Suchen Hilfe
VwGH vom 07.04.2011, 2008/22/0022

VwGH vom 07.04.2011, 2008/22/0022

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2008/22/0023

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2008/22/0025 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden 1. der A und 2. des M, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, Tür 28, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 317.907/4- III/4/07 und Zl. 317.907/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.572,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien, Staatsangehörige von Serbien, stellten am durch ihren Rechtsvertreter per Post beim Landeshauptmann von Wien Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zwecks Familienzusammenführung mit ihrem Vater, der in Österreich einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" hatte. Die Anträge wurden vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheiden vom gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurückgewiesen, weil die beschwerdeführenden Parteien über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügten.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die dagegen erhobenen Berufungen gemäß § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 NAG ab. Begründend führte sie - in beiden Bescheiden im Wesentlichen gleichlauten - aus, dass der Asylantrag der Mutter der beschwerdeführenden Parteien "mit Datum vom " sowie die Asylerstreckungsanträge der beschwerdeführenden Parteien "mit Datum vom " "zweitinstanzlich rechtskräftig negativ entschieden" worden seien. Der Vater der beschwerdeführenden Parteien verfüge über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG". Laut Amtsbestätigung des Bezirksgerichtes Leopoldstadt seien der Vater und die Mutter der beschwerdeführenden Parteien für diese obsorgepflichtig. Fest stehe, dass die Anträge durch den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien per Post gestellt worden seien, während diese sich im Inland aufgehalten hätten. Damit sei nicht dem Erfordernis der persönlichen Antragstellung gemäß § 19 Abs. 1 NAG entsprochen worden. Die beschwerdeführenden Parteien wären außerdem verpflichtet gewesen, den Antrag im Ausland einzubringen und die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Da sie illegal eingereist seien und sich seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Inland aufhielten, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung der Anträge entgegen. Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung dieser Bestimmung "auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen" und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, sei entbehrlich. Die Anträge sowie die Berufungen enthielten keine Behauptung humanitärer Gründe. Der Aufenthalt in Österreich als Asylwerber stelle keinen humanitären Grund dar. Der bloße Umstand, dass der Vater der beschwerdeführenden Parteien über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfüge, begründe nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Einreise der beschwerdeführenden Parteien offensichtlich illegal erfolgt sei und das Asylverfahren ihrer Mutter ebenfalls rechtskräftig negativ entschieden worden sei, hätten seitens der belangten Behörde keine humanitären Gründe im Sinne des § 72 NAG gesehen werden können. Die Berufungen seien daher gemäß § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 NAG abzuweisen gewesen.

Dagegen richten sich die vorliegenden, wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich schon deswegen als rechtswidrig, weil die belangte Behörde die ihr im Berufungsverfahren gesetzten Grenzen überschritten hat: Die Behörde erster Instanz hatte die von den beschwerdeführenden Parteien gestellten Anträge nämlich lediglich aus Formalgründen - wegen der von ihr konstatierten Unanwendbarkeit des NAG - zurückgewiesen. Demnach lagen ausschließlich verfahrensrechtliche Bescheide vor, mit denen eine Entscheidung in der Sache, d.h. in der Angelegenheit, die den Inhalt der Anträge bildete, abgelehnt wurde. Daher war die belangte Behörde als Berufungsbehörde lediglich befugt darüber zu entscheiden, ob die Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen war. Dies allein bildete den Gegenstand des Berufungsverfahrens. Da die belangte Behörde hingegen den von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Zurückweisungsgrund als nicht (mehr) gegeben ansah und in weiterer Folge ungeachtet des Gegenstandes des Berufungsverfahrens eine inhaltliche Entscheidung traf, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0453, mwN).

Soweit die belangte Behörde auch auf § 19 Abs. 1 NAG abgestellt hat, war dies im Übrigen deswegen verfehlt, weil in diesem Fall ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gewesen wäre (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0865, mwH).

Schließlich ist der belangten Behörde auch vorzuwerfen, dass sie im Zuge der auf § 21 Abs. 1 NAG gestützten Antragsabweisung nicht die gemäß § 74 in Verbindung mit § 72 NAG (in der Stammfassung) gebotene Interessenabwägung durchgeführt hat, bei der insbesondere zu prüfen gewesen wäre, ob den minderjährigen Kindern gegebenenfalls die Ausreise ohne ihren obsorgeberechtigten Vater zumutbar ist. Mit ihrer Ansicht, ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien im Hinblick auf Art. 8 EMRK sei entbehrlich, hat sie die Rechtslage verkannt.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen der vorrangig wahrzunehmenden Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-83780