VwGH vom 30.01.2020, Ra 2019/16/0205
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der A Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch die Keppert, Hallas & Partner Wirtschaftsprüfung- und Steuerberatung GmbH & Co KG in 1060 Wien, Theobaldgasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7104207/2019, betreffend Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug gemäß § 29 Abs. 6 FinStrG eine Abgabenerhöhung zur Umsatzsteuer für Februar, März, April, Mai, Juni, August und Oktober 2018 im Gesamtbetrag von 8.616,98 € fest und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2Das Bundesfinanzgericht stellte fest, am habe die Prüferin des Finanzamtes um 14:15 Uhr mit dem Sekretariat der Vertreterin der revisionswerbenden Gesellschaft (Revisionswerberin) telefoniert und in Erfahrung gebracht, dass Mag. G., „(offenbar die für die Bf. zuständige Mitarbeiterin der Kanzlei)“, bis nicht anwesend gewesen sei. In der Folge sei um 14:24 Uhr dieses Tages ein Mail der Prüferin an Mag. G. mit einer „Anmeldung zur Umsatzsteuersonderprüfung bei der Bf für 1 bis 11/2018 und dem Ersuchen um Kontaktaufnahme zur Terminvereinbarung“ ergangen. Mag. G. habe das Mail ihrerseits mit Mail vom , 17:30 Uhr, beantwortet, wonach sie an diesem Tag die Prüferin nicht habe erreichen können, sie erst am Freitag der nächsten Woche wieder im Büro sei und sich dann bezüglich eines Termins nächste Woche melden werde. Am , 9:49 Uhr, habe die Prüferin erneut an Mag. G. eine Anfrage geschrieben, ob allenfalls ein Termin am möglich sei. Zum bestünden zwei handschriftliche Aktenvermerke, wonach die Prüferin um 10:22 Uhr mit Mag. G. gesprochen habe und worin aufscheine: „Belegsammlung liegt auf, Monate wurden eingebucht, Nichtabgabe UVAs liegt am Unternehmen, übermitteln Belege/Buchhaltung nicht an Steuerberater, leisten Vz nach Schätzung“. Der zweite Aktenvermerk zum Telefonat vom enthalte den Text: „UVA´s wurden oder werden via FON am eingereicht.“
3Am sei mittels Fax Selbstanzeige für die Revisionswerberin sowie zwei namentlich genannte natürliche Personen erstattet worden.
4Rechtlich hielt das Bundesfinanzgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Bedeutung - fest, dass im Revisionsfall eine Anmeldung oder sonstige Bekanntgabe im Sinn des § 29 Abs. 6 FinStrG vorliege. Zwar erfülle das Mail vom nicht die Kriterien für eine Anmeldung oder Ankündigung einer Prüfungsmaßnahme und es sei den Aufzeichnungen der Prüferin auch nicht zu entnehmen, ob sie am in ihrem Telefonat lediglich nach der zuständigen Sachbearbeiterin für die Revisionswerberin gefragt habe oder bereits eine Prüfungsmaßnahme angekündigt habe. Erst die telefonische Anmeldung am habe bewirkt, dass die Selbstanzeige anlässlich einer Prüfungsmaßnahme nach deren Anmeldung erstattet worden sei. Nach Ausführungen zur „sonstigen Bekanntgabe“ im Sinn des § 29 Abs. 6 FinStrG schloss das Bundesfinanzgericht, die Rechtsfrage, ob eine sonstige Bekanntgabe auch mittels Mail rechtswirksam erfolgen könne, sei zwar offen, im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entscheidungsrelevant, weil das alternativ zu prüfende Kriterium der Anmeldung erfüllt worden sei.
5Im Übrigen begründete das Bundesfinanzgericht, weshalb die sonstigen Voraussetzungen des § 29 FinStrG für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige im Revisionsfall gegeben seien und wie es zur Höhe der vorgeschriebenen Abgabenerhöhung gelangt sei.
6Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
7Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht auf Erstattung einer „zuschlagsfreien Selbstanzeige ohne Vorschreibung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG verletzt“.
8Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11Die Revisionsweberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision zusammengefasst vor, eine Prüfungsankündigung per Telefon könne keine Rechtswirkungen entfalten, ebenso wenig eine Prüfungsanmeldung per E-Mail. Zur Auslegung der Wortfolge „Anmeldung oder sonstige Bekanntgabe“ in § 29 Abs. 6 FinStrG und ob darunter auch telefonische oder per E-Mail erfolgte Ankündigungen fielen, bestünde keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
12Die Revision ist zulässig.
13Wer sich eines Finanzvergehens schuldig macht, wird gemäß § 29 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) insoweit straffrei, als er seine Verfehlung darlegt (Selbstanzeige). Dazu sehen § 29 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG näher geregelte Voraussetzungen für den Eintritt der Straffreiheit vor und normiert § 29 Abs. 3 leg. cit., in welchen Fällen Straffreiheit nicht eintritt.
14§ 29 Abs. 6 FinStrG lautet:
„(6) Werden Selbstanzeigen anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet, tritt strafbefreiende Wirkung hinsichtlich vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Finanzvergehen nur unter der weiteren Voraussetzung insoweit ein, als auch eine mit einem Bescheid der Abgabenbehörde festzusetzende Abgabenerhöhung unter sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 entrichtet wird. Die Abgabenerhöhung beträgt 5 % ..... Insoweit Straffreiheit nicht eintritt, entfällt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenerhöhung, dennoch entrichtete Beträge sind gutzuschreiben. Die Abgabenerhöhung gilt als Nebenanspruch im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. a BAO.“
15Gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG gelten für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen, soweit das FinStrG nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des dritten Abschnittes sowie § 114 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung sinngemäß. Für Zustellungen gelten gemäß § 56 Abs. 3 FinStrG das Zustellgesetz und sinngemäß die Bestimmungen des dritten Abschnittes der Bundesabgabenordnung.
16Die Bestimmung des § 29 Abs. 6 FinStrG, welche für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe die Entrichtung einer Abgabenerhöhung vorsieht, wurde durch die Finanzstrafgesetznovelle 2014, BGBl. I Nr. 65/2014, eingeführt. Die Materialien (ErlRV 177 BlgNR 25. GP, 1) halten dazu fest:
„Es erscheint nicht gerechtfertigt, Selbstanzeigen, die zu einem Zeitpunkt erstattet werden, in dem bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung gerechnet werden muss, ohne zusätzliche Leistung strafbefreiende Wirkung zukommen zu lassen. Daher soll Selbstanzeigen, die anlässlich von finanzbehördlichen Nachschauen, Beschauen, Abfertigungen oder Prüfungen von Büchern oder Aufzeichnungen erstattet werden, die strafbefreiende Wirkung nur mehr bei Entrichtung eines Zuschlages der verkürzten Abgaben zuzuerkennen. ..... Eine Selbstanzeige wird jedenfalls dann als anlässlich einer solchen Amtshandlung erstattet, wenn diese bereits angekündigt war oder sonst bekanntgegeben worden ist. .....
17Die Revisionswerberin vertritt zusammengefasst die Ansicht, zur Auslegung des Begriffes der Anmeldung in § 29 Abs. 6 FinStrG seien nach § 56 Abs. 2 leg. cit. die Vorschriften der BAO und des Zustellgesetzes heranzuziehen. Daher habe eine Anmeldung oder sonstige Bekanntgabe nach den Vorschriften des § 97 Zustellgesetz zu erfolgen. Fernmündliche Mitteilungen und Mitteilungen per E-Mail seien davon nicht umfasst.
18Zutreffend weist die Revisionswerberin darauf hin, dass § 148 Abs. 5 BAO von der Ankündigung einer Außenprüfung spricht, während in § 29 Abs. 6 FinStrG von der Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe gesprochen wird.
19Es kann im Revisionsfall daher dahingestellt bleiben, ob eine telefonische Ankündigung einer Außenprüfung dem Erfordernis des § 148 Abs. 5 BAO Genüge tut (bejahend etwa Stoll, BAO Band 2, Seite 1644, und Brandl/Leitner in Brandl/Leitner/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4, Rz 855).
