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VwGH vom 21.01.2014, 2011/04/0003

VwGH vom 21.01.2014, 2011/04/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der

B GmbH in W, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom , Zlen. N/0086 bis 0091-BVA/08/2008 sowie N/0093 bis 0099-BVA/08/2008, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend; mitbeteiligte Parteien: 1. B GmbH in W;

2. B Vertriebs-GmbH in W; 3. M GmbH in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schubertring 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.141,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Beschwerdeführerin (= Auftraggeberin) übermittelte mit E-Mail vom an mehrere Unternehmer jeweils eine Aufforderung zur Angebotsabgabe. Gegenstand der - nach Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung abzuschließenden - Rahmenvereinbarung war die Lieferung von Stents samt Zubehör. Die Beschwerdeführerin stützte sich bei der Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung auf den Ausnahmetatbestand des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006. Diesbezüglich vertrat sie - ausgehend von den Expertisen von drei Kardiologen - die Auffassung, ausschließlich der behandelnde Arzt könne im konkreten Einzelfall für den jeweiligen Patienten die Entscheidung treffen, welcher am Markt erhältliche Stent auf Grund der technischen Einmaligkeit des jeweiligen Stents sowie der Einmaligkeit der Anatomie und des Krankheitsbildes des jeweiligen Patienten aus medizinischer Sicht womöglich der einzig "Einsetzbare" sei. Demnach sei es aus medizinischen Gründen erforderlich, dem behandelnden Arzt sämtliche erhältlichen Geräte aller Hersteller zur Verfügung zu stellen, damit dieser im konkreten Einzelfall den entsprechenden Stent auswählen könne.

Innerhalb der Angebotsfrist (festgesetztes Ende war der ) beantragten zunächst sechs Unternehmer die Nichtigerklärung der jeweils an sie selbst ergangenen Aufforderung zur Angebotsabgabe. Jeweils mit Schriftsatz datierend vom brachten drei Unternehmer (die drei mitbeteiligten Parteien) insgesamt 13 Anträge auf Nichtigerklärung der jeweils an andere Unternehmer gerichteten Aufforderungen zur Angebotsabgabe ein.

2. Mit Bescheid vom , N/0078-BVA/08/2008, gab das Bundesvergabeamt (belangte Behörde) dem Antrag der drittmitbeteiligten Partei (betreffend die an sie selbst gerichtete Aufforderung zur Angebotsabgabe) statt und erklärte die "Aufforderung zur Angebotsabgabe, wie sie seitens der (Auftraggeberin) am an mindestens 13 Unternehmerinnen und Unternehmer versandt wurde und mit welcher ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über Stents und Zubehör eingeleitet wurde," für nichtig. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass nur eine einzige Entscheidung der Auftraggeberin (nämlich die an mehrere Unternehmer übermittelte Aufforderung zur Angebotsabgabe) und somit Identität der Verfahren vorliege. Weiters gelangte sie zur Auffassung, dass die Auftraggeberin für den gegenständlichen Beschaffungsvorgang rechtswidriger Weise ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gewählt habe.

Auf Grund einer Beschwerde der Auftraggeberin hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0129, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Der Verwaltungsgerichtshof hielt zum einen fest, dass die behördliche Auffassung, es liege Identität der Verfahren vor, unzutreffend sei, weil die Leistungsverzeichnisse in den einzelnen Aufforderungen zur Angebotsabgabe und somit die zu beschaffenden Leistungen jeweils unterschiedlich waren. Es sei daher mit jedem Unternehmer jeweils ein gesondertes Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung über jeweils unterschiedliche Leistungsgegenstände geführt worden. Da in dem (dem Erkenntnis vorausgegangenen) Nachprüfungsverfahren ausschließlich die an die dortige Antragstellerin (= nunmehrige drittmitbeteiligte Partei) ergangene Aufforderung zur Angebotsabgabe angefochten worden sei, komme eine Nichtigerklärung der an andere Unternehmer gerichteten Aufforderungen zur Angebotsabgabe in diesem Verfahren nicht in Betracht, weshalb die belangte Behörde ihren Bescheid in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit belastet habe. Zum anderen ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Antragstellerin im zugrunde liegenden Nachprüfungsverfahren durch die angefochtene Entscheidung - eine nur an sie als einzige Bieterin gerichtete Aufforderung zur Angebotsabgabe - nicht in den geltend gemachten Rechten verletzt worden sein konnte. Der Nachprüfungsantrag wäre daher zurückzuweisen gewesen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben wurde.

3. Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde die (eingangs erwähnten) 13 Anträge auf Nichtigerklärung jeweils unterschiedlicher Aufforderungen zur Angebotsabgabe zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und die fünf angefochtenen Aufforderungen zur Angebotsabgabe (gerichtet an fünf verschiedene Unternehmer) mit dem angefochtenen Bescheid für nichtig erklärt.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges hielt die belangte Behörde zunächst fest, dass die fünf für nichtig erklärten Aufforderungen zur Angebotsabgabe jeweils in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Oberschwellenbereich ergangen seien, wobei es sich um die erste gesondert anfechtbare Entscheidung gehandelt habe. Weiters stellte die belangte Behörde den Leistungsgegenstand (medizinische Implantate zur Behandlung von Gefäßverengungen) näher dar. Die Auftraggeberin habe - so die belangte Behörde - den beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung nicht vorab kundgemacht und dafür den Ausnahmetatbestand des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 ins Treffen geführt, wobei sie sich für diese Vorgehensweise auf die Expertisen von drei Kardiologen gestützt habe. In weiterer Folge stellte die belangte Behörde die Ausführungen der drei Ärzte (Dr. Z, Dr. W und Dr. G) zusammengefasst dar. Dr. Z sei zudem am unter Einräumung von Fragemöglichkeiten für die Parteien als Zeuge einvernommen worden.

Im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung bejahte die belangte Behörde zunächst die Rechtzeitigkeit der Nachprüfungsanträge. Unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/04/0025, sowie auf den unionsrechtlich gebotenen effektiven Vergaberechtsschutz erachtete sie dabei die Anfechtungsfrist des § 321 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 und nicht die gesonderte Frist für die Anfechtung von Ausschreibungsunterlagen gemäß § 321 Abs. 2 BVergG 2006 als maßgeblich. Weiters sah die belangte Behörde sowohl ein Interesse der antragstellenden Unternehmer am Vertragsabschluss als auch einen durch die behauptete Rechtswidrigkeit drohenden Schaden - und damit die Antragslegitimation - als gegeben an.

Zur Frage, inwieweit sich die Auftraggeberin zu Recht auf den Tatbestand des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 gestützt habe, führte die belangte Behörde zunächst aus, dass die Auftraggeberin beweispflichtig für die Tatsache sei, welche die Unterlassung einer vorherigen Vergabebekanntmachung rechtfertige. Im vorliegenden Fall - so die belangte Behörde - hätte die Auftraggeberin bereits in den Unterlagen des Vergabeverfahrens den sachverständigen Nachweis für ihre Position der tatsächlichen Alleinstellung der nachgefragten Produkte erbringen müssen. Dieser Nachweis sei - auch unter Zugrundelegung der dargestellten Expertisen - nicht erbracht worden. Den Beweisanträgen der Auftraggeberin und insbesondere dem Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen sei nicht stattzugeben gewesen, weil § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 bereits für den Zeitpunkt der Einleitung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung den Nachweis verlange, dass ein bestimmter Bedarf aus (hier:) technischen Gründen nur von einem einzigen Unternehmer gedeckt werden könne. Die belangte Behörde ging somit davon aus, dass sie "nur die tatsachenmäßig in den Vergabeunterlagen geschaffenen Entscheidungsbegründungen des Auftraggebers dahin zu prüfen" habe, ob diese eine Heranziehung des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 rechtfertigen können. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weshalb die angefochtenen Aufforderungen zur Angebotsabgabe für nichtig zu erklären gewesen seien.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin vertritt darin zum einen die Auffassung, die zugrunde liegenden Nachprüfungsanträge wären entweder als verspätet oder wegen mangelnder Antragslegitimation zurückzuweisen gewesen. Weiters habe die belangte Behörde die Rechtsfrage, wann und wie die Auftraggeberin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 nachzuweisen habe, unrichtig beurteilt. Schließlich machte die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang Verfahrensfehler geltend und monierte insbesondere die nicht erfolgte Beiziehung eines Sachverständigen.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die drittmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen des BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17, in der hier (auf Grund der Übergangsvorschrift des § 345 Abs. 14 Z 2 BVergG 2006 idF BGBl. I Nr. 15/2010: weiterhin) maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 86/2007 lauten auszugsweise:

" Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

...

10. Ausschreibung ist die an eine bestimmte oder

unbestimmte Zahl von Unternehmern gerichtete Erklärung des Auftraggebers, in der er festlegt, welche Leistung er zu welchen Bestimmungen erhalten möchte (Bekanntmachung, Aufruf zum Wettbewerb, Ausschreibungs-, Wettbewerbs- und Auktionsunterlagen, Beschreibung der Bedürfnisse und Anforderungen beim wettbewerblichen Dialog).

