VwGH vom 23.05.2013, 2013/11/0099
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des M H in R, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 390369/3-III/7/b/13, betreffend Ruhen des Rechts zur Abgabe einer Zivildiensterklärung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde ergibt sich Folgendes:
Mit Beschluss der Stellungskommission Steiermark vom wurde der Beschwerdeführer für tauglich befunden.
Mit Einberufungsbefehl des Militärkommandos Burgenland vom wurde der Beschwerdeführer für den zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen. Dieser Einberufungsbefehl wurde mit Bescheid des Militärkommandos Burgenland vom gemäß § 68 Abs. 2 AVG dahin abgeändert, dass die Einberufung für den erfolgte.
"Hieraufhin" - so die Beschwerde - gab der Beschwerdeführer am eine Zivildiensterklärung ab.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom stellte die Bundesministerin für Inneres fest, dass das Recht des Beschwerdeführers zur Abgabe einer Zivildiensterklärung zum Zeitpunkt der Abgabe derselben gemäß § 5a Abs. 1 Z. 3 iVm. § 1 Abs. 2 zweiter Satz des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG) infolge Ruhens dieses Rechts ausgeschlossen gewesen sei.
Begründend wurde ausgeführt, es treffe zwar zu, dass ein auf § 68 Abs. 2 AVG gestützter Bescheid, mit dem ein Einberufungsbefehl in Ansehung der Zeit und des Ortes des Antrittes des Präsenzdienstes geändert wird, als Einberufungsbefehl zu qualifizieren sei, der an die Stelle des früher ergangenen Einberufungsbefehles tritt und dessen Ausscheiden aus dem Rechtsbestand bewirkt. Da jedoch der Einberufungsbefehl vom vom Militärkommando Burgenland lediglich abgeändert und nicht behoben worden sei, sei die Zustellung dieses Einberufungsbefehles unabhängig von dessen Ausscheiden aus dem Rechtsbestand maßgebend. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Zivildiensterklärung am sei somit wegen des am rechtswirksam zugestellten Einberufungsbefehls das Recht zur Abgabe einer Zivildiensterklärung infolge Ruhens dieses Rechts ausgeschlossen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1.1.1. Das ZDG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 87/2012 lautet (auszugsweise):
"Allgemeine Grundsätze
§ 1. (Verfassungsbestimmung) (1) Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 2001 - WG 2001, BGBl. I Nr. 146, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, können erklären (Zivildiensterklärung),
1. die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden, und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würden und
2. deshalb Zivildienst leisten zu wollen.
(2) Die Ausübung dieses Rechtes ist dem Wehrpflichtigen mindestens sechs Monate nach Abschluß jenes Stellungsverfahrens, bei dem er erstmals für den Wehrdienst tauglich befunden wurde, gewährleistet, es sei denn, der Wehrpflichtige hätte darauf ausdrücklich und schriftlich verzichtet. Das Recht ruht vom zweiten Tag vor einer Einberufung zum Präsenzdienst bis zur Entlassung aus diesem oder bis zur Behebung des Einberufungsbefehls. Wird nach der Einberufung zum Grundwehrdienst dieser vollständig geleistet, ruht das Recht darüber hinaus drei Jahre, gerechnet vom Tage, für den der Wehrpflichtige einberufen war.
(3) Die Zivildiensterklärung darf nicht an Vorbehalte und Bedingungen gebunden werden; ihr sind Angaben zum Lebenslauf (Schul- und Berufsausbildung sowie beruflicher Werdegang) anzuschließen. Das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben, kann ausgeschlossen sein. Die näheren Bestimmungen trifft dieses Bundesgesetz.
(4) Mit Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung wird der Wehrpflichtige von der Wehrpflicht befreit und zivildienstpflichtig; er hat nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Zivildienst zu leisten. Bei Wehrpflichtigen, die den Grundwehrdienst bereits vollständig geleistet haben, tritt diese Wirkung erst nach Ablauf eines Jahres ein; der Ablauf dieser Frist wird durch die Einberufung zum Einsatzpräsenzdienst (§ 24 Abs. 3 WG 2001) oder zu außerordentlichen Übungen (§ 24 Abs. 4 WG 2001) bis zur Entlassung des Wehrpflichtigen gehemmt.
…
§ 5a. (1) Das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben, ist ausgeschlossen,
…
3. während es gemäß § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 6 oder § 76a ruht.
…
(3) Eine Zivildiensterklärung ist mangelhaft, wenn
…
4. ein Ausschlußgrund nach Abs. 1 vorliegt.
(4) Weist eine Zivildiensterklärung Mängel auf, ist mit Bescheid festzustellen (§ 5 Abs. 4), daß die Zivildienstpflicht nicht eingetreten ist. Für unvollständige Zivildiensterklärungen (Abs. 3 Z 2) gilt dies nur, wenn der Wehrpflichtige sie nicht innerhalb einer von der Behörde bestimmten Frist vervollständigt hat.
