VwGH vom 19.12.2013, 2011/03/0198

VwGH vom 19.12.2013, 2011/03/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerden 1.) des H K als gemäß § 9 VStG 1991 verantwortlicher Beauftragter des Vereins F und 2.) des Vereins F, beide in W, beide vertreten durch Dr. Michael Witt, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Argentinierstraße 20A/2A, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Wien vom , Zlen UVS-06/59/3078/2011-6 und UVS-06/V/59/3227/2011, betreffend Übertretung des Telekommunikationsgesetzes 2003 (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen insgesamt in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom wurde dem Erstbeschwerdeführer H K (als gemäß § 9 VStG 1991 verantwortlicher Beauftragter des Vereins F) Folgendes angelastet:

"Sie wurden mit Wirkung zum gem § 9 Abs 2 VStG 1991 verantwortlichen Beauftragten des Vereins F mit Sitz in W, ZVR: 7, für die Angelegenheit der elektronischen Datenverarbeitung einschließlich der elektronischen Kommunikation und damit im Zusammenhang stehenden Belange bestellt und haben für folgendes einzustehen:

Am , 21:09:19 +0100 wurde von Ihrem Verein aus unter Verwendung der Mailadresse office@f.at eine Email mit dem Ersuchen, eine Unterstützungserklärung für Ihren Verein auszufüllen und zu retournieren sowie mit einem Hinweis auf die Homepage des Vereins www.f.at , somit elektronische Post zu Zwecken der Direktwerbung für Ihren Verein, an den Empfänger mit der Mailadresse office@t.at gesendet, ohne dass der Empfänger dieser Nachricht vorher seine Einwilligung zum Erhalt von Werbeemails erteilt hat. Die versendete Mail ist in der Beilage ersichtlich und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Bescheides."

Der Erstbeschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 107 Abs 2 Z 1 des Telekommunikationsgesetzes, BGBl I Nr 70/2003, idF BGBl I Nr 65/2009 (TKG 2003), iVm § 9 Abs 2 VStG, weshalb über ihn gemäß § 109 Abs 3 Z 20 TKG 2003 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Stunden) verhängt wurde.

Weiters wurde insbesondere verfügt:

"Der Verein F, ZVR: 7 haftet gem § 9 Abs 7 VStG 1991 für die verhängte Strafe zur ungeteilten Hand."

1.2. Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben.

Begründend wurde insbesondere festgehalten, dass eine ausdrückliche Zustimmung des Anzeigers zum Erhalt dieser E-Mail nicht vorgelegen habe. Dies ergebe sich glaubhaft aus den Angaben in der Anzeige. Das Vorliegen einer solchen Zustimmung sei auch nicht durch Vorweis entsprechender Unterlagen belegt worden; wenn diesbezüglich die Einvernahme eines Firmenverantwortlichen zum Beweis des Vorliegens einer Zustimmung beantragt wurde, sei dem - da auf Einholung eines bloßen Erkundungsbeweises hinzielend - nicht nachzukommen gewesen. Wenn das Vorliegen einer konkludenten Einwilligung behauptet und im Übrigen in Abrede gestellt werde, dass mit der gegenständlichen E-Mail Direktwerbung, hingegen vielmehr Wahlwerbung, betrieben worden wäre, stellten diesbezüglich die Gesetzesmaterialen zum TKG 2003 klar, dass der Begriff "Direktwerbung" im Sinne des § 107 TKG weit zu interpretieren sei und daher "jeden Inhalt, der für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee einschließlich bestimmter politischer Anliegen wirbt oder dafür Argument liefert", umfasse. So werde dies auch in der von Beschwerdeseite zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , Zl Ob 168/09w, gesehen. Eine Zustimmung könne zwar grundsätzlich konkludent erfolgen, diesfalls liege aber die Behauptungs- und insbesondere die Beweislast beim Versender (mit Hinweis auf Zl 2007/03/0177, und Zl 2005/03/0143). Eine konkludente Erklärung könne nur dann angenommen werden, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte eindeutig in eine Richtung zu verstehen sei (Hinweis auf Zl 2 Ob161/06z); es dürfe kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in einer bestimmten Richtung vorliege; dass also ein bestimmtes Verhalten nur als Einwilligung zum Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken verstanden werden könne. Dies könne hier nur verneint werden.

Daher sei zusammenfassend festzuhalten, dass das gegenständliche E-Mail als Direktwerbung anzusehen sei, für dessen Erhalt der Empfänger keine Zustimmung erteilt habe. Es sei somit der objektive Tatbestand des § 107 Abs 2 Z 1 TKG 2003 erfüllt.

Mit der von Beschwerdeseite vorgetragenen Verantwortung sei es nicht gelungen, ein mangelndes Verschulden darzutun. So sei vom Berufungswerber in keiner Weise dargelegt worden, auf welche Weise ein eingeschulter Mitarbeiter wirksam unterscheiden hätte können, ob eine Adresse aus einer autorisierten Quelle stamme oder in Zweifel zu ziehen sei. Im Übrigen seien die Ausführungen nicht einmal ansatzweise geeignet gewesen, die Einrichtung und das Funktionieren eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Fehlern bei der Wahlwerbung nachvollziehbar darzulegen.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; beantragt wurde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

2.2. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, sie verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1.1. § 107 Abs 2 Telekommunikationsgesetz 2003, BGBl I Nr 70/2003 idF BGBl I Nr 133/2005, und § 109 Abs 3 Telekommunikationsgesetz 2003, BGBl I Nr 70/2003 idF BGBl I Nr 65/2009, lauten (auszugsweise):

"§ 107. (2) Die Zusendung einer elektronischen Post - einschließlich SMS - ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn


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1.
die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder
2.
an mehr als 50 Empfänger gerichtet ist."