...

16. Entscheidung ist jede Festlegung eines

Auftraggebers im Vergabeverfahren.

a) Gesondert anfechtbar sind folgende, nach außen in

Erscheinung tretende Entscheidungen:

...

ee) im Verhandlungsverfahren ohne vorherige

Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb: die

Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der

Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist; das Ausscheiden

eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die

Zuschlagsentscheidung;

..."

" Arten der Verfahren zur Vergabe von Aufträgen

§ 25. (1) ...

(6) Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung wird eine beschränkte Anzahl von geeigneten Unternehmern zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Danach kann über den gesamten Auftragsinhalt verhandelt werden.

..."

" Wahl des Verfahrens bei Lieferaufträgen

§ 29. (1) ...

(2) Lieferaufträge können im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn

...

2. der Lieferauftrag aus technischen oder

künstlerischen Gründen oder auf Grund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmer ausgeführt werden kann, oder

..."

" Festhalten der Gründe für die Wahl bestimmter

Vergabeverfahren

§ 36. Die für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens oder eines wettbewerblichen Dialoges maßgeblichen Gründe sind schriftlich festzuhalten."

" Einleitung des Verfahrens

§ 320. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

..."

" Fristen für Nachprüfungsanträge

§ 321. (1) Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung sind

...

7. in allen übrigen Fällen binnen 14 Tagen ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Antragsteller von

der gesondert anfechtbaren Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte können.

(2) Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibungs- oder

Wettbewerbsunterlagen sowie der Aufforderung zur Abgabe eines

Teilnahmeantrages sind,

1. sofern die Angebotsfrist, die Frist zur Vorlage der

Wettbewerbsarbeiten oder die Teilnahmefrist weniger als 15 Tage

beträgt, spätestens drei Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, der

Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist,

2. in allen übrigen Fällen spätestens sieben Tage vor

Ablauf der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage der

Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist

einzubringen. ..."

2. Wahrung der Nachprüfungsfrist:

2.1. Die gegenständlich angefochtenen Entscheidungen (Aufforderungen zur Angebotsabgabe) wurden jeweils mit E-Mail vom an die betroffenen Unternehmer übermittelt. Das Ende der Angebotsfrist war mit festgesetzt.

2.2. Für die Frage der Rechtzeitigkeit der (vom datierenden) Nachprüfungsanträge ist zu klären, ob die Frist des § 321 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 (binnen 14 Tagen ab Kenntnis) oder des § 321 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 (spätestens drei Tage vor Ablauf der Angebotsfrist) maßgeblich ist. § 321 Abs. 2 BVergG 2006 enthält eine, von der allgemeinen Bestimmung des § 321 Abs. 1 BVergG 2006 abweichende Fristenregelung für Anträge auf Nachprüfung der (u.a.) Ausschreibungsunterlagen.

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0037, festgehalten, dass die "Aufforderung zur Angebotsabgabe" in § 321 BVergG 2006 nicht explizit erwähnt ist, weshalb für Nachprüfungsanträge, die gegen diese Entscheidung gerichtet sind, gemäß § 321 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 eine Frist von 14 Tagen ab tatsächlicher oder möglicher Kenntniserlangung von dieser Entscheidung gilt.

Anders als in dem Fall, der dem eben zitierten Erkenntnis zugrunde lag, sind die hier gegenständlichen Nachprüfungsanträge auch nach ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung nicht gegen die Ausschreibungsunterlagen gerichtet, sondern es wird mit der Anfechtung der Aufforderung zur Angebotsabgabe der Sache nach die Wahl der Verfahrensart bekämpft.

Hintergrund für die Sonderregelung des § 321 Abs. 2 BVergG 2006 (Beginn des Fristenlaufs nicht ab Kenntnis von der Entscheidung, sondern Anknüpfen an den Endzeitpunkt der Angebotsfrist) ist, dass für die Anfechtung der Ausschreibungsunterlagen (angesichts ihres Umfangs) im Regelfall ein längerer Zeitraum zur Verfügung stehen soll (als für die Anfechtung sonstiger anfechtbarer Entscheidungen), weil allfällige Rechtswidrigkeiten erst im Lauf der Angebotserstellung hervorkommen (vgl. RV 1171 BlgNR 22. GP 137 f).

