VwGH vom 12.09.2013, 2011/04/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien 1. Ing. X und 2. Y-GmbH, beide in Z und vertreten durch Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zlen. Senat-GF-09-0049, Senat-GF-09-0050, betreffend Übertretung des UVP-Gesetzes 2000 (weitere Partei:
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom beantragte die Zweitbeschwerdeführerin die Feststellung, ob für das Vorhaben "Erweiterung des bestehenden Abbaufeldes BWS I sowie Hinzunahme der Abbaufelder EDITH I, ISABEL I und STEPHANIE I samt dazugehöriger Neben- bzw. Bergbauanlagen" die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehe. Gleichzeitig wurde der Antrag auf Genehmigung dieses Vorhabens nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) gestellt.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde festgestellt, dass das genannte Vorhaben den Bestimmungen des UVP-G 2000 und somit der Verpflichtung zur Durchführung einer UVP unterliegt (Spruchpunkt Teil A). Gleichzeitig wurde der Zweitbeschwerdeführerin die Genehmigung für das beantragte Vorhaben unter Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen und Befristungen erteilt. Auf eine separate Abnahme im Sinne des § 20 UVP-G 2000 wurde verzichtet und für die Nachkontrolle eine Frist bis zum festgesetzt (Spruchpunkt Teil B).
Begründend hielt die Behörde unter anderem fest, das beantragte Erweiterungsvorhaben umfasse eine Fläche von ca. 49,4 ha und überschreite daher die im Anhang 1 Z. 25 lit. b UVP-G 2000 vorgesehenen Schwellenwerte, weshalb eine Genehmigungspflicht nach dem UVP-G 2000 gegeben sei.
Gegen diesen Genehmigungsbescheid erhoben mehrere Nachbarn und eine Bürgerinitiative Berufungen an den Umweltsenat, die mit Bescheid vom hinsichtlich einzelner Berufungswerber zurückgewiesen wurden, denen im Übrigen aber zum Teil stattgegeben und die Genehmigung (in Spruchpunkt Teil B des erstinstanzlichen Bescheides) in einzelnen Punkten abgeändert wurde.
Mit Straferkenntnis vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (BH) "im Namen der Niederösterreichischen Landesregierung, von der sie hiezu gemäß § 39 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) ermächtigt" worden sei, über den Erstbeschwerdeführer in seiner Funktion als Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin wegen Übertretung des § 45 Z. 1 UVP-G 2000 eine Geldstrafe von EUR 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 112 Stunden) und verpflichtete ihn zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Ihm wurde zur Last gelegt, dass im Abbaufeld EDITH I auf einer Fläche von 3,5 ha im Zeitraum Februar 2007 bis zumindest bereits Schotterabbautätigkeiten bis zum HGW durchgeführt worden seien, obwohl dafür eine rechtskräftige Genehmigung nach dem UVP-G 2000 (noch) nicht vorgelegen sei. Gleichzeitig wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG festgestellt, dass die Zweitbeschwerdeführerin für die über den Erstbeschwerdeführer verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufungen der beschwerdeführenden Parteien mit der Maßgabe ab, dass im Tatzeitraum das Wort "zumindest" ersatzlos zu entfallen habe und die Übertretungsnorm durch die §§ 3, 3a iVm Anhang 1 Z. 25 lit. b UVP-G 2000 ergänzt werde.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, gemäß § 45 Z. 1 UVP-G - in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung -
begehe eine Verwaltungsübertretung und sei mit Geldstrafe bis zu EUR 30.000,-- zu bestrafen, wer eine UVP-pflichtiges Vorhaben ohne die nach diesem Bundesgesetz erforderliche Genehmigung durchführe.
Im UVP-Genehmigungsbescheid vom sei auf eine separate Abnahme im Sinne von § 20 UVP-G 2000 verzichtet und im Genehmigungsbescheid festgelegt worden, bis zu welchem Zeitpunkt die Nachkontrolle durchzuführen sei.
Die Bestimmung des § 22 Abs. 2 UVP-G 2000 - in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung -, wonach in Fällen des § 20 Abs. 6 UVP-G 2000 die Zuständigkeit mit Rechtskraft des Genehmigungsbescheides auf die nach den Verwaltungsvorschriften zur Vollziehung der für die Genehmigungen nach den §§ 17 bis 18b UVP-G 2000 relevanten Vorschriften zuständigen Behörden übergehe, gelte nur für das AVG-Verfahren, nicht jedoch für das Verwaltungsstrafverfahren, da die §§ 17 bis 18b leg. cit. lediglich die materiellrechtlichen Bestimmungen des Genehmigungsverfahrens beträfen. Die Zuständigkeit der Landesregierung nach § 39 Abs. 1 UVP-G 2000 bleibe daher ungeachtet der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides für Verwaltungsstrafverfahren aufrecht. Diese habe von der ihr eingeräumten Übertragungsmöglichkeit mittels Verfügung vom Gebrauch gemacht und die Bezirksverwaltungsbehörde (BH) sowohl mit der Durchführung des Verfahrens als auch mit der Ermächtigung, in ihrem Namen zu entscheiden, ausgestattet. Die BH sei daher zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens und zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses zuständig gewesen.
