VwGH vom 20.06.2012, 2011/03/0203
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Österreichischen Roten Kreuzes in Wien, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 1/9b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2011/32/1056-3, betreffend Übertretungen des Rotkreuzgesetzes (mitbeteiligte Partei: Dr. G L in S, vertreten durch Mag. Dr. Ursula Rauch-Kleinlercher, Rechtsanwältin in 6150 Steinach/Brenner, Zirmweg 85; weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aufgrund einer Anzeige der beschwerdeführenden Partei vom , wonach der Mitbeteiligte (ein Arzt) das Rote Kreuz zur Kennzeichnung seiner Ordination verwende und damit das Verbot des § 8 Abs 1 lit a iVm § 9 Abs 1 Rotkreuzgesetz, BGBl I Nr 33/2008, verletzt habe, wurde der Mitbeteiligte mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Imst vom gemäß §§ 40 und 42 VStG zur Rechtfertigung aufgefordert. Dem Mitbeteiligten wurden darin nachstehende Verwaltungsübertretungen angelastet:
"Sie haben zumindest am bei Ihrer Ordination in S, G-Straße 1/1,
a) das über dem Fenster befindliche Rote Kreuz auf weißer Fassade,
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b) | zwei auf Fenster aufgeklebte Rote Kreuze, |
c) | ein Rotes Kreuz auf weißem Hintergrund auf der Fensterfront, |
angebracht, weshalb Sie gegen die Bestimmungen des Rotkreuzgesetzes - RKG in Verbindungen mit den Bestimmungen des Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle verstoßen haben; | |
weiters haben Sie | |
d) | ein Rotes Kreuz mit einem darunter befindlichem Schriftzug 'ARZT' in Form einer Tafel unter der Leuchtreklame an der Fassade, |
e) | eine 'Leuchtreklame' (Rotes Kreuz mit dem im waagrechten Balken gehaltenen Schriftzug 'ARZT' (Arzt in weißer Schrift)) an der Fassade, |
f) | ein Rotes Kreuz mit dem im waagrechten Balken gehaltenen Schriftzug 'ARZT' auf der Fensterfront, |
angebracht, obwohl dies Nachahmungen des Rotkreuzzeichens darstellen und dadurch entgegen den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle verwendet. | |
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: | |
Hinsichtlich der Punkte a), b) und c) nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 lit. a Rotkreuzgesetz - RKG, BGBl I Nr. 33/2008, i.V.m. den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle | |
Hinsichtlich der Punkte d), e) und f) nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 lit. d Rotkreuzgesetz - RKG, BGBl. I Nr. 33/2008 i.V.m. den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle" | |
In der Rechtfertigung ("Stellungnahme") des Mitbeteiligten vom wurde im Wesentlichen vorgebracht, er habe bereits Anfang des Jahres 2008 eine näher bezeichnete Werbefirma mit der Neugestaltung der Fensterfront beauftragt und es sei bereits im Sommer 2008 die Fensterfront und Fassade auf der Seite des Haupteinganges zur Ordination neu gestaltet worden; dort sei seit diesem Zeitpunkt auch kein Rotes Kreuz mehr in Verwendung. Hingegen stelle der Eingang auf der anderen Seite des Gebäudes keinen allgemeinen Eingang dar, sondern diene lediglich "zur Anlieferung von Patienten", welche "mit dem Roten Kreuz antransportiert" würden. Er sei der Meinung gewesen, die dort angebrachten Rot-Kreuz-Zeichen dienten lediglich der Kennzeichnung des Zugangs für das Rettungspersonal; daher habe er diese vorerst nicht, aber nach Einholung einer Rechtsauskunft nun ebenso entfernt und damit umgehend reagiert. | |
Weiters wurde geltend gemacht, es sei dem Mitbeteiligten niemals darum gegangen, dass Rotkreuzzeichen zu missbrauchen bzw die Bedeutung des Zeichens zu untergraben, vielmehr sei er sich der rechtlichen Tragweite der Verwendung des Zeichens nicht bewusst gewesen; es sei zu keiner Verunglimpfung des Zeichens gekommen; auch habe er nicht in einer Rechtsverletzung beharren wollen. | |
Der Mitbeteiligte beantragte die Einstellung des Verfahrens und legte mit Schreiben vom ein Konvolut an Lichtbildern über die zur Kennzeichnung seiner Ordination verwendeten Zeichen vor. | |
In der Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom zur Rechtfertigung des Mitbeteiligten brachte diese unter Hinweis auf die Erläuterungen zum Rotkreuzgesetz zusammengefasst vor, zum Zeitpunkt der Anzeige habe der Mitbeteiligte Rotkreuzzeichen zur Kennzeichnung seiner Ordination verwendet; das nun aktuelle Logo der Ordination sei hingegen als Nachahmung des Rotkreuzzeichens zu qualifizieren. | |
