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VwGH vom 22.09.2009, 2008/22/0064

VwGH vom 22.09.2009, 2008/22/0064

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden des A, vertreten durch Dr. Martina Zadra, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 48, gegen 1. den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 143.435/13- III/4/06 (zu Zl. 2008/22/0064), und 2. den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 143.435/18- III/4/07 (zu Zl. 2008/22/0081), betreffend 1. Versagung eines Aufenthaltstitels und 2. Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die gegen den erstangefochtenen Bescheid gerichtete Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Österreichische Botschaft Ankara stellte für den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, am eine bis gültige Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Saisonarbeitskraft" nach dem (bis in Geltung gestandenen) Fremdengesetz 1997 (FrG) aus. Daraufhin reiste der Beschwerdeführer am in das Bundesgebiet ein.

Am brachte der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Wien einen als Verlängerungsantrag bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein und brachte darin vor, seit mit der österreichischen Staatsbürgerin R verheiratet zu sein. Weiters gab er an, als Kunststoffarbeiter in aufrechter Beschäftigung zu stehen. Unter der Rubrik "Begründung des Antrages" führte der Beschwerdeführer aus: "unselbständige Arbeit und Leben in Österreich zu führen und Familiengemeinschaft".

Nach Einlangen dieses Antrages nahm die Bundespolizeidirektion Wien Erhebungen wegen des Verdachts des Bestehens einer "Scheinehe" vor. Die Ehefrau des Beschwerdeführers gab im Zuge ihrer diesbezüglichen Befragung am an, dass sie "auch nicht sagen" könne, warum sie den Beschwerdeführer geheiratet habe. Sie habe für die Eheschließung aber keine finanziellen Zuwendungen oder Schmuck erhalten. Die Ehe sei geschlechtlich nicht vollzogen worden. An der "Meldeanschrift" habe sie viermal genächtigt. Kleidung oder persönliche Sachen habe sie in dieser Wohnung nicht. Sie lebe gemeinsam mit ihrem Freund F in dessen Gemeindewohnung.

Auf Grund dieser Aussage regte die Bundespolizeidirektion Wien bei der Staatsanwaltschaft Wien hinsichtlich der Ehe des Beschwerdeführers die Erhebung einer Nichtigkeitsklage an. Mit Schreiben vom gab die Staatsanwaltschaft Wien bekannt, dass eine solche erhoben worden sei.

Da der Beschwerdeführer im von der Bundespolizeidirektion Wien eingeleiteten Ausweisungsverfahren das Bestehen einer Scheinehe bestritt, wurde seine Ehefrau von dieser am neuerlich vernommen. Bei dieser Vernehmung gab sie an, die Ehe mit dem Beschwerdeführer sei von "einer gewissen Christine und einem Edi", Näheres wisse sie zu diesen Personen nicht, vermittelt worden. Den Beschwerdeführer habe sie vor der Eheschließung nicht gekannt. Die beiden seien einander erst vor der türkischen Botschaft vorgestellt worden. Das zweite Mal habe sie den Beschwerdeführer erst wieder bei der Hochzeit im Standesamt Ottakring gesehen. Der Zweck der Ehe sei lediglich gewesen, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel sowie einen Befreiungsschein und gegebenenfalls auch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Für die Eheschließung seien ihr ATS 60.000,- (d.s. EUR 4.360,37) versprochen worden. Sie habe jedoch nur EUR 500,- erhalten. Der gemeinsame Wohnsitz habe "nur am Papier" bestanden. An dieser Adresse habe sie jedoch nie gewohnt. Sie wohne unangemeldet in 1100 Wien bei ihrem Lebensgefährten K. Sie habe in die Eheschließung damals eingewilligt, weil sie zu dieser Zeit weder Geld noch Arbeit noch eine Wohnung gehabt hätte. Da sie sich infolgedessen in einer labilen Lage befunden habe, habe sie, ohne lange zu überlegen, der Eheschließung zugestimmt. Jedoch habe sich ihre Lage dadurch nicht verbessert. Das versprochene Geld habe sie nicht erhalten.

