VwGH vom 20.01.2010, 2006/13/0083
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28/6, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 125/05, betreffend Haftung nach § 7 und § 54 WAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der I. GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom der Konkurs eröffnet wurde.
Mit erstinstanzlichem Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 7 und 54 der Wiener Abgabenordnung (WAO) für den Rückstand an Dienstgeberabgabe und Kommunalsteuer der I. GmbH in der Höhe von EUR 20.422,25 für den Zeitraum Rest Jänner bis Oktober 2003 haftbar gemacht. In der Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung dazu keine Liquiditätsaufstellung zum Nachweis dafür, dass er den Abgabengläubiger nicht benachteiligt habe, vorgelegt.
Seine Berufung gegen diesen Bescheid begründete der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer wie folgt:
"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ich für schuldig erkannt, für die I. GmbH EUR 20.422,-- an offenen Steuern zahlen zu müssen.
An der Nichtentrichtung dieser Abgaben von Jänner bis Oktober 2003 trifft mich kein Verschulden und keine Haftung, weil einerseits die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten nicht ausreichen (gemeint wohl: ausreichten) und darüber hinaus die Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurde(n). Wie der Bescheid richtig anführt, hafte ich nicht für Abgaben, wenn die Mittel nicht ausreichen. Der Bescheid steht daher mit seinem Spruch in Widerspruch. Richtig ist, dass ich mit Schreiben vom aufgefordert wurde den Nachweis zu erbringen, dass Abgabengläubiger nicht benachteiligt wurden. Dieser Aufforderung konnte ich jedoch nicht nachkommen, weil über das Vermögen der I. GmbH der Konkurs eröffnet wurde.
Jedenfalls sind im Konkurs Forderungen in Höhe von EUR 1,070.000,-- angemeldet. Ein wesentlicher Grund für die Überschuldung des Unternehmens war, dass eine Buchhalterin Geldbeträge von sicherlich mehr als EUR 200.000,-- bis EUR 300.000,-- unterschlagen und an sich gebracht hat, wobei sie oftmals als Empfänger den richtigen Gläubiger auf dem Überweisungsschein einsetzte, dann aber ihr eigenes Konto, sodass zwar die Beträge abgebucht, aber den betreffenden Gläubigern nicht zugekommen sind. Es ist diesbezüglich ein Strafverfahren beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängig. Die Schadenshöhe ist derzeit noch nicht abschätzbar, doch dürfte sie auch namhafte Beträge, die an die MA 4 gezahlt werden soll(t)en, sich selbst zugeeignet haben.
Aus den genannten Gründen stelle ich den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Einstellung des Haftungsverfahrens."
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die Behörde erster Instanz die Berufung - abgesehen von einer Herabsetzung des Haftungsbetrages infolge anzurechnender Zahlungen - ab. In der Begründung dieser Entscheidung wurde u. a. ausgeführt, ein Geschäftsführer, der die steuerlichen Agenden an Dritte übertrage, müsse so oft Kontrollen vornehmen, dass ihm Steuerrückstände nicht verborgen blieben. Laut Aktenlage seien die Löhne und Gehälter im Haftungszeitraum ausbezahlt, die fälligen Abgaben jedoch nicht entrichtet worden. Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung keine Liquiditätsaufstellungen vorgelegt. Durch die bloße Mitteilung, wo sich bestimmte Buchhaltungsunterlagen befänden oder dass über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet worden sei, werde der qualifizierten Mitwirkungspflicht in Bezug auf den Nachweis der anteiligen Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht entsprochen.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Berufung an die Behörde zweiter Instanz, ohne weiteres Vorbringen zu erstatten.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid vom dahin gehend ab, dass der Rückstand an Kommunalsteuer EUR 19.398,67 und an Dienstgeberabgabe EUR 957,84 für den Zeitraum Rest Februar 2003 und Juni bis Oktober 2003 betrage. Im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab.
