt es sich um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm, deren Einhaltung zu den in § 87 Abs. 1 GewO 1994 ausdrücklich genannten bei der Gewerbeausübung zu beachtenden Schutzinteressen zählt ("Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung"). Dass der Einhaltung dieser Norm vom Gesetzgeber ein sehr großes Gewicht beigemessen wird, ergibt sich schon aus den für diesbezügliche Übertretungen in § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG vorgesehenen relativ hohen (Mindest )Strafdrohungen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
Mit dem in der Beschwerde behaupteten Irrtum der Beschwerdeführerin über das zum Tatzeitpunkt gegebene Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung für ihre rumänische Arbeitnehmerin wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil die belangte Behörde auch hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung an die rechtskräftige Bestrafung der Beschwerdeführerin gebunden war (vgl. schon oben Punkt 3.).
Die belangte Behörde durfte daher diese festgestellte Übertretung nach dem AuslBG zutreffend als schwerwiegenden Verstoß im Sinn des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0070).
5. Auch das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin sei jahrzehntelang völlig ordnungsgemäß tätig gewesen, kann eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen.
Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwerwiegenden Verstößen ergibt, bedarf es nämlich bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erfüllt ist, in der Regel keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers (vgl. etwa wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
6. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am