VwGH vom 26.09.2013, 2013/11/0101
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des J S in O, vertreten durch Dr. Michael Barnay, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Arlbergstraße 139, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-411-016/E1-2013, betreffend Nachschulung im Vormerksystem (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftiger Strafverfügung der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, vom wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Übertretung des § 99 Abs. 2c Z. 4 iVm. § 18 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt, weil er als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeugs am an einer näher bezeichneten Stelle auf der A 14 den erforderlichen Abstand zu dem vor ihm fahrenden Kraftfahrzeug nicht eingehalten habe.
Mit einer weiteren rechtkräftigen Strafverfügung der Erstbehörde, vom , wurde der Beschwerdeführer u. a. der Begehung zweier Übertretungen des § 102 Abs. 1 KFG 1967 schuldig erkannt, weil er sich am als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges vor Fahrtantritt insofern nicht davon überzeugt habe, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG 1967 entspreche, als beim verwendeten Anhänger 1.) das Cellon der Schlussleuchte links und rechts gebrochen gewesen und daher bei Betrieb weißes Licht nach hinten ausgestrahlt worden sei und 2.) der Reifen links der ersten Achse eine Beschädigung aufgewiesen habe (das Seitenband sei bis zum Gewebe beschädigt gewesen, das Gewebe bereits rostig gewesen).
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg (UVS) vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Absolvierung einer verkehrspsychologischen Nachschulung innerhalb einer Frist von drei Monaten angeordnet. Als Rechtsgrundlagen waren § 30a und § 30b FSG, § 13f Abs. 1 Z. 1 der Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung (FSG-DV) und § 4a der Nachschulungsverordnung (FSG-NV) angegeben.
Begründend führte der UVS im Wesentlichen aus, bei den beiden erwähnten Übertretungen handle es sich um Vormerkdelikte, die im Vormerksystem nach § 30a FSG vorzumerken gewesen seien. Für die Übertretungen des § 102 Abs. 1 KFG 1967 ergebe sich das daraus, dass im Beschwerdefall jedenfalls die in § 30a Abs. 2 Z. 12 FSG geforderte Gefährdung der Verkehrssicherheit vorgelegen habe. Da die Vormerkdelikte innerhalb von zwei Jahren begangen worden seien, sei die besondere Maßnahme anzuordnen, wobei für die Behörde kein Ermessensspielraum bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1.1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"6. Abschnitt
Vormerksystem - Maßnahmen gegen Risikolenker
Vormerksystem
§ 30a. (1) Hat ein Kraftfahrzeuglenker eines der in Abs. 2 angeführten Delikte begangen, so ist unabhängig von einer verhängten Verwaltungsstrafe, einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung oder sonstiger angeordneter Maßnahmen eine Vormerkung im Örtlichen Führerscheinregister einzutragen. Die Vormerkung ist auch dann einzutragen, wenn das in Abs. 2 genannte Delikt den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht. Für die Vornahme der Eintragung ist die Rechtskraft des gerichtlichen oder des Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten. Die Eintragung der Vormerkung ist von der das Verwaltungsstrafverfahren führenden Behörde, im Fall einer gerichtlichen Verurteilung von der Behörde des Hauptwohnsitzes vorzunehmen und gilt ab dem Zeitpunkt der Deliktsetzung. Der Lenker ist über die Eintragung und den sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen durch einen Hinweis im erstinstanzlichen Strafbescheid zu informieren.
(2) Folgende Delikte sind gemäß Abs. 1 vorzumerken:
…
5. Übertretungen des § 18 Abs. 1 StVO, sofern die Übertretung mit technischen Messgeräten festgestellt wurde und der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr aber weniger als 0,4 Sekunden betragen hat;
…
12. Übertretungen des § 102 Abs. 1 KFG 1967 oder des § 13 Abs. 2 Z 3 Gefahrgutbeförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 145/1998 idF BGBl. I Nr. 63/2007, wenn ein Fahrzeug gelenkt oder ein Anhänger gezogen wird, dessen technischer Zustand oder dessen nicht entsprechend gesicherte Beladung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt, sofern die technischen Mängel oder die nicht entsprechend gesicherte Beladung dem Lenker vor Fahrtantritt auffallen hätten müssen;
…
(3) Werden zwei oder mehrere der in Abs. 2 angeführten Delikte in Tateinheit begangen, so zählt die Eintragung in das Örtliche Führerscheinregister als eine Vormerkung.