Mit Bescheid vom stellte die Bezirkshauptmannschaft Imst daraufhin das Verwaltungsstrafverfahren nach § 9 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 lit a Rotkreuzgesetz (RKG), BGBl I Nr 33/2008, iVm den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokollen ein und wies den Antrag der beschwerdeführenden Partei, gemäß § 9 Abs 4 RKG im Verwaltungsstrafbescheid auf die Veröffentlichung der Teile des Bescheides auf Kosten des Verurteilten zu erkennen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Verwaltungsübertretung und ihre Verfolgung erforderlich ist, ab. | |
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, der die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gab. | |
In der Begründung des angefochtenen Bescheides legt die belangte Behörde zunächst den Verfahrensgang dar und gibt anschließend die an den Mitbeteiligten ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung vom wörtlich wieder. | |
Zur Verfahrenseinstellung durch die erstinstanzliche Behörde führt die belangte Behörde sodann aus, dass vom Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, der sich lediglich auf die Einstellung nach § 8 Abs 1 lit | a RKG beziehe, nur die in der Aufforderung zur Rechtfertigung dem Mitbeteiligten nach lit a leg. cit angelasteten Tatvorwürfe a) bis c) umfasst seien, allerdings nicht die Tatvorwürfe d) bis f), die dem Mitbeteiligten dort nach lit d leg. cit angelastet wurden. Bezüglich der Tatvorwürfe d) bis f) sei somit keine Einstellung erfolgt. |
Hinsichtlich der in der Aufforderung zur Rechtfertigung vorgehaltenen Tatvorwürfe a) bis c) vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass keine hinsichtlich § 8 Abs 1 lit a RKG taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG vorliege. In der Aufforderung zur Rechtfertigung wäre die "Verwendung" der Zeichen als wesentliches Tatbestandmerkmal des § 8 Abs 1 lit | a RKG und nicht die "Anbringung" derselben zur Last zu legen gewesen. Eine Verfolgung hinsichtlich der ursprünglichen (nun nicht mehr vorhandenen) Zeichen entsprechend den Tatvorwürfen a) bis c) sei somit wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs 2 VStG nicht mehr möglich. |
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben. | |
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. |
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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen: | |
1. | §§ 8 und 9 des Bundesgesetzes über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuzgesetz - RKG), BGBl I Nr 33/2008, lauten - auszugsweise - wie folgt: |
"Missbräuchliche Verwendung der Zeichen |
§ 8. (1) Es ist verboten,
a) das Zeichen des Roten Kreuzes auf weißem Grund oder die Worte "Rotes Kreuz" oder "Genfer Kreuz" in allen Sprachen,
(…)
d) Zeichen und Bezeichnungen, die eine Nachahmung der Zeichen und Bezeichnungen nach lit. a) bis c) darstellen, die Verwechslungen oder Irrtümer erzeugen könnte oder unberechtigterweise auf eine Verbindung mit dem Österreichischen Roten Kreuz hinweist, oder
e) sonstige Schutz verleihende international anerkannte Kennzeichen, Abzeichen oder Signale gemäß Art. 38 des Protokoll I, sofern zu deren Schutz keine anderen sondergesetzlichen Bestimmungen erlassen worden sind
entgegen den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle oder als Kennzeichen ohne Ermächtigung des Österreichischen Roten Kreuzes gemäß § 5 Abs. 1 zu verwenden.
(…)
Verwaltungsstrafen
§ 9. (1) Wer den Bestimmungen des § 8 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, begeht, sofern nicht ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 360,-- Euro bis 3 600,-- Euro zu bestrafen.
(2) Wer die Tat gemäß Abs. 1 in einer Form begeht, durch die die Verwendung missbräuchlich bezeichneter Gegenstände einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird, ist mit einer Geldstrafe von 800,-- Euro bis 15 000,-- Euro zu bestrafen.
(3) Wird eine Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 1 begangen, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Kosten des Eigentümers die Beseitigung der gesetzwidrigen Bezeichnung zu verfügen. Gesetzwidrig bezeichnete Gegenstände können für verfallen erklärt werden.
(4) Auf Antrag des Österreichischen Roten Kreuzes ist im Verwaltungsstrafbescheid auf die Veröffentlichung der Teile des Bescheides auf Kosten des Verurteilten zu erkennen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Verwaltungsübertretung und ihre Verfolgung erforderlich ist. Die zu veröffentlichenden Teile sind im Bescheid anzuführen. Die Bestimmungen des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 151/2005, über die Urteilsveröffentlichung sind anzuwenden.
(5) Dem Österreichischen Roten Kreuz kommt im gesamten Verwaltungsverfahren Parteistellung gemäß § 8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der jeweils geltenden Fassung, zu.
