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VwGH vom 27.01.2010, 2008/21/0667

VwGH vom 27.01.2010, 2008/21/0667

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des M, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 317.904/2-III/4/08, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Kosovo und ist seit mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Am stellte er bei der österreichischen Botschaft Skopje einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger".

Aufträgen der zur Bearbeitung seines Antrages zuständigen Bezirkshauptmannschaft Hallein (im Folgenden: BH) zur Vorlage diverser Unterlagen kam der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer zuletzt mit Eingabe vom , bei der BH eingelangt am , nach. Mit Schreiben vom wurde ihm dann zur Kenntnis gebracht, dass "das durchgeführte

Ermittlungsverfahren ... ergeben (hat), dass Ihr Lebensunterhalt

aus dem Einkommen Ihres Ehegatten nicht gesichert ist". Es werde ihm die Möglichkeit geboten, dazu binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Dieser Einladung kam der Beschwerdeführer mit Telefax vom nach, worin er u. a. beantragte, dass ehestens ein Bescheid erlassen werde. Die BH hingegen ersuchte am die österreichische Botschaft Skopje um niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers, da der Verdacht einer Aufenthaltsehe bestehe.

Schon per hatte die BH die Polizeiinspektion Hallein um Durchführung "geeigneter Erhebungen in Richtung Aufenthaltsehe" ersucht, weil anlässlich der Antragstellung seitens der österreichischen Botschaft Skopje durch entsprechende handschriftliche Vermerke der Verdacht einer Aufenthaltsehe "in den Raum gestellt" worden sei. Die Polizeiinspektion Hallein hatte hierauf mit Bericht vom mitgeteilt, dass am 26. November und am Kontrollen in der Wohnung der österreichischen Ehefrau des Beschwerdeführers durchgeführt worden seien; bei der Kontrolle am seien nur die Kinder der Ehefrau anwesend gewesen, welche den Kontakt zwischen ihrer Mutter und dem Beschwerdeführer bestätigt hätten; die österreichische Ehefrau selbst habe dann angegeben, dass ein telefonischer Kontakt bestehe und dass E-Mails geschrieben würden; die Telefonnummer sei im Handy abgespeichert gewesen, die E-Mails hätten wegen des defekten Laptops "nicht kontrolliert" werden können.

Am wurde der BH von der österreichischen Botschaft Skopje die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers übermittelt. Am langte ein weiterer Bericht der Polizeiinspektion Hallein bei der BH ein. Diese hatte am unter Bezugnahme auf das Erhebungsergebnis vom neuerlich um Erhebungen wegen des Verdachts einer Aufenthaltsehe ersucht. Am kam es schließlich zu einer Einvernahme der für diesen Tag geladenen österreichischen Ehefrau des Beschwerdeführers durch die BH.

Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer den nunmehr gegenständlichen Devolutionsantrag an die belangte Behörde. Diese wies den Antrag mit Bescheid vom gemäß § 73 AVG ab. Begründend wurde der bisherige Gang des Verfahrens dargestellt. Aus den gesetzten Verfahrensschritten ergebe sich - so die belangte Behörde wörtlich -, "dass die Verzögerung der Erledigung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen ist, weswegen der Devolutionsantrag abzuweisen war".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

§ 73 Abs. 1 und 2 AVG in der Fassung des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, lauten wie folgt:

"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist."

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Verlauf des Verwaltungsverfahrens dargestellt und sodann die - nicht näher ausgeführte - Auffassung vertreten, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der BH zurückzuführen sei.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des (überwiegenden) "Verschuldens der Behörde" nicht im Sinne eines Verschuldens der Organwalter der Behörde zu verstehen, sondern insofern "objektiv", als ein solches anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/03/0163).

Umstände, aus denen sich ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Verzögerung der Entscheidung durch die BH ableiten ließen, lagen gegenständlich jedenfalls seit (mit Entsprechung des zweiten behördlichen Auftrags von zur Vorlage von der BH für notwenig erachteten Unterlagen) nicht vor. Es ist aber auch nicht erkennbar, dass einer Entscheidung der BH ab diesem Zeitpunkt bis zur Einbringung des Devolutionsantrages "unüberwindliche Hindernisse" entgegengestanden wären. Zunächst ließ sie nämlich nach dem ohne nachvollziehbaren Grund mehr als zwei Monate verstreichen, ehe sie Ende Juni 2007 Gehör einräumte und (weitere) Ermittlungsschritte setzte. Diese Ermittlungsschritte waren im Übrigen nur mehr darauf gerichtet, den Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe des Beschwerdeführers abzuklären. In diese Richtung waren allerdings bereits im Herbst 2006 Erhebungen eingeleitet worden, die - geht man vom oben dargestellten Bericht der Polizeiinspektion Hallein vom aus - eher zur Entkräftigung dieses Verdachtes führten. Es mag dahinstehen, ob die BH ungeachtet dessen - ohne dass ihr ein hier maßgebliches Verschulden angelastet werden könnte - weiter hinsichtlich des allfälligen Vorliegens einer Aufenthaltsehe ermitteln durfte. Von einer der BH obliegenden zügigen Verfahrensführung (vgl. zu dieser Verpflichtung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0218; siehe grundsätzlich in diesem Zusammenhang auch Hengstschläger/Leeb , AVG § 73 Rz 129) kann aber keinesfalls die Rede sein, wenn sie nach dem Einlangen des erwähnten Berichts der Polizeiinspektion Hallein vom erst mehr als sechs Monate später, mit Schreiben vom , neuerlich an diese herantrat und daraufhin wieder knapp zwei bzw. vier weitere Monate zuwartete, ehe sie die Einvernahme des Beschwerdeführers bzw. seiner Ehefrau veranlasste. Warum diese, von der BH für erforderlich gehaltenen Ermittlungsmaßnahmen nicht früher gesetzt wurden, ist nicht nachvollziehbar. Nach dem Gesagten hatte die BH mithin ein überwiegendes Verschulden an dem Umstand zu verantworten, dass es bis zum Einlangen des gegenständlichen Devolutionsantrages vom nicht zu einer Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gekommen ist. Der dies verkennende, den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers abweisende angefochtene Bescheid der belangten Behörde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-83712