Es sei auch keine Verfolgungsverjährung eingetreten, weil es sich beim gegenständlichen Delikt um ein Unterlassungsdelikt handle, welches nicht bloß die Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung des gesetzwidrigen Zustandes pönalisiere. Bei Unterlassungsdelikten beginne die Frist für die Verfolgungsverjährung erst mit Ende des Tatzeitraumes, und zwar für den gesamten Tatzeitraum. Deshalb sei die Aufforderung zur Rechtfertigung vom in Bezug auf das Ende des Tatzeitraumes () innerhalb der sechsmonatigen Frist für die Verfolgungsverjährung erlassen worden.
Die belangte Behörde könne auch der Ansicht der Beschwerdeführer nicht folgen, dass für den vorgenommenen Abbau keine UVP-Pflicht bestanden habe, weil erst ein geringer Teilbereich des genehmigten Vorhabens in Angriff genommen worden sei, der für sich genommen keine UVP-Pflicht ausgelöst hätte. Da das gegenständliche Projekt als Gesamtheit zu betrachten sei, hätte mit dem Vorhaben - auch bloß in Teilbereichen - erst begonnen werden dürfen, nachdem eine rechtskräftige Bewilligung vorgelegen sei. In diesem Zusammenhang sei es auch unzutreffend, dass lediglich unzulässige Berufungen vorgelegen hätten, da mit Bescheid des Umweltsenates vom lediglich ein Teil der Berufungen als unzulässig zurückgewiesen worden sei, wohingegen über den anderen Teil materiellrechtlich entschieden worden sei. Insofern könne von einer rechtskräftigen Entscheidung bereits in erster Instanz entgegen der Meinung der Beschwerdeführer keine Rede sein.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Auch die weitere Partei erstattete eine Stellungnahme und beantragte Kostenzuspruch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zur Strafbarkeit von Abbauarbeiten in einem Teilbereich des noch nicht rechtskräftig genehmigten Vorhabens:
1.1. Im Lichte des § 1 Abs. 1 und 2 VStG ist vorweg festzuhalten, dass die von der Strafbehörde herangezogene Strafnorm des § 45 Z. 1 UVP-G 2000 zwischen der Zeit der vorgeworfenen Begehung (Februar 2007 bis ) und der Entscheidung der belangten Behörde - soweit dies für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung ist - nur insofern eine Änderung erfahren hat, als der Strafrahmen von "bis zu EUR 30.000,-
-" durch die UVP-G-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 87/2009, auf "bis zu EUR 35.000,--" erhöht worden ist. Auf diesen Umstand hat die belangte Behörde Bedacht genommen und bei ihrer Entscheidung die für den Tatzeitpunkt maßgebliche Fassung der Norm herangezogen, die folgenden Wortlaut aufwies:
"Strafbestimmungen
§ 45. Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde zu bestrafen mit einer Geldstrafe
1. bis zu Euro 30 000, wer ein UVP-pflichtiges Vorhaben (§§ 3, 3a, 23a und 23b) ohne die nach diesem Bundesgesetz erforderliche Genehmigung (§§ 17 …) durchführt oder betreibt;
…"
1.2. Die belangte Behörde sah diesen Tatbestand im vorliegenden Fall als erfüllt an, weil die Zweitbeschwerdeführerin in einem der Abbaufelder des UVP-pflichtigen Vorhabens schon vor Rechtskraft der UVP-Genehmigung Abbauarbeiten durchführen ließ, demnach also den Betrieb des Vorhabens (Entnahme mineralischer Rohstoffe iSd Anhanges 1 Z. 25 lit. b UVP-G 2000) bereits aufgenommen hatte.
1.3. Die beschwerdeführenden Parteien wenden dagegen ein, eine Bestrafung nach § 45 Z. 1 UVP-G 2000 komme nur in Betracht, wenn für die konsenslos vorgenommene Abbautätigkeit eine Fläche in Anspruch genommen werde, die für sich betrachtet UVP-pflichtig sei. Dies treffe im vorliegenden Fall aber nicht zu, weil die Materialentnahme nur auf einer Fläche von 3,5 ha stattgefunden habe (die UVP-Pflicht bestehe hingegen erst bei einer zusätzlichen Flächeninanspruchnahme von mindestens 5 ha). Eine andere Sichtweise führe dazu, dass derjenige, der sich für ein geplantes Erweiterungsvorhaben um eine Genehmigung nach dem UVP-G 2000 bemühe, gegenüber demjenigen, der keinen Antrag auf Genehmigung nach dem UVP-G 2000 stelle, benachteiligt würde.
1.4. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde nicht im Recht.
