VwGH vom 19.05.2011, 2008/21/0664
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der S, vertreten durch Mag. Ulrich Seamus Hiob, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Margaretenstraße 22, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Bangkok vom , betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine thailändische Staatsangehörige, stellte am bei der Österreichischen Botschaft in Bangkok den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für die Dauer von 90 Tagen zum Zweck des Besuchs eines in Wien lebenden polnischen Staatsangehörigen, den sie in ihrer Heimat kennen gelernt hatte. Dem Antrag wurden diverse Unterlagen angeschlossen, unter anderem eine entsprechende Verpflichtungserklärung des Einladenden samt Bestätigungen über sein Einkommen aus der seit 1994 beim selben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigung als Schlosser sowie ein Nutzungsvertrag über eine "Genossenschaftswohnung".
Diesen Antrag wies die Österreichische Botschaft Bangkok (die belangte Behörde) mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 5 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als nicht erfüllt erachtete.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde, die von der Verfassung einer Gegenschrift Abstand nahm, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die (allgemeinen) Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - soweit hier wesentlich - wie folgt:
"Erteilung von Visa
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn
…
3. öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und
...
(4) Die Behörde hat bei der Beurteilung der nach Abs. 1 Z 3 zu treffenden Interessensabwägung jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthalts des Fremden ausgehend
1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und gegebenenfalls die Dauer seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet und
2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange und die Volksgesundheit
Bedacht zu nehmen.
(5) Öffentliche Interessen stehen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn
...
3. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;
...
(6) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens von Tatsachen gemäß Abs. 5 Z 1, 2 oder 3 ein Visum erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten.
..."
Die belangte Behörde begründete - wie oben dargestellt - die Versagung des Visums nur mit dem Hinweis auf die für maßgeblich angesehene Gesetzesstelle, nämlich auf § 21 (Abs. 1 Z 3 iVm) Abs. 5 Z 3 FPG. Das allein stellt zwar vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG) noch keinen Begründungsmangel dar, weil es danach genügt, dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. ausführlich den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/21/0216).
Das trifft aber im gegenständlichen Fall nicht zu, weil sich in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte für die behördliche Annahmen finden lassen, infolge des beabsichtigten dreimonatigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich bestehe die Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft. Die vom Bundeministerium für Inneres aufgrund entsprechender Konsultationen durch die belangte Behörde mitgeteilte und von der belangte Behörde offenbar zugrunde gelegte Einschätzung, "die vorliegende Verpflichtungserklärung ist nicht tragfähig", erfolgte nämlich begründungslos und ohne jede Bezugnahme auf die dem Antrag beigelegten Einkommensnachweise, denen sich ein Nettolohn (ohne Sonderzahlungen) von monatlich etwa 1.300 EUR bis 1.400 EUR entnehmen lässt (vgl. zu ähnlichen Fällen die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2007/21/0012 bis 0014, vom , Zl. 2007/21/0494, und vom , Zl. 2007/21/0427).
Außerdem räumte die belangte Behörde bei der Aktenvorlage ein, ihr sei insofern ein "Formfehler" unterlaufen, als "statt einer Stellungnahme, in der die Antragstellerin Gelegenheit gehabt hätte, die Bedenken der Botschaft auszuräumen," der Beschwerdeführerin "ein Ablehnungsbescheid" übermittelt worden sei. Damit hat die belangte Behörde die aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG resultierende Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs verletzt. Die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin nämlich vor Erlassung des bekämpften Bescheides vorhalten müssen, aus welchen konkreten Gründen sie davon ausgehe, die Verpflichtungserklärung des Einladenden sei nicht tragfähig, sodass der Beschwerdeführerin in der ihr einzuräumenden abschließenden Stellungnahme eine darauf Bezug nehmende Erwiderung möglich gewesen wäre. Die Unterlassung eines solchen Vorhalts, dem vor dem Hintergrund der den österreichischen Vertretungsbehörden eingeräumten Begründungserleichterung besondere Bedeutung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0229), bewirkte somit einen weiteren Verfahrensfehler.
Im Übrigen ist noch anzumerken, dass die Nichterteilung eines Visums wegen des Entgegenstehens öffentlicher Interessen im Grunde des § 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 5 Z 3 FPG eine Abwägung mit den gegenläufigen Interessen der Beschwerdeführerin unter Bedachtnahme auf die Kriterien des Abs. 4 verlangt hätte (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0511, mit dem Hinweis auf das schon genannte Erkenntnis Zl. 2007/21/0427).
Der angefochtene Bescheid war somit aus den genannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-83703