(4) Die in den § 7 Abs. 3 Z 14 oder 15, § 25 Abs. 3 zweiter Satz oder § 30b genannten Rechtsfolgen treten nur dann ein, wenn die die jeweiligen Rechtsfolgen auslösenden Delikte innerhalb von zwei Jahren begangen wurden. Wurde innerhalb dieses zweijährigen Zeitraumes ein zweites Vormerkdelikt begangen, so verlängert sich der Zeitraum auf drei Jahre. Wurde eine Entziehung gemäß § 7 Abs. 3 Z 14 oder 15 ausgesprochen oder die Entziehungsdauer gemäß § 25 Abs. 3 zweiter Satz verlängert, so sind die dieser Entziehung zugrunde liegenden Vormerkungen künftig nicht mehr zu berücksichtigen. Wurde die Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer der in § 7 Abs. 3 genannten bestimmten Tatsache ausgesprochen, so sind später eingetragene Vormerkungen aufgrund von Delikten, die vor dem Zeitpunkt der Entziehung der Lenkberechtigung begangen wurden, hinsichtlich der Rechtsfolgen des § 25 Abs. 3 zweiter Satz oder hinsichtlich der sonstigen Entziehungsdauer nicht mehr zu berücksichtigen.
…
Besondere Maßnahmen
§ 30b. (1) Unbeschadet einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung ist eine besondere Maßnahme gemäß Abs. 3 anzuordnen:
1. wenn zwei oder mehrere der im § 30a Abs. 2 genannten Delikte in Tateinheit (§ 30a Abs. 3) begangen werden oder
2. anlässlich einer zweiten zu berücksichtigenden Vormerkung (§ 30a Abs. 4) wegen eines der in § 30a Abs. 2 genannten Delikte, sofern wegen des ersten Deliktes nicht bereits eine Maßnahme gemäß
Z 1 angeordnet wurde.
(2) Von der Anordnung einer besonderen Maßnahme ist jedoch Abstand zu nehmen, wenn
1. die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Z 14 oder 15 vorliegen oder
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2. | eine Nachschulung gemäß § 4 Abs. 3 angeordnet wird oder |
3. | eine begleitende Maßnahme gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet wird. |
(3) Als besondere Maßnahmen kommen die Teilnahme an
1. Nachschulungen gemäß der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über verkehrspsychologische Nachschulungen (Nachschulungsverordnung - FSG-NV), BGBl. II Nr. 357/2002,
…
in Betracht. Die zu absolvierende Maßnahme ist von der Behörde festzusetzen, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Maßnahme geeignet ist, im Wesentlichen den Unrechtsgehalt der gesetzten Delikte aufzuarbeiten. Es ist jene Maßnahme zu wählen, die für den Betroffenen am besten geeignet ist, sich mit seinem Fehlverhalten auseinanderzusetzen, sich die Gefahren im Straßenverkehr bewusst zu machen und durch entsprechende Bewusstseinsbildung, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer unfallvermeidenden defensiven Fahrweise und die fahrphysikalischen Grenzen beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, einen Rückfall in weitere Verkehrsverstöße zu vermeiden.
(4) Der von der Anordnung der besonderen Maßnahme Betroffene hat der Behörde eine Bestätigung jener Einrichtung, bei der die besondere Maßnahme absolviert wurde, über die Teilnahme und seine Mitarbeit vorzulegen.
(5) Wurde die Anordnung der Teilnahme an besonderen Maßnahmen gemäß Abs. 1 innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist nicht befolgt oder bei diesen Maßnahmen die Mitarbeit unterlassen, so ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
…"
1.1.2. Die in § 30a Abs. 2 Z. 12 FSG enthaltene Wortfolge "oder ein Anhänger gezogen" wurde mit der 14. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 61/2011, eingefügt. Damit sollte, wie die Materialien (RV 1203 Blg NR 24. GP) ausführen, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2009/11/0087, "begegnet werden".
1.2. § 102 Abs. 2 KFG 1967 idF. der Novelle BGBl. I Nr. 43/2013 lautet (auszugsweise):
"§ 102. Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers
(1) Der Kraftfahrzeuglenker darf ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen; die Überprüfung der Wirksamkeit der Vorrichtungen zum Abgeben von akustischen Warnzeichen darf jedoch nur erfolgen, sofern nicht ein Verbot gemäß § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 besteht. Berufskraftfahrer haben bei Lastkraftwagen, Sattelzugfahrzeugen, Omnibussen oder Anhängern unverzüglich den Zulassungsbesitzer nachweisbar zu verständigen, wenn das Fahrzeug diesen Vorschriften nicht entspricht.
