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VwGH 06.12.2019, Ra 2019/16/0201

VwGH 06.12.2019, Ra 2019/16/0201

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
BAO §198
BAO §92
VwRallg
RS 1
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der hier maßgeblichen Rechtslage nach dem Stmk. Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71 in der Fassung LGBl. Nr. 28/2005, festgestellt hat, ändert auch § 8 Abs. 3 Stmk. KanalAbgG 1955 nichts daran, dass nach einer einmal erfolgten rechtskräftigen Festsetzung einer Abgabe die Abgabenbehörde nicht für denselben, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum eine neuerliche Festsetzung der Abgabe vornehmen darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0088). Der Grundsatz "ne bis in idem" ist von den Abgabenbehörden zudem nicht erst nach Rechtskraft einer Abgabenvorschreibung zu beachten, sondern die Abgabenbehörde ist auch bereits vor Rechtskraft einer Vorschreibung gehindert, für denselben Zeitraum eine neuerliche Vorschreibung vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0028).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/17/0010 E RS 1 (hier nur der letzte Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der R GmbH & Co KG, vertreten durch Mag. Christian Dillersberger und Dr. Karin Bronauer, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Maderspergerstraße 8, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2017/36/0329-1, betreffend Kanalanschlussgebühr (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Kaltenbach; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 30 Abs. 2 VwGG auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

2 Die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils aus einer Verpflichtung zu einer Geldleistung ist vom Antragsteller durch ziffernmäßige Angaben über seine Wirtschaftsverhältnisse zu konkretisieren (vgl. schon den Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , VwSlg 10.381/A, und etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2015/16/0127). 3 Die revisionswerbende Gesellschaft bringt in ihrem Antrag lediglich vor, nach einer derart langen Untätigkeit der belangten Behörde und aufgrund der bereits erfolgten Zahlung eines hohen Teilbetrages stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine öffentlichen Interessen entgegen.

4 Der Antrag enthält aber keine konkreten Aussagen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, somit keine derart bestimmten Angaben, dass auf das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils geschlossen werden könnte. 5 Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr.Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der R GmbH & Co KG in R, vertreten durch die Dillersberger & Bronauer Rechtsanwaltsgemeinschaft in 6330 Kufstein, Maderspergerstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG-2017/36/0329-1, betreffend Kanalanschlussgebühr (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Kaltenbach), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Kaltenbach hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Gemeinde Kaltenbach der revisionswerbenden Kommanditgesellschaft (Revisionswerberin) eine Kanalanschlussgebühr von 32.870,05 € für den Anschluss eines mit Baubescheid vom , Zl. xxx, genehmigten Zubaus an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage vor.

2 In einem Schriftsatz vom brachte die Revisionswerberin dazu vor, die in den Einreichunterlagen eingetragenen Sanitäreinheiten seien nicht ausgeführt worden, weshalb keine Abwässer aus dem Neubaubereich in den Kanal eingeleitet würden. Da der Neubau zudem außerhalb des Anschlussbereichs gemäß Kanalordnung liege, ersuche die Revisionswerberin, von der vorgeschriebenen Kanalanschlussgebühr abzusehen.

3 Der Bürgermeister der Gemeinde Kaltenbach erläuterte der Revisionswerberin in einem Schreiben vom den Grund für die Gebührenvorschreibung: „Aufgrund dieser Erwägungen war die Kanalanschlussgebühr vorzuschreiben und kann von der Einhebung der Kanalanschlussgebühr nicht abgesehen werden.“

4 Im Februar 2016 entrichtete die Revisionswerberin den Betrag von 10.956,68 €, nachdem sie mit einer „Rechnungs-Änderungsanzeige“ vom auf eine Vereinbarung mit dem Bürgermeister vom hingewiesen hatte, wonach sich der „Rechnungsbetrag“ aus dem Abgabenbescheid vom geändert habe.

5 Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Gemeinde Kaltenbach der Revisionswerberin eine Kanalanschlussgebühr von 21.913,37 € für den Anschluss des mit Baubescheid vom , Zl. xxx, genehmigten Zubaus an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage vor.