Über Anfrage der Bundespolizeidirektion Wien teilte das Bezirksgericht Fünfhaus mit Schreiben vom mit, dass am das Urteil über die Nichtigerklärung mündlich verkündet worden sei, aber dieses noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei.

Weiters ergibt sich aus einer Mitteilung des Bezirksgerichts Fünfhaus, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit Beschluss dieses Gerichts vom einvernehmlich geschieden wurde.

Der Beschwerdeführer wies mit der an die Bundespolizeidirektion Wien gerichteten Eingabe vom auf die einvernehmlich erfolgte Scheidung hin, gab gleichzeitig bekannt, sich für die Erteilung des von ihm beantragten Aufenthaltstitels nicht länger auf eine Ehe mit einer Österreicherin zu berufen, und ersuchte, seinen Antrag an den Landeshauptmann von Wien weiterzuleiten.

Am brachte der Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Wien einen von ihm als Verlängerungsantrag bezeichneten Antrag auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "jeglicher Aufenthaltszweck, § 13 Abs. 2 FrG" ein. In der Rubrik "Angaben zum Aufenthaltszweck" führte er aus, er übe eine unselbständige Erwerbstätigkeit als Kunststoffarbeiter aus und beabsichtige, diese Tätigkeit auch weiterhin auszuüben. Weiters gab er an, dass ihm eine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei.

Am trat die Bundespolizeidirektion Wien den bereits früher am eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die mittlerweile erfolgte Ehescheidung an den Landeshauptmann von Wien zur Entscheidung ab.

Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien beide vom Beschwerdeführer gestellten Anträge gemäß § 14 Abs. 2 FrG ab und führte begründend aus, der Beschwerdeführer habe zwar über eine Aufenthaltserlaubnis als Saisonarbeitskraft, jedoch noch nie über eine Berechtigung zur Niederlassung verfügt. Diese Aufenthaltserlaubnis habe nämlich nicht zu bewirken vermocht, dass er als niedergelassen im Sinn des § 14 FrG angesehen hätte werden können. Den Antragsbewilligungen stünden somit die im Inland erfolgten Antragstellungen entgegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, wobei er im Berufungsverfahren in einem an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz ergänzend vorbrachte, die Inlandsantragstellung sei aus humanitären Gründen zulässig, weil er seit im Bundesgebiet lebe. Seine wirtschaftlichen, sozialen und familiären Bindungen fänden ausschließlich in Österreich statt. Er habe zunächst als Saisonarbeitskraft gearbeitet. Seit sei er ohne Unterbrechung als Kunststoffarbeiter beim Unternehmen T beschäftigt. Am sei ihm eine Arbeitserlaubnis mit Gültigkeit bis erteilt worden. Er lebe bei seinem Bruder in Wien. Dies sei seine wesentliche familiäre Beziehung. Eine Scheinehe habe er nicht geschlossen. Er habe sowohl vor dem Zeitpunkt der Eheschließung als auch anschließend die Absicht gehabt, mit seiner Frau ein gemeinsames Familienleben zu führen. Er habe auch die - damals für die Antragsbearbeitung zuständige - Fremdenpolizeibehörde ohne Verzug von der Ehescheidung benachrichtigt. Es sei ihm daher eine Niederlassungsbewilligung für den Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck" zu erteilen.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und begründete dies im Wesentlichen wie die erstinstanzliche Behörde. Darüber hinaus führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände stellten keine ausreichenden besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründe dar. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Schreiben vom teilte die Bundespolizeidirektion Wien dem Landeshauptmann von Wien mit, dass die Ehe des Beschwerdeführers nunmehr rechtskräftig vom Bezirksgericht Fünfhaus mit Urteil vom gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden sei.

Am brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein.

Als Aufenthaltszweck führte er aus: "jeglicher Aufenthaltszweck § 13 Abs. 2 FrG in eventu als Familienangehöriger eines Österreichers". In diesem Antrag wies er neuerlich darauf hin, als Kunststoffarbeiter unselbständig erwerbstätig zu sein und in Familiengemeinschaft mit seinem Bruder zu leben. In der die Unterhaltsmittel betreffenden Rubrik gab er an, über ein eigenes Einkommen zu verfügen sowie von seinem Bruder Unterhaltsmittel zur Verfügung gestellt zu erhalten.