(…) "
2. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, nach ständiger Rechtsprechung sei es nicht erforderlich, dass in der Verfolgungshandlung das dem Beschuldigten zu Last gelegte Verhalten mit den Worten des gesetzlichen Tatbestandes umschrieben werde. Für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung genüge es, dass die Tat mit allen der späteren Bestrafung zugrundeliegenden wesentlichen Sachverhaltselementen aus einer gegen den Beschuldigten gerichteten Verfolgungshandlung erkennbar sei, was auf die Aufforderung zur Rechtfertigung im gegenständlichen Fall zutreffe.
Hinzu komme, dass die "Anbringung" von Rotkreuzzeichen an die Ordination gerade deren "Verwendung" impliziere und sohin nur eine nähere Umschreibung der tatsächlichen Tathandlung darstelle; dies lasse sich auch aus dem Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung des Mitbeteiligten vom erkennen, in welchem u.a. ausgeführt werde, dass "seit Sommer 2008 kein rotes Kreuz mehr in Verwendung sei".
Dem Mitbeteiligten sei Inhalt und Umfang der ihm zur Last gelegten Tat bekannt gewesen und er habe innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist dazu auch Stellung genommen; ebenso habe er hiezu Beweise anbieten können, was durch die Urkundevorlage vom erfolgt sei.
Entgegen der Rechtsmeinung der belangten Behörde sei somit hinsichtlich der Tatvorwürfe a) bis c) in der Aufforderung zur Rechtfertigung keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
3. Der Beschwerde kommt Berechtigung zu:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht erforderlich, dass in der Verfolgungshandlung das einem Beschuldigtem zur Last gelegte Verhalten mit den Worten des gesetzlichen Tatbestandes umschrieben wird. Vielmehr ist für die Unterbrechung der Verjährung ausschlaggebend, dass sich die Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2009/06/0129, mwN). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben:
Der belangten Behörde kann nicht darin gefolgt werden, dass die Verwendung des Wortes "angebracht" statt des dem gesetzlichen Tatbestand entsprechenden Begriffs "verwendet" dazu führt, dass die Aufforderung zur Rechtfertigung vom nicht als taugliche Verfolgungshandlung hinsichtlich der darin angeführten Tatvorwürfe a) bis c) - die dort auch ausdrücklich unter den § 8 Abs 1 lit a RKG subsumiert wurden - anzusehen wäre.
Die belangte Behörde führt dazu in ihrer Gegenschrift aus, dass das Wort "anbringen" nach allgemeinem Sprachgebrauch "etwas an einer Stelle zu befestigen" bedeute, was auf ein Zustandsdelikt schließen lasse, bei dem sich das strafbare Verhalten im Herbeiführen eines rechtswidrigen Zustands erschöpft. Das Wort "verwenden" des gesetzlichen Straftatbestandes hingegen deute auf ein Dauerdelikt hin, bei dem nicht nur das Herbeiführen eines rechtswidrigen Zustands, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert sei. Es habe daher erheblichen Einfluss auf die Möglichkeiten für die Verteidigung des Mitbeteiligten, ob ihm ein "Anbringen" oder ein "Verwenden" vorgeworfen werde.
Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Mitbeteiligten in der Aufforderung zur Rechtfertigung vorgeworfen wurde, "zumindest" am die gegenständlichen Zeichen "angebracht" zu haben; schon dies zeigt, dass sich der Tatvorwurf nicht auf eine konkrete Befestigungshandlung bezog, sondern darauf, dass der Mitbeteiligte den Zustand, dass zur Kennzeichnung seiner Ordination Rotkreuzzeichen verwendet wurden, über einen gewissen Zeitraum (eben zumindest an dem genannten Tag) aufrechterhalten hat. Damit wurde dem Mitbeteiligten aber in ausreichend klarer Weise die Verwendung des Rotkreuzzeichens am vorgeworfen. Dies zeigt im Übrigen auch die Verantwortung des Mitbeteiligten im erstinstanzlichen Verfahren, in dem er ausdrücklich vorbringt, dass seit Sommer 2008 - also vor dem angelasteten Tatzeitpunkt - "kein Rotes Kreuz mehr in Verwendung" stehe.
Ob die in der Aufforderung zur Rechtfertigung dem Mitbeteiligten angelasteten Tathandlungen a) bis c) - Verwendung der dort genannten Zeichen am - vom Mitbeteiligten tatsächlich begangen wurden, was von diesem in seiner Gegenschrift bestritten wird, vermag an der Tauglichkeit der Verfolgungshandlung nichts zu ändern. Ob die Tathandlungen verwirklicht wurden und dies dem Mitbeteiligten vorzuwerfen ist, ist im von der belangten Behörde fortzusetzenden Verwaltungsstrafverfahren zu klären.
4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-83695