6 Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom Beschwerde gegen den Bescheid vom . Im Zuge einer Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der Revisionswerberin mit dem Bürgermeister sei vom Bürgermeister ein mündlicher Bescheid erlassen worden, mit welchem die Beschwerdeführerin verpflichtet worden sei, einen Betrag von 10.956,68 € zu bezahlen. Dieser vorgeschriebene Betrag sei am überwiesen worden. Der bekämpfte Bescheid vom  mit derselben Aktenzahl xxx sei unzulässig, weil es sich um eine entschiedene Rechtssache handle.

7 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies der Bürgermeister der Gemeinde Kaltenbach die Beschwerde als unbegründet ab, wogegen die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag einbrachte.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom als unbegründet ab und setzte die Kanalanschlussgebühr mit 32.870,05 € fest. Es sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

9 Die Eingabe der Revisionswerberin vom sei aus näher erläuternden Gründen als Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Kaltenbach vom anzusehen. Eine gesetzlich erforderliche Beschwerdevorentscheidung sei bislang unterblieben. Ein im Übrigen nicht zulässiger mündlicher Bescheid sei bei der Besprechung mit dem Bürgermeister am nicht erlassen worden. Das Schreiben des Bürgermeisters vom sei aus näher dargelegten Erwägungen nicht als Bescheid, sohin auch nicht als Beschwerdevorentscheidung zu qualifizieren.

10 Entschiedene Sache liege nicht vor, weil der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Kaltenbach vom nicht in Rechtskraft erwachsen sei.

11 Nach näherer Begründung der Höhe des Kanalanschlussbeitrages wies das Landesverwaltungsgericht darauf hin, dass der gesamte Abgabenbetrag, nicht bloß ein nicht entrichteter Restbetrag festzusetzen sei. Zu bezahlen sei allerdings lediglich der noch nicht geleistete Betrag („Restsumme“).

12 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten dem Verwaltungsgerichtshof vor.

13 Die Revisionswerberin erachtete sich u.a. im Recht verletzt, dass in einer bereits entschiedenen Sache nicht nochmals entschieden werde, dass sie für eine nicht benützte Gemeindeeinrichtung (Gemeindekanal) keine Gebühren bezahlen müsse und dass ihr Kanalanschlussgebühren nur aufgrund einer festgestellten Anschlussverpflichtung vorgeschrieben werden.

14 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); mit Schriftsatz der Tiroler Landesregierung vom und mit Schriftsatz der belangten Behörde vom wurde jeweils eine Revisionsbeantwortung eingereicht.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

16 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18 Die Revisionswerberin wirft zur Zulässigkeit ihrer Revision u.a. die Frage auf, ob bis zur Entscheidung über eine Beschwerde bei gleichem Sachverhalt der gleiche Bescheid erlassen werden könne.

19 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

20 Das Landesverwaltungsgericht stützt sich für die Zulässigkeit des vor ihm bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Kaltenbach vom darauf, dass der dieselbe Sache betreffende Bescheid des Bürgermeisters vom nicht in Rechtskraft erwachsen sei, weil aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde noch eine Beschwerdevorentscheidung zu ergehen haben werde.

21 Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ von den Abgabenbehörden nicht erst nach Rechtskraft einer Abgabenvorschreibung zu beachten ist, sondern die Abgabenbehörde im Falle einer im Rechtsbestand befindlichen Abgabenvorschreibung auch bereits vor deren formellen Rechtskraft gehindert ist, für denselben Tatbestand (zB für denselben Zeitraum) eine neuerliche Vorschreibung vorzunehmen (vgl. etwa , betreffend eine Kanalbenützungsgebühr; und , mwN, betreffend einen Kostenbeitrag für Aufschließungsmaßnahmen).

22 Da an der Wirksamkeit des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Kaltenbach vom keine Zweifel bestanden, war es der Abgabenbehörde und dem Landesverwaltungsgericht im Instanzenzug (Beschwerde gegen den Bescheid vom ) verwehrt, in derselben Sache der Kanalanschlussgebühr für den Anschluss desselben Zubaus diese Abgabe festzusetzen und vorzuschreiben.

23 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

24 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160201.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAE-83749