Unter anderem legte er diesem Antrag auch eine Kopie des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom bei, aus dem hervorging, dass seiner Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.

Mit Erkenntnis vom , 2005/18/0477, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Beschwerdeführer eine nach Art. 6 oder Art. 7 des ARB Nr. 1/80 berechtigte Person sein könnte. Die Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei daher einer Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet im Sinn der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichzuhalten.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies nun die belangte Behörde (im zweiten Rechtsgang) die beiden ersten Anträge des Beschwerdeführers gemäß § 21 Abs. 1 und 2 sowie § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte sie aus, der Antrag des Beschwerdeführers vom , der als Antrag zum Zweck der Familiengemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger gestellt worden sei, sei im Hinblick darauf, dass zwischenzeitig das NAG in Kraft getreten und auf anhängige Verfahren nunmehr anzuwenden sei, als Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu werten. Auf Grund der Ehescheidung des Beschwerdeführers komme jedoch die Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" nicht mehr in Betracht.

Der Beschwerdeführer habe weiters die Ansicht vertreten, die Verleihungsvoraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zu erfüllen und dazu als Zusammenführenden seinen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Bruder angegeben.

Nach Wiedergabe des § 47 Abs. 1 und Abs. 3 NAG führte die belangte Behörde - erkennbar bezugnehmend auf § 47 Abs. 3 Z 3 NAG -

aus, der Beschwerdeführer habe zwar vorgebracht, von seinem Bruder in seinem Heimatland Unterhalt bezogen zu haben, jedoch dafür keine "stichhaltigen Nachweise" vorgelegt. Auch sei zur Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 3 NAG die Vorlage einer Haftungserklärung erforderlich, was aber unterblieben sei. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" sei sohin ebenfalls nicht möglich.

Weiters sei geltend gemacht worden - so die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter -, dass der Beschwerdeführer in Österreich unselbständig arbeiten wolle. Entgegen seinem Vorbringen liege jedoch dabei kein Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung vor. Die dem Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des FrG zum Zweck der Saisonarbeit erteilte Aufenthaltserlaubnis sei gemäß § 11 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) nunmehr als Aufenthalts-Reisevisum (Visum D+C, § 24 Fremdenpolizeigesetz 2005) zu werten. Dieses Visum stelle nach § 1 Abs. 2 Z 3 NAG keinen Aufenthaltstitel dar. Auch sei sein Aufenthalt auf Grund einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit (Saisonarbeit) nicht als erlaubte Niederlassung nach § 2 Abs. 2 Z 3 NAG zu werten. Sohin handle es sich um einen Erstantrag. Ein solcher sei gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen, die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten.

Sowohl der Antrag vom als auch jener vom sei im Inland gestellt und die Erledigung hier abgewartet worden. Gründe des § 21 Abs. 2 NAG, nach dem die Inlandsantragstellung zulässig gewesen wäre, lägen nicht vor. Insbesondere liege ein solcher Grund nicht darin, dass der Bruder des Beschwerdeführers österreichischer Staatsbürger sei.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens seien humanitäre Gründe im Sinn des § 72 NAG behauptet worden. Die geltend gemachten Gründe stellten aber keine ausreichenden besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Aspekte dar, nach denen die Inlandsantragstellung hätte zugelassen werden müssen.

Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2005/18/0477, sei zu prüfen gewesen, ob der Beschwerdeführer eine Berechtigung nach dem ARB Nr. 1/80 erlangt habe. Eine solche sei allerdings zu verneinen. Die Beschäftigung des Beschwerdeführers als "Saisonarbeitskraft" sei nur während der Gültigkeit seiner Arbeitserlaubnis (gemeint: Aufenthaltserlaubnis) von bis ordnungsgemäß gewesen. Nur während dieses für viereinhalb Monate währenden Zeitraumes sei die Beschäftigung in Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften gestanden. Erst seit sei der Beschwerdeführer wieder laufend beschäftigt. Die bis gültige arbeitsmarktrechtliche Bewilligung könne jedoch nur von der am eingegangenen Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin R abgeleitet worden sein, nicht aber von der vormaligen Beschäftigung als Saisonarbeitskraft. Der "Umstieg von einem Aufenthalt als Saisonbeschäftigter zu einem anderen Aufenthaltstitel" sei "zudem gemäß NAG und (...) auch gemäß Fremdengesetz 1997 nicht möglich" gewesen. Sohin - so die belangte Behörde in ihrer Schlussfolgerung - könne noch keine Berechtigung nach dem ARB 1/80 gegeben sein.

Mit dem zweitangefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer am eingebrachten (dritten) Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 2 NAG zurück. Zur Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer bereits zuvor zwei Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen eingebracht habe. Die Verfahren über diese ersten beiden Anträge seien immer noch - in Form eines Verfahrens beim Verwaltungsgerichtshof - anhängig. Gemäß § 19 Abs. 2 NAG sei aber das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz nicht zulässig. Weiters sei es auch nicht zulässig, Anträge zu stellen, aus denen sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergäben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden, die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Fälle im Hinblick auf den jeweiligen Zeitpunkt der Bescheiderlassung nach der Rechtslage des NAG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 zu beurteilen sind.

Zum erstangefochtenen Bescheid:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass die belangte Behörde zu Unrecht das Bestehen einer Rechtsstellung nach Art. 6 ARB 1/80 verneint hätte. Er sei legal eingereist und habe zweimal arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen erhalten. Die zweite Bewilligung sei der Behörde nur wegen eines Verfahrensmangels nicht bekannt geworden. Schon mit der am erteilten ersten Arbeitserlaubnis habe er eine gesicherte Position auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Im Übrigen widerspreche die Auffassung der belangten Behörde auch dem Inhalt des den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2005/18/0477, wonach der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe, dass der Beschwerdeführer nach dem ARB Nr. 1/80 berechtigt sei.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu entnehmen ist, der Beschwerdeführer würde über eine Berechtigung nach dem ARB Nr. 1/80 verfügen. Vielmehr wurde in dieser Entscheidung lediglich festgehalten, dass dafür (aber von der belangten Behörde nicht näher geprüfte) Anhaltspunkte bestünden.

Der belangten Behörde kann jedoch - jedenfalls im Ergebnis - nicht entgegengehalten werden, sie hätte die Beurteilung hinsichtlich des Bestehens eines Anspruches nach Art. 6 ARB 1/80 rechtsirrig vorgenommen. Zutreffend verwies die belangte Behörde darauf, dass sich die gesicherte Rechtsposition, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für das Bestehen einer Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 erforderlich ist, nicht nur anhand arbeitsmarktrechtlicher Umstände, sondern auch des aufenthaltsrechtlichen Status des Fremden zu prüfen ist. Während des in Betracht kommenden Zeitraumes muss nämlich sowohl die Beschäftigung des türkischen Arbeitnehmers im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen, als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltrechtlichen Vorschriften gestanden sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0410, mwN). Für jenen Zeitraum, den der Beschwerdeführer für das Bestehen einer Berechtigung nach Art. 6 ARB 1/80 allenfalls geltend machen kann, nämlich ab Beginn der (durchgehend beim selben Arbeitgeber erfolgten) Beschäftigung ab (die Tätigkeit als Saisonarbeitskraft kann fallbezogen im Hinblick auf deren Dauer nicht berücksichtigt werden, vgl. Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80) wies nun die belangte Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer über keine Bewilligung zum Aufenthalt in Österreich verfügte.