Letzteres begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer den Nachweis der anteiligen Begleichung aller Verbindlichkeiten nicht erbracht habe. Der Hinweis auf die Konkurseröffnung sei keine nachvollziehbare Begründung für das Unterbleiben einer Vorlage von Liquiditätsaufstellungen und mit der bloßen Behauptung einer anteiligen Verwendung der Mittel habe der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten nicht entsprochen. In Bezug auf die Betrauung einer Buchhalterin mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, darzutun, dass er alles ihm Zumutbare getan habe, um etwaige Versäumnisse dieser Person bei der Abgabenentrichtung festzustellen und die Rückstände unverzüglich zu begleichen. Das Vorbringen, die Buchhalterin habe Geldbeträge unterschlagen, die auch zur Abgabenentrichtung gedacht gewesen seien, führe die Berufung daher nicht zum Erfolg. Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung entspreche aus näher dargestellten Gründen auch den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, dass die Primärschuldnerin während des Haftungszeitraumes über keinerlei Mittel mehr verfügt habe oder dass keine Zahlungen an andere Gläubiger mehr erfolgt seien und der Abgabengläubiger aus diesem Grund nicht benachteiligt worden sei. Er hat behauptet, die insgesamt nicht ausreichenden Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet zu haben, dieses Vorbringen aber trotz Aufforderung dazu nicht durch Vorlage entsprechender Liquiditätsaufstellungen konkretisiert. Sowohl das Erfordernis einer solchen Konkretisierung als auch die Unzulänglichkeit des Hinweises auf die Konkurseröffnung wurden dem Beschwerdeführer in der Berufungsentscheidung vorgehalten, was den Beschwerdeführer aber nicht zu weiterem Vorbringen im Verwaltungsverfahren veranlasst hat.
In der Beschwerde wird das Unterbleiben der Vorlage von Liquiditätsaufstellungen nicht mehr mit dem Konkursverfahren begründet. Behauptet wird nun, "dass erst nach Anklageerhebung gegen die Mitarbeiterin und nach ihrer Verurteilung eine solche Liquiditätsaufstellung möglich gewesen ist", wozu in der Darstellung des Sachverhaltes ausgeführt wird, die ehemalige Mitarbeiterin sei "letztlich am vom Oberlandesgericht Wien" zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Darüber hinaus wird vorgebracht, der Abgabenbehörde sei aus dem Konkursverfahren bekannt gewesen, "dass rund 44 Arbeiter ihre offenen Löhne geltend machen". Die "Anführung von offenen Lohnforderungen" habe der Beschwerdeführer daher nicht unter Beweis stellen müssen. Aus "hiemit vorgelegten Aufzeichnungen des Steuerberaters" sei "ersichtlich, dass nur etwa 50 % von offenen Abgaben beglichen werden konnten und dass infolge Pfändung von Forderungen gegenüber Auftraggebern nicht auch 50 % der offenen Dienstgeberabgabe und Kommunalsteuer entrichtet werden konnten". Der Beschwerdeführer sei zwar aufgefordert worden, "eine Liquiditätsaufstellung vorzulegen, nicht aber darzulegen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde anzuführen gewesen wäre". Nach der Anklageerhebung hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer "neuerlich auffordern können und müssen, eine solche Liquiditätsaufstellung vorzulegen, was mir im Gegensatz zum Verfahren 1. Instanz möglich gewesen wäre, sodass das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet."
Schließlich wird in der Beschwerde noch geltend gemacht, der Abgabenbehörde sei bekannt gewesen, dass die steuerlichen Belange der I. GmbH von einer Steuerberatungskanzlei wahrgenommen worden seien und auch dieser "die Malversationen" nicht aufgefallen seien oder hätten auffallen können. Nur durch einen Zufall seien sie entdeckt worden. "Aus all diesen Gründen" hätte die belangte Behörde "zum Schluss kommen müssen, dass mich kein Verschulden daran trifft, dass die Abgaben nicht fristgerecht entrichtet worden sind".
Ob dieses Vorbringen schlüssig ist und konkret genug gewesen wäre, um im Verwaltungsverfahren eine Pflicht der Behörden zu weiteren Ermittlungen auszulösen, bedarf im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot keiner Erörterung. Das Vorbringen enthält nämlich keine nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb der Beschwerdeführer sein oben wiedergegebenes Berufungsvorbringen im Verwaltungsverfahren auch nach Zugang der Berufungsvorentscheidung (vgl. zu deren Wirkung als Vorhalt zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2007/13/0005, 0006, 0007) in keiner Weise zu konkretisieren versuchte. Mit Rücksicht auf die qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht des Vertreters in Verfahren der vorliegenden Art (vgl. auch dazu das soeben genannte Erkenntnis m. w.N.) war die Beschwerde schon deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am