2.4. Schließlich spricht für die Maßgeblichkeit der Frist des § 321 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 vor allem auch die unionsrechtlich gebotene Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. diesbezüglich die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0025; auch wenn diese Ausführungen zu einer - inhaltlich abweichenden - Bestimmung in § 9 des OÖ Vergabenachprüfungsgesetzes ergangen sind, kommt ihnen - soweit sie sich auf den unionsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz beziehen - auch für den vorliegenden Fall Bedeutung zu). Wenn ein Unternehmer (wie hier) Interesse an einem konkreten Auftrag behauptet, sich aber wegen der ins Treffen geführten Rechtswidrigkeit (rechtswidrige Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung) nicht am Verfahren beteiligen konnte, kann die Frist für die Einbringung des Nachprüfungsantrags erst mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, in dem er von der gesondert anfechtbaren Entscheidung Kenntnis erlangt hat (oder allenfalls Kenntnis erlangen hätte können).

2.5. Es ist fallbezogen nicht ersichtlich, dass die Antragstellerinnen allein auf Grund der an sie selbst ergangenen Aufforderung zur Angebotsabgabe (vom ) Kenntnis davon hätten erlangen müssen, dass die Auftraggeberin an andere Unternehmer inhaltlich ähnlich ausgestaltete Aufforderungen zur Angebotsabgabe gerichtet hat. Da die Antragstellerinnen erst am (auf Grund der Bekanntgabe der Einleitung diverser Nachprüfungsverfahren) von den antragsgegenständlichen Vergabeverfahren Kenntnis erlangt hatten, hat die belangte Behörde die Nachprüfungsanträge zutreffend als rechtzeitig erachtet.

2.6. Soweit die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, die Rechtsansicht der belangten Behörde würde zu einem unüberwindbaren Widerspruch zwischen § 321 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 und § 332 Abs. 3 iVm § 331 Abs. 1 Z 4 BVergG 2006 führen, genügt es darauf hinzuweisen, dass dieser Widerspruch schon deswegen nicht besteht, weil der Vergabekontrollbehörde nach Zuschlagserteilung (auf diesen Umstand stellt die Beschwerdeführerin bei ihrer Argumentation ab) keine Zuständigkeit mehr zukommt, Entscheidungen für nichtig zu erklären.

Wenn in der Beschwerde schließlich noch vorgebracht wird, für die zweitmitbeteiligte Partei ergebe sich eine Versäumung der Nachprüfungsfrist selbst unter Zugrundelegung der behördlichen Auffassung, weil die siebentägige Frist am abgelaufen wäre, so kann diesem Vorbringen schon deshalb nicht gefolgt werden, weil nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde gegenständlich Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich durchgeführt wurden und somit die 14-tägige Frist des § 321 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 zur Anwendung kommt.

3. Antragslegitimation:

3.1. Die Beschwerdeführerin bringt zur (fehlenden) Antragslegitimation iSd § 320 Abs. 1 BVergG 2006 vor, dass den mitbeteiligten Parteien kein Schaden entstanden sein oder drohen könne, weil gegenständlich Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden sollten, bei denen keine Abnahmeverpflichtung bestehe. Mangels Abnahmeverpflichtung sei es aber irrelevant, ob die mitbeteiligten Parteien für Lieferungen aus einer mit einem anderen Unternehmer angestrebten Rahmenvereinbarung in Betracht kämen oder nicht, weil es der Beschwerdeführerin ohnehin freistehe, sich die Leistung von einem anderen Marktteilnehmer zu beschaffen.

3.2. Anders als die Beschwerdeführerin meint, ist es für die Antragslegitimation allerdings nicht erheblich, ob bei der Rahmenvereinbarung eine Abnahmeverpflichtung besteht. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Auftraggeber bei einer mit nur einem Unternehmer abgeschlossenen Rahmenvereinbarung gemäß § 152 Abs. 3 Z 1 BVergG 2006 die Möglichkeit hat, den Zuschlag unmittelbar dem auf Grund der Bedingungen der Rahmenvereinbarung gelegten Angebot zu erteilen. Der drohende Schaden der antragstellenden Unternehmer liegt somit darin, dass sie in ihrer Möglichkeit beeinträchtigt werden, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen (zum Eintritt eines Schadens durch die Beeinträchtigung der Möglichkeit, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen, siehe die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/04/0209, und vom , Zl. 2009/04/0128; zur Antragslegitimation von nicht zur Teilnahme eingeladenen Unternehmern betreffend die Wahl eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung siehe auch Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.) , Bundesvergabegesetz 2006 Kommentar, § 320 Rz. 26). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im schon zitierten Erkenntnis Zl. 2009/04/0209 festgehalten hat, kann sich ein Auftraggeber der Verpflichtung zur Ausschreibung wiederkehrender Leistungen auch nicht dadurch entziehen, dass er Verträge mit mehreren Unternehmern abschließt (der Umstand, dass es sich im dort zugrunde liegenden Fall um Rahmenverträge gehandelt hat und hier Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden sollten, ändert daran nichts). Schließlich spielt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch keine Rolle, dass der Abschluss der Rahmenvereinbarung über das gesamte Produktportfolio des jeweiligen Vertragspartners beabsichtigt war.