Im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen nach dem FrG für begünstigte Drittstaatsangehörige hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass nach der (damaligen) Rechtslage des FrG außerhalb des Anwendungsbereiches des Gemeinschaftsrechts dem begünstigten Drittstaatsangehörigen nicht schon bereits auf Grund seiner Eigenschaft als Angehöriger eines Österreichers ein Aufenthaltsrecht zukam. Er bedurfte nach dem FrG für die Rechtmäßigkeit seiner Niederlassung einer (rechtsbegründenden) Niederlassungsbewilligung, wenn sich das Aufenthaltsrecht nicht schon unmittelbar aus gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ergab. Nur in letzterem Fall war die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht als rechtsbegründende Handlung, sondern bloß als deklaratorisch wirkende Urkunde zu betrachten. Dafür, dass im gegenständlichen Fall das Gemeinschaftsrecht wegen der Ehe mit einer Österreicherin unmittelbar ein Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers begründet hätte, gibt es jedoch keine Hinweise. Derartiges wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Somit unterlag er auch im Zeitraum bis zur Rechtskraft seiner Ehescheidung gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 1 FrG der Sichtvermerkspflicht. Da dem Beschwerdeführer unstrittig für den hier relevanten Zeitraum, in dem er beschäftigt war, kein Aufenthaltstitel erteilt worden war, kam ihm nicht nur ab In-Kraft-Treten des NAG, sondern auch schon vor dem in diesem Zeitraum kein Aufenthaltsrecht zu (vgl. zum Gesamten das hg. Erkenntnis vom , 2007/18/0209). Somit konnte nicht davon ausgegangen werden, die Beschäftigung des Beschwerdeführers wäre im Einklang sowohl mit den aufenthaltsrechtlichen als auch den arbeitsmarktrechtlichen Vorschriften gestanden. Mangels aufenthaltsrechtlicher Bewilligung war seine Rechtsposition nicht als gesichert im Sinn des Art. 6 ARB 1/80 anzusehen, weshalb sich die Beurteilung der belangten Behörde, er könne aus den Vorschriften des ARB 1/80 kein Aufenthaltsrecht ableiten, letztlich als zutreffend erweist.

In diesem Zusammenhang ist aber mit Blick auf die erfolgte Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichthof unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH wiederholt festgehalten hat, dass Beschäftigungszeiten, die ein türkischer Arbeitnehmer selbst während der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt hat, die nur auf Grund einer Täuschung der Behörden durch ihn erteilt worden ist, nicht auf einer gesicherten Position beruhen, sondern als in einer nur vorläufigen Position zurückgelegt zu betrachten sind, weil ihm während dieser Zeiten von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zustand (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/18/0005).

Da dem Beschwerdeführer nach dem Gesagten keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 zukommt, ist aber auch seiner Rüge, über die Antragsabweisung hätte ein Tribunal entscheiden müssen, bereits von vornherein der Boden entzogen.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang unter dem Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften noch beanstandet, es hätte ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, der Behörde weitere ihm erteilte Arbeitserlaubnisse vorzulegen, fehlt dem Vorbringen nach dem Gesagten die Relevanz, zumal auch damit das Bestehen eines Aufenthaltsrechts für den relevanten Zeitraum nicht hätte dargetan werden können.

Der Beschwerdeführer richtet sich aber auch gegen die behördliche Annahme der Unzulässigkeit der Inlandsantragstellung.

In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde zunächst beizupflichten, dass sie die gegenständlichen Anträge als Erstanträge gewertet hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 NAG ist ein Verlängerungsantrag der Antrag auf Verlängerung des gleichen oder Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels (§ 24 NAG). Ein Zweckänderungsantrag ist nach § 2 Abs. 1 Z 12 NAG der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit anderem Zweckumfang während der Geltung eines anderen Aufenthaltstitels. Ein Antrag, der nicht Verlängerungs- oder Zweckänderungsantrag ist, stellt einen Erstantrag dar (§ 2 Abs. 1 Z 13 NAG).