20Der Begriff der Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe in § 29 Abs. 6 FinStrG ist ein eigener Begriff des Finanzstrafgesetzes und nach dem Gesetzeszweck, wie er in den zitierten Materialien zum Ausdruck kommt, auszulegen (vgl. auch , und ; sowie Plückhahn, in Schrottmeyer, Selbstanzeige nach § 29 FinStrG3 (2016), Rz 1536). Er beschränkt sich nicht auf Selbstanzeigen anlässlich einer Außenprüfung im Sinn der BAO, sondern betrifft etwa auch Selbstanzeigen anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau (§§ 145 f BAO und § 24 Zollrechts-Durchführungsgesetz [ZollR-DG]), anlässlich einer Beschau (Art. 188 Buchstabe c der Verordnung Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom , [UZK]; vgl. auch§ 101 Abs. 4 ZollR-DG) oder anlässlich einer Abfertigung (§ 4 Abs. 2 Z 1 ZollR-DG).
21Bei der Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe iSd § 29 Abs. 6 FinStrG handelt es sich nicht um eine Erledigung im Sinn des § 92 BAO mit den Wirksamkeitsvorschriften des § 97 leg. cit. (zum Eintritt der Wirksamkeit beim Prüfungsauftrag siehe ), sondern um tatsächliche Vorgänge, auf Grund derer der Selbstanzeiger oder die Person, für die Selbstanzeige erstattet wird, in Kenntnis und bei Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung rechnen müsste. Mithin kommt es dabei darauf an, dass diese Person Kenntnis von einer bevorstehenden, in § 29 Abs. 6 FinStrG genannten Maßnahme haben muss, welche einen Anlass zur Selbstanzeige bietet (zur Auslegung des Begriffes „anlässlich“ vgl. abermals ).
22Die Ankündigung einer Außenprüfung iSd § 148 Abs. 5 BAO stellt jedenfalls eine „Anmeldung“ einer in § 29 Abs. 6 FinStrG genannten Maßnahme dar und wird der Außenprüfung entsprechend zeitlich vorgelagert gesetzt. Eine „sonstige Bekanntgabe“ wäre beispielsweise dann gegeben, wenn die Maßnahme unmittelbar bevorsteht und der Betroffene davon in Kenntnis gesetzt wird, im Fall einer Außenprüfung etwa, wenn aus den Gründen des § 148 Abs. 5 BAO von einer Ankündigung abgesehen werden kann oder wenn eine Außenprüfung nach § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführt werden soll, für welche die Vorschrift des § 148 Abs. 5 BAO nicht gilt.
23Das Erfordernis der Entrichtung einer Abgabenerhöhung als Voraussetzung für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige davon abhängig zu machen, dass der Selbstanzeiger oder die Person, für welche eine Selbstanzeige erstattet wird, die Kenntnis in einer bestimmten Form erlangt hätte und damit die Fälle einer anderen als schriftlichen oder mündlichen Mitteilung gleichsam zu privilegieren, würde nicht nur dem Zweck des Gesetzes widersprechen, sondern erschiene dem Verwaltungsgerichtshof auch unsachlich.
24Entscheidend ist somit, ob der Selbstanzeiger oder die Person, für die Selbstanzeige erstattet wird, oder ein Vertreter einer dieser Personen auf Grund einer als „Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe“ bezeichenbaren Tätigkeit der Behörde - ohne dass es auf die Kriterien des § 97 BAO für die Wirksamkeit einer Erledigung ankäme - tatsächlich Kenntnis davon erlangt hat, dass eine in § 29 Abs. 6 FinStrG erwähnte Maßnahme stattfinden werde, und daher mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Tatentdeckung gerechnet werden muss.
25Ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen des Bundesfinanzgerichtes, die insoweit von der Revisionswerberin nicht bekämpft werden, durfte das Bundesfinanzgericht davon ausgehen, dass die Vertreterin der Revisionswerberin jedenfalls nach dem Telefonat vom diese Kenntnis hatte und daher die (der Aktenlage nach am beginnende) Außenprüfung im Sinn des § 29 Abs. 6 FinStrG angemeldet oder sonst bekanntgegeben war.
26Die Berechnung der Höhe der vorgeschriebenen Abgabenerhöhung bekämpft die Revisionswerberin nicht.
27Da somit der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die von der Revisionswerberin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160205.L00 |
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