…"
1.3. Die FSG-DV lautet (auszugsweise):
"Anordnung besonderer Maßnahmen
§ 13f. (1) Für die in § 30a Abs. 2 FSG genannten Delikte sind von der Behörde besondere Maßnahmen wie folgt anzuordnen:
1. bei Delikten gemäß § 30a Abs. 2 Z 1, 2, 3 und 5 FSG eine Nachschulung gemäß § 4a FSG-NV;
…"
1.4. § 4a FSG-NV lautet:
"Nachschulungen im Rahmen des Vormerksystems
§ 4a. Dieser Kurstyp ist von Personen zu absolvieren, denen von der Behörde gemäß § 30b FSG eine Nachschulung im Rahmen des Vormerksystems angeordnet wurde. Im Rahmen dieses Kurstyps sind die Ursachen, die zur Anordnung dieser Maßnahme geführt haben, zu erörtern, wobei im Rahmen dieser Nachschulung sowohl Inhalte der in § 2 als auch § 3 genannten Kurstypen in entsprechendem Umfang aufzuarbeiten sind."
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.1. Die Feststellungen der belangten Behörde zu den beiden (rechtskräftigen bestraften) Verwaltungsübertretungen vom und vom bleiben in der Beschwerde unbestritten.
2.2.1. Soweit die Beschwerde vorbringt, § 30a Abs. 2 Z. 12 FSG erkläre nicht schlechthin alle Übertretungen des § 102 Abs. 1 KFG 1967 zu Vormerkdelikten, sondern verlange zusätzlich, dass ein Fahrzeug gelenkt worden sei, worunter nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2009/11/0087, das Ziehen eines Anhängers nicht zähle, genügt der Hinweis, dass seit dem erwähnten hg. Erkenntnis, wie oben unter Pkt. 1.1. dargestellt, die Rechtslage - und zwar in Antwort auf das erwähnte hg. Erkenntnis - geändert wurde. § 30a Abs. 2 Z. 12 FSG erfasst seitdem auch die Begehung einer Übertretung gemäß § 102 Abs. 1 KFG 1967, wenn ein Anhänger gezogen wird. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, die beiden Übertretungen gemäß § 102 Abs. 1 KFG 1967 seien gemäß § 30 Abs. 2 Z. 12 KFG 1967 vorzumerken, ist daher nicht zu beanstanden.
2.2.2. Soweit die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer sei deutscher Staatsbürger und habe seinen Hauptwohnsitz in Deutschland, weshalb es für ihn unzumutbar wäre, "unzählige Male zu einer Nachschulung nach Österreich anzureisen", zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ebenfalls nicht auf.
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt, gehen die Bestimmungen des FSG über ein Vormerksystem auf die 7. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 15/2005, zurück. Noch der Ministerialentwurf sah für § 30b Abs. 2 eine Ausnahme von der Anordnung einer besonderen Maßnahme vor, wenn "der Hauptwohnsitz des Betroffenen nicht in Österreich liegt". Diese ursprünglich vorgesehene Ausnahme wurde bereits in die Regierungsvorlage (794 Blg NR 22. GP) nicht mehr aufgenommen. Da der Wortlaut des § 30b Abs. 2 FSG zweifelsfrei nicht auf den Hauptwohnsitz des Betroffenen abstellt und für die Annahme eines Redaktionsversehens kein Hinweis besteht, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Rechtsauffassung vertrat, dass ein Hauptwohnsitz außerhalb Österreichs - im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer diesbezüglich keine konkrete Behauptung aufgestellt - der Anordnung einer besonderen Maßnahme nach § 30b Abs. 1 FSG nicht entgegensteht (vgl. in diesem Sinne auch Grundtner/Pürstl , FSG5 (2013) § 30b (Anm 3)).
Dagegen kann auch nicht das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/11/0258, ins Treffen geführt werden, weil dieses eine andere Rechtsfrage betraf.
Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz nahe der österreichischen Grenze hat, kann auch die Festsetzung einer dreimonatigen Frist (ab Rechtskraft des angefochtenen Bescheides) für die Absolvierung der angeordneten Nachschulung nicht als rechtswidrig erkannt werden.
2.3. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-83727