…"
1.1.2. § 1 Abs. 2 ZDG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung geht auf die Zivildienstgesetz-Novelle 1996, BGBl. Nr. 788, zurück. In der RV, 458 Blg NR 20. GP, 11f, wird zum (damaligen) § 2 (nunmehr: § 1) Folgendes ausgeführt:
"Zu Art. I Z 2 (§ 2):
Im § 2 Abs. 2 soll eine zeitliche Erweiterung des Rechtes auf Abgabe einer Zivildiensterklärung vorgesehen werden. Der Möglichkeit eines Gewissenswandels soll dadurch Rechnung getragen werden, daß eine solche Erklärung jederzeit, spätestens jedoch zwei Tage vor einer Einberufung (= Zustellung des Einberufungsbefehles oder Datum der allgemeinen Bekanntmachung) abgegeben werden kann. Dieser Zeitpunkt sichert einerseits die größtmögliche Berücksichtigung eines Gewissenswandels und schneidet andererseits Mißbrauchsmöglichkeiten nachhaltig ab. Das danach ruhende Antragsrecht soll mit Behebung des Einberufungsbefehls oder mit der Entlassung aus dem Präsenzdienst wieder aufleben. Lediglich im Falle einer vollständigen Ableistung des Grundwehrdienstes in der Dauer von sechs Monaten soll das Recht auf Abgabe einer Zivildiensterklärung erst wieder nach Ablauf von drei Jahren ab dem Einberufungstermin bestehen.
Da eine Einberufung dem Gesetz nach auch unmittelbar nach Abschluß eines Stellungsverfahrens möglich ist, soll dem Wehrpflichtigen jedenfalls ein Zeitraum von sechs Monaten "Bedenkzeit" gesichert sein; eine in dieser Zeit erfolgende Einberufung würde durch eine innerhalb der Frist abgegebene Zivildiensterklärung gemäß § 5 Abs. 2 ZDG unwirksam. Der Wehrpflichtige kann aber innerhalb dieser Sechs-Monate-Frist über eigenes Ersuchen zum Präsenzdienst einberufen werden. Auch im Fall eines nach § 2 Abs. 2 möglichen Verzichtes auf die Sechsmonatefrist bleibt dem Wehrpflichtigen dennoch das Recht auf Einbringung einer Zivildiensterklärung innerhalb dieser Frist gewahrt, solange er nicht zum Präsenzdienst einberufen wurde.
…"
1.2. Das Wehrgesetz 2001 (WG 2001) idF. der Novelle BGBl. I Nr. 63/2012 lautet (auszugsweise):
"Einberufung zum Präsenzdienst
§ 24. (1) Wehrpflichtige sind zum Präsenzdienst nach den jeweiligen militärischen Interessen mit Einberufungsbefehl einzuberufen. Gegen den Einberufungsbefehl ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Einberufungsbefehl ist zu erlassen
1. spätestens vier Wochen vor dem Einberufungstermin zum Grundwehrdienst und
...
Der Einberufungsbefehl zum Grundwehrdienst darf nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach erstmaliger Feststellung der Tauglichkeit des Wehrpflichtigen zum Wehrdienst erlassen werden. Die Fristen nach Z 1 und 2 dürfen nach Maßgabe militärischer Erfordernisse, im Falle der Z 2 insbesondere zum Üben der Herstellung der Einsatzbereitschaft von Verbänden im Wege von Waffenübungen, verkürzt werden. Sämtliche Fristen dürfen auch mit schriftlicher Zustimmung des Wehrpflichtigen verkürzt werden. Die Einberufung kann, sofern es militärische Rücksichten erfordern, auch durch eine allgemeine Bekanntmachung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport erfolgen. In dieser Bekanntmachung sind Ort und Zeitpunkt, an dem der Präsenzdienst anzutreten ist, zu bestimmen. Hinsichtlich jener Wehrpflichtigen, denen zur Vorbereitung einer Einberufung ein Schein ausgefolgt wurde, in dem der Ort des Antrittes dieses Präsenzdienstes angeführt ist (Bereitstellungsschein), genügt als Ortsangabe der Hinweis auf den im Bereitstellungsschein angeführten Ort.
…"
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.1. Der Verwaltungsgerichtshof legt das Vorbringen der Beschwerde, demzufolge der Beschwerdeführer seine Zivildiensterklärung erst nach der Abänderung des ursprünglichen Einberufungsbefehls vom durch den Bescheid des Militärkommandos Burgenland vom , und zwar am , abgegeben hat, seiner rechtlichen Beurteilung ebenso zugrunde wie die unbestritten gebliebene Feststellung der belangten Behörde, dass der erstgenannte Einberufungsbefehl am zugestellt wurde.