3.3. Auch wenn entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht davon ausgegangen werden kann, dass die antragstellenden Unternehmer ein Interesse am Vertragsabschluss schon durch den Nachprüfungsantrag nachgewiesen haben, ändert dies im Ergebnis nichts an der zutreffend bejahten Antragslegitimation, zumal die mitbeteiligten Parteien in ihren Nachprüfungsanträgen dargelegt haben, dass sie ein Interesse daran haben, ein Angebot nicht nur im Umfang der an sie gerichteten Aufforderung zur Angebotsabgabe zu legen, sondern auch darüber hinaus.

4. Ausnahmetatbestand des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006:

4.1. Die belangte Behörde vertrat im Kern ihrer Argumentation die Auffassung, die Auftraggeberin hätte bereits in den Unterlagen des Vergabeverfahrens den sachverständigen Nachweis für die Zulässigkeit der Heranziehung des Ausnahmetatbestandes des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 zu erbringen gehabt. Aufgabe des Bundesvergabeamtes sei es nicht, nachträglich nach Gründen zu suchen, die den Standpunkt einer Partei erstmals rechtfertigen könnten, sondern nur, die "tatsachenmäßig in den Vergabeunterlagen geschaffenen Entscheidungsbegründungen des Auftraggebers dahin zu prüfen", ob diese ein Heranziehen des § 29 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 hätten rechtfertigen können. Ausgehend davon sei auch den Beweisanboten (etwa auf Bestellung eines Sachverständigen) nicht stattzugeben gewesen.

4.2. Demgegenüber vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass zwar gemäß § 36 BVergG 2006 die für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens maßgeblichen Gründe festzuhalten sind, das Vorliegen der Rechtfertigungsgründe aber erst im Vergabekontrollverfahren bewiesen werden müsse. Darüber hinaus seien für das gegenständliche Vergabeverfahren ohnehin sachverständige Nachweise, nämlich die Expertisen von drei Kardiologen, eingeholt worden. Wenn die belangte Behörde diese Expertisen als nicht hinreichend ansehen sollte, hätte sie nach Auffassung der Beschwerdeführerin deren Beweisanträgen (insbesondere auf Einholung eines Sachverständigengutachtens) nachkommen müssen.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

4.3. Nach der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind die Rechtfertigungsgründe für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung eng auszulegen (vgl. etwa das , Kommission gegen Deutschland , Rz. 54 ff). Die Beweislast dafür, dass die eine Ausnahme rechtfertigenden, außergewöhnlichen Umstände tatsächlich vorliegen, trägt derjenige, der sich darauf berufen will (im vorliegenden Fall somit die Beschwerdeführerin).

Dies ändert aber nichts daran, dass demjenigen, dem die Beweislast obliegt (im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin), im Vergabekontrollverfahren die Gelegenheit gegeben werden muss, den ihm obliegenden Beweis zu erbringen.

4.4. Soweit sich die belangte Behörde für ihre Auffassung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 113/08, stützt, ist dazu anzumerken, dass der Verfassungsgerichtshof darin - soweit fallbezogen von Relevanz - zum Ausdruck gebracht hat, dass der Auftraggeber das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes "zu beweisen" hat und die bloße Berufung auf einen solchen nicht ausreicht. Dass dieser Nachweis im Zug eines Vergabekontrollverfahrens vor der belangten Behörde erbracht wird, steht dazu nicht im Widerspruch.

4.5. Die belangte Behörde ist somit unzutreffend davon ausgegangen, dass ihre Aufgabe bei der Beurteilung des Vorliegens des hier maßgeblichen Ausnahmetatbestandes darauf beschränkt ist, zu prüfen, ob der Nachweis der Zulässigkeit seiner Heranziehung bereits in den Vergabeunterlagen erbracht worden ist. Vielmehr ist demjenigen, dem die Beweislast obliegt, Gelegenheit zu geben, den ihm obliegenden Beweis zu erbringen.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des Begehrens - gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 - auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am