Das gegenständliche Vorhaben, nämlich die Erweiterung des bestehenden Abbaufeldes BWS I sowie die Hinzunahme der Abbaufelder EDITH I, ISABEL I und STEPHANIE I samt dazugehöriger Neben- bzw. Bergbauanlagen, ist - wie sich aus dem rechtskräftig abgeschlossenen UVP-Verfahren ergibt - als Einheit anzusehen und unterlag damit der Genehmigungspflicht nach dem UVP-G 2000. Ausgehend davon durfte mit der Abbautätigkeit (sei es auch nur in einem Teilbereich des Vorhabens) erst nach Rechtskraft der UVP-Genehmigung begonnen werden. Anderenfalls würde das mit dem einheitlichen Vorhabensbegriff des UVP-G 2000 verfolgte Ziel, die Umgehung der UVP durch Aufteilung eines Gesamtvorhabens auf einzelne Teile zu verhindern, nicht erreicht. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die beschwerdeführenden Parteien dadurch gegenüber einem Bergbauunternehmen, das keinen Genehmigungsantrag nach dem UVP-G 2000 gestellt hätte, benachteiligt wäre, weil auch dieses Unternehmen - bei gleich gelagertem Vorhaben - der UVP-Pflicht unterlägen wäre und daher die Durchführung oder der Betrieb des UVP-pflichtigen Vorhabens nach § 45 Z. 1 UVP-G 2000 strafbar gewesen wäre. Die belangte Behörde hat daher zutreffend erkannt, dass die gegenständliche Abbautätigkeit den Tatbestand des § 45 Z. 1 UVP-G 2000 erfüllte.
2. Zur Zuständigkeit der Behörde erster Instanz in Bezug auf die Durchführung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens:
2.1. Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe die Unzuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz zu Unrecht nicht aufgegriffen. Im vorliegenden Fall habe die Zuständigkeit der Niederösterreichischen Landesregierung, in deren Namen die BH das Verwaltungsstrafverfahren geführt habe, mit Rechtskraft des UVP-Genehmigungsbescheides geendet. Das (zeitlich spätere) Straferkenntnis sei deshalb von einer nicht (mehr) zuständigen Behörde erlassen worden.
2.2. Zu diesem Vorbringen reicht es darauf hinzuweisen, dass die BH, die - bei verfassungskonformer Auslegung des § 39 UVP-G 2000 in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der UVP-G-Novelle 2009 - vorliegend im Rahmen einer verfassungsrechtlich zulässigen Delegation entschieden hat (vgl. zur Abgrenzung zum unzulässigen zwischenbehördlichen Mandat das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 18.910), in jedem Fall, also ungeachtet der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte zum Zuständigkeitsübergang von der UVP-Behörde auf die Materienbehörden bei einem Strafverfahren wie dem vorliegenden, als erstinstanzliche Strafbehörde, sei es aufgrund der Delegation nach § 39 Abs. 1 UVP-G 2000 oder als Strafbehörde nach § 26 VStG, einzuschreiten hatte. Ausgehend davon erweist sich das oben dargestellte Beschwerdevorbringen zur Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Strafbehörde jedenfalls als unberechtigt.
3. Zum Deliktstypus des "Betreibens eines Vorhabens" nach § 45 Z. 1 UVP-G und dem Beginn der Verfolgungsverjährung:
3.1. Berechtigung kommt der Beschwerde jedoch zu, wenn sie sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Qualifikation der Übertretung nach § 45 Z. 1 UVP-G als Unterlassungsdelikt wendet, welches nicht bloß die Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung des gesetzwidrigen Zustandes pönalisiere.
Das nach § 45 Z. 1 UVP-G 2000 pönalisierte "Betreiben" eines UVP-pflichtigen Vorhabens ohne die nach diesem Bundesgesetz erforderliche Genehmigung ist schon seinem Wortlaut nach ein fortgesetztes Begehungsdelikt (vgl. idS auch Ennöckl/Raschauer/Bergthaler , UVP-G, 3. Auflage (2013), § 45 Rz 16; Schmelz/Schwarzer , Kommentar zum UVP-G 2000 (2011), Rz 13 zu § 45). Das Tatbild dieser Übertretung wird daher erfüllt, wenn und solange (fortgesetzte) Begehungshandlungen (fallbezogen etwa Gewinnungstätigkeiten) erfolgen. Unterbleiben weitere Begehungsakte, so beginnt die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 31 VStG mit dem Ende des letzten Begehungsaktes zu laufen (vgl. dazu im Allgemeinen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/04/0191), und zwar auch dann, wenn der durch die verpönte Tätigkeit geschaffene Zustand (noch) nicht beseitigt worden ist.
Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde kommt daher dem schon im Berufungsverfahren (Verhandlung) erstatteten Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, die Gewinnungstätigkeit im strittigen Bereich sei mehr als sechs Monate vor der ersten Verfolgungshandlung (vgl. § 32 VStG) eingestellt worden, entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Da die belangte Behörde die zur Beantwortung dieser strittigen Frage erforderlichen Feststellungen aufgrund ihres Rechtsirrtums nicht getroffen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid insofern als inhaltlich rechtswidrig.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am