Somit setzt sowohl ein Verlängerungs- als auch ein Zweckänderungsantrag voraus, dass der betreffende Fremde bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Im vorliegenden Fall war zur Beurteilung dieser Frage auch auf die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 2 erster Satz NAG Bedacht zu nehmen, wonach vor dem In-Kraft-Treten des NAG (also vor dem ) erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer und ihres Gültigkeitszweckes insoweit weiter gelten, als sie nach dem Zweck des Aufenthaltes den Bestimmungen des NAG entsprechen. Im dritten Satz der zuletzt genannten Norm wird der Bundesminister für Inneres ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche vor dem In-Kraft-Treten des NAG erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach ihrem Aufenthaltszweck als entsprechende Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach dem NAG und dem FPG (Fremdenpolizeigesetz 2005) weiter gelten. Die (u.a.) aufgrund dieser Ermächtigung erlassene NAG-DV ordnet in § 11 Abs. 2 Tabelle A Z 20 an, dass eine nach dem FrG (idF vor der Novelle 2002) erteilte Aufenthaltserlaubnis "Saisonarbeitskraft" als "Aufenthalts-Reisevisum (Visum D+C, § 24 FPG)" weiter gilt. Bei diesem Visum (§ 20 Abs. 1 Z 5 FPG) handelt es sich aber um keinen der in § 8 NAG genannten Aufenthaltstitel, sondern um einen Einreisetitel im Sinne des § 2 Abs. 1 FPG. Die dem Beschwerdeführer erteilte, bis gültige Aufenthaltserlaubnis stellt somit keinen Aufenthaltstitel im Sinn des NAG dar, sodass es sich bei dem gegenständlichen Antrag schon deshalb - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung - nicht um einen Verlängerungsantrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/21/0480).

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

Wenn der Beschwerdeführer nun bezogen auf dieses Erfordernis rügt, die Inlandsantragstellung sei nicht nachträglich wegen der Ehescheidung rechtswidrig geworden, so ist einerseits auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach nach Inkrafttreten des NAG für die Beurteilung des sich darbietenden Sachverhaltes die Vorschriften des NAG heranzuziehen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0389), und andererseits darauf, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auch - zutreffend - zum Vorwurf gemacht hat, entgegen § 21 Abs. 1 NAG die Erledigung des Antrages im Inland abgewartet zu haben.

Letztlich kann der belangten Behörde aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das Vorliegen besonderer Erteilungsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 3 NAG verneinte. Der Beschwerdeführer brachte vor, es sei ihm dazu kein Parteiengehör eingeräumt worden. Hätte die belangte Behörde dies getan, hätte er im Rahmen einer Stellungnahme weitere Unterlagen, insbesondere eine Haftungserklärung seines Bruders, vorgelegt. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer aber in keiner Weise auf, inwiefern die Annahme der belangten Behörde unzutreffend sei, es liege kein Nachweis über die fallbezogen nach § 47 Abs. 3 NAG zu erfüllende Voraussetzung vor, dass der Bruder des Beschwerdeführers ihm bereits in seinem Heimatland Unterhalt gewährt hätte. In der Beschwerde wird in keiner Weise darlegt, dass und inwiefern dies der Fall gewesen wäre sowie durch welche Urkundenbeweise dies hätte bescheinigt werden können. Somit wird aber die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Dass die Beurteilung der belangten Behörde, es lägen keine ausreichenden humanitären Gründe im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG vor, wonach die Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG hätte zugelassen werden müssen, unrichtig sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Angesichts der oben wiedergegebenen Feststellungen zu den dafür vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Umständen vermag der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung auch nicht als rechtswidrig anzusehen.

Da somit dem erstangefochtenen Bescheid die behaupteten Rechtsverletzungen nicht anhaften, war die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit Formvorschriften, die erst durch Inkrafttreten des NAG () geschaffen wurden und nach den Vorschriften des zuvor geltenden FrG noch nicht existierten, unter Hinweis auf die Erläuterungen zu § 81 NAG bereits festgehalten, dass diese Formvorschriften für noch während der Geltung des FrG gestellte Anträge kein Prozesshindernis begründen können (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2008/22/0790, und vom , 2008/22/0152). Somit waren die in § 19 Abs. 2 NAG genannten, gegenüber der Rechtslage nach dem FrG neue Prozesshindernisse schaffenden Gründe nicht geeignet, im gegenständlichen Fall, in dem der Antrag am - und somit noch während der Geltung des FrG - gestellt wurde, die von der belangten Behörde ausgesprochene Antragszurückweisung zu tragen.

Der zweitangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die jeweiligen Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am