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VwGH vom 08.09.2009, 2008/21/0661

VwGH vom 08.09.2009, 2008/21/0661

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI- 1004297/0002-II/3/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein 1982 geborener türkischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am nach Österreich ein, wo ihm ein bis zum befristeter Aufenthaltstitels als "Student" erteilt wurde. Am heiratete er in der Türkei die 1963 geborene österreichische Staatsbürgerin A. Unter Berufung auf diese Ehe beantragte er die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Angehöriger einer Österreicherin, worauf ihm ein solcher mit Gültigkeit bis zum erteilt wurde.

Im Zuge eines vom Beschwerdeführer gestellten Verlängerungsantrages führte die Bundespolizeidirektion Wien Erhebungen zum Bestehen einer Scheinehe (insbesondere eine Befragung der A. und ihres mit ihr zusammen wohnenden Neffen sowie eine Einvernahme weiterer Hausbewohner) durch. Gestützt auf die Bejahung einer lediglich zum Schein (unter Verneinung jeder Art des Zusammenlebens) geschlossenen Ehe wies daraufhin die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG aus dem Bundesgebiet aus. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0391, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

In einem Aktenvermerk vom (Blatt 176 verso des vorgelegten Verwaltungsaktes) hielt die Bundespolizeidirektion Wien fest, die genannte mit A. geschlossene Ehe sei vom Bezirksgericht M am rechtskräftig geschieden worden.

Am heiratete der Beschwerdeführer die 1984 geborene (aus der Türkei stammende) österreichische Staatsbürgerin Y. und führte mit ihr in der Folge einen gemeinsamen Haushalt.

Mit dem angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde (Bundesministerin für Inneres) daraufhin gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend stützte sie sich auf das am nur zum Schein erfolgte Eingehen einer Ehe mit A., wozu der Beschwerdeführer in einer Eingabe vom mitgeteilt habe, die Ehe sei "im Jahr 2005 rechtskräftig geschieden worden". Mittlerweile sei er neuerlich mit einer Österreicherin verheiratet.

Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet "berührt ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens", weshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG vorlägen.

Da die jetzige Gattin des Beschwerdeführers ebenfalls im Bundesgebiet aufhältig sei und er mit ihr zusammen lebe, sei gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG zu prüfen, ob trotz des Eingriffs in das Privat- oder Familienleben die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zulässig sei. Dies sei zu bejahen, weil die öffentlichen Interessen an seiner Verhängung unverhältnismäßig schwerer wögen als dessen Auswirkungen auf die konkrete Lebenssituation des Beschwerdeführers. Daran könne auch sein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet nichts ändern.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel in Bezug auf die Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde macht zunächst geltend, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Ehe mit der Österreicherin A. bereits am geschlossen worden sei. Die erst im November 2008 - also mehr als fünf Jahre danach - erfolgte, hierauf gestützte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erweise sich somit jedenfalls als unzulässig.

Dem ist zu entgegnen, dass die damit angesprochene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum FrG, wonach eine allein aus dem Rechtsmissbrauch des Eingehens einer Scheinehe resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung als weggefallen zu betrachten sei, wenn - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - die erstmalige Erfüllung des im § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG normierten Tatbestandes bereits mehr als fünf Jahre zurückgelegen war, im Anwendungsbereich des FPG nicht aufrecht erhalten wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/18/0228, und vom , Zl. 2009/18/0046, jeweils mwN).

Allerdings ist der Beschwerdeführer infolge der erwähnten Eheschließung mit Y. vom Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Diesen Prüfungsmaßstab hat die belangte Behörde, die den angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf § 60 FPG gestützt hat, verkannt. Bei seiner Anlegung kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf das lange Zurückliegen des fremdenrechtlichen Fehlverhaltens und vor allem angesichts des aktuell aufrechten Bestandes einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht mehr vom Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr gesprochen werden, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-83692