2.2. Die Beschwerde bringt vor, die auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte Abänderung des Einberufungsbefehls vom durch den Bescheid des Militärkommandos Burgenland vom habe das Ausscheiden des früheren Einberufungsbefehls aus dem Rechtsbestand bewirkt, weshalb sich die belangte Behörde hinsichtlich des Ruhens des Rechtes auf Abgabe einer Zivildiensterklärung auch nicht auf jenen Einberufungsbefehl stützen könne.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
2.3.1. Nach der hg. Judikatur ist ein auf § 68 Abs. 2 AVG gestützter Bescheid, mit dem ein Einberufungsbefehl in Ansehung der Zeit (und des Ortes) des Antrittes des Präsenzdienstes geändert wird, als Einberufungsbefehl zu qualifizieren, der an die Stelle des früher ergangenen Einberufungsbefehles tritt und dessen Ausscheiden aus dem Rechtsbestand bewirkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/11/0049, mwN, und den hg. Beschluss vom , Zl. 2012/11/0115). Im vorliegenden Fall ist daher mit der Erlassung des späteren Einberufungsbefehls vom , mit welchem der Beschwerdeführer für den einberufen wurde, der Einberufungsbefehl vom aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.
Daraus ist allerdings für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen.
2.3.2. Gemäß § 1 Abs. 2 erster Satz ZDG ist die Ausübung des Rechts zur Abgabe einer Zivildiensterklärung dem Wehrpflichtigen mindestens sechs Monate nach Abschluss jenes Stellungsverfahrens, bei dem er erstmals für den Wehrdienst tauglich befunden wurde, gewährleistet, es sei denn, der Wehrpflichtige hätte darauf ausdrücklich und schriftlich verzichtet. Gemäß dem zweiten Satz dieser Bestimmung ruht das Recht vom zweiten Tag vor einer Einberufung zum Präsenzdienst bis zur Entlassung aus diesem oder bis zur Behebung des Einberufungsbefehls.
Wie sich aus den unter Pkt. 1.1.2. wiedergegebenen Gesetzesmaterialien unzweifelhaft ergibt, ist in § 1 Abs. 2 zweiter Satz ZDG unter "Einberufung" die Zustellung des Einberufungsbefehls - und nicht etwa der Einberufungs termin - zu verstehen.
Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass jedenfalls seit der Zustellung des (ersten) Einberufungsbefehls vom am das Recht zur Abgabe einer Zivildiensterklärung ruhte. Dieses Ruhen gilt zwar gemäß § 1 Abs. 2 zweiter Satz ZDG nur "bis zur Behebung des Einberufungsbefehls", darunter ist aber nur eine ersatzlose Behebung zu verstehen. Wird wie im Beschwerdefall die "Behebung" des Einberufungsbefehls durch einen Bescheid bewirkt, der jenen nach § 68 Abs. 2 AVG unter einem dahin abändert, dass die Einberufung für einen späteren Zeitpunkt erfolgt, so kommt es zu keinem Ende des Ruhens des Rechts auf Abgabe einer Zivildiensterklärung, weil dieses Ruhen immer schon zwei Tage vor Zustellung des jeweils wirksamen Einberufungsbefehls eingetreten ist.
Dieses Auslegungsergebnis steht auch mit den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien im Einklang. Der Beschwerdeführer hatte seit der Feststellung seiner Tauglichkeit am bis zur Erlassung des ersten Einberufungsbefehls vom mehr als ein Jahr Überlegungszeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung. Mit dem Zuwarten bis zur Erlassung dieses Einberufungsbefehls wurde die in § 24 Abs. 1 dritter Satz WG 2001 vorgesehene Wartefrist jedenfalls eingehalten. Dass der ursprüngliche Einberufungstermin für den mit dem u. a. auf § 68 Abs. 2 AVG gestützten Bescheid des Militärkommandos Burgenland aus militärischen Rücksichten durch einen späteren Einberufungstermin ersetzt wurde, diente nicht dazu, dem Beschwerdeführer erneut die Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung zu verschaffen.
2.3.3. Da zum Zeitpunkt der Abgabe der Zivildiensterklärung am das Recht zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gemäß § 1 Abs. 2 zweiter Satz ZDG ruhte, war gemäß § 5a Abs. 1 Z. 3 ZDG das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben, ausgeschlossen, weshalb die dennoch abgegebene Zivildiensterklärung gemäß § 5a Abs. 3 Z. 4 ZDG mangelhaft war.
Die mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 5a Abs. 4 erster Satz ZDG erfolgte Feststellung, dass das Recht zur Abgabe einer Zivildiensterklärung ausgeschlossen war (und infolge einer mangelhaften Zivildiensterklärung die Zivildienstpflicht nicht eingetreten ist), erweist sich demnach als rechtmäßig.
2.4. Da aus diesen Erwägungen schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abzuweisen; der schon im Gesetz vorgesehenen Abstandnahme von der Durchführung der beantragten Verhandlung steht auch Art. 6 EMRK nicht entgegen.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-83718