"§ 109. (3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37 000 Euro zu bestrafen, wer

...

20. entgegen § 107 Abs. 2 oder 5 elektronische Post zusendet;

..."

3.1.2. In den Gesetzesmaterialien (Vorblatt und Erläuterungen der RV 128 Blg NR 22. GP) zur Erlassung eines Telekommunikationsgesetzes und Änderung des Bundesgesetzes über die Verkehrs-Arbeitsinspektion und des KommAustria-Gesetzes (BGBl I Nr 70/2003) wird ua Folgendes festgehalten:

"Vorblatt

Zu Artikel I

Probleme und Ziele:

Der vorliegende Entwurf hat folgende Schwerpunkte:

- direkte Umsetzung der einschlägigen Richtlinien in die innerstaatliche Rechtsordnung

...

Inhalt:

Umsetzung der Richtlinien:

...

Weiters werden auf Grund der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, ABl. Nr. L 201 vom S 37, Änderungen im 12. Abschnitt des Entwurfes vorgenommen, soweit sie für den Wirkungsbereich des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie von Bedeutung sind.

...

Administrative Anpassungen

...

Praxisnähere Ausgestaltung des § 107 TKG (Spamming-Verbot)

EU-Konformität:

Gegeben. Der Entwurf dient über weite Strecken der Umsetzung

von Gemeinschaftsrecht."

"Erläuterungen

...

Besonderer Teil

...

Zu § 107:

...

Der Begriff 'Direktwerbung' im Sinne dieser Bestimmung ist im Lichte der Erfahrungen und Bedürfnisse der Praxis zu sehen und daher weit zu interpretieren. Er erfasst jeden Inhalt, der für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee einschließlich bestimmter politischer Anliegen wirbt oder dafür Argumente liefert.

Gleiches gilt für die Anforderungen für die Zustimmung. Diese Anforderungen sind im Zusammenhang mit der Zusendung selbst zu sehen und im Einzelfall anhand der Lebenswirklichkeit zu beurteilen. So wird beispielsweise ein Email oder ein SMS mit Urlaubsgrüßen an mehr als 10 Empfänger wohl von der stillschweigenden Zustimmung aller Empfänger gedeckt sein und keinen Verstoß gegen das Verbot darstellen, wenn es sich um Personen handelt, mit denen auch sonst ein entsprechender Kontakt gepflogen wird, während die Zusendung eines Kreditangebotes durch ein Unternehmen, mit dem der Empfänger noch niemals in Kontakt stand, nur durch eine ausdrückliche Zustimmung möglich sein wird."

4.1.3. Die Erwägungsgründe der in den Gesetzesmaterialien genannten Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl L 201 vom , S 37) lauten (auszugsweise):

"(1) Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und insbesondere ihr Recht auf Privatsphäre sicherstellen, um in der Gemeinschaft den freien Verkehr personenbezogener Daten zu gewährleisten.

(2) Ziel dieser Richtlinie ist die Achtung der Grundrechte; sie steht insbesondere im Einklang mit den durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundsätzen. Insbesondere soll mit dieser Richtlinie gewährleistet werden, dass die in den Artikeln 7 und 8 jener Charta niedergelegten Rechte uneingeschränkt geachtet werden.

(3) Die Vertraulichkeit der Kommunikation wird nach den internationalen Menschenrechtsübereinkünften, insbesondere der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, und den Verfassungen der Mitgliedstaaten garantiert.

(4) Mit der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation wurden die Grundsätze der Richtlinie 95/46/EG in spezielle Vorschriften für den Telekommunikationssektor umgesetzt. Die Richtlinie 97/66/EG muss an die Entwicklungen der Märkte und Technologien für elektronische Kommunikationsdienste angepasst werden, um den Nutzern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie den gleichen Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre zu bieten. Jene Richtlinie ist daher aufzuheben und durch die vorliegende Richtlinie zu ersetzen.

(10) Im Bereich der elektronischen Kommunikation gilt die Richtlinie 95/46/EG vor allem für alle Fragen des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten, die von der vorliegenden Richtlinie nicht spezifisch erfasst werden, einschließlich der Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen und der Rechte des Einzelnen. Die Richtlinie 95/46/EG gilt für nicht öffentliche Kommunikationsdienste.

(12) Bei den Teilnehmern eines öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienstes kann es sich um natürliche oder juristische Personen handeln. Diese Richtlinie zielt durch Ergänzung der Richtlinie 95/46/EG darauf ab, die Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere ihr Recht auf Privatsphäre, sowie die berechtigten Interessen juristischer Personen zu schützen.

...

(40) Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, um die Teilnehmer gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung, insbesondere durch automatische Anrufsysteme, Faxgeräte und elektronische Post, einschließlich SMS, zu schützen. Diese Formen von unerbetenen Werbenachrichten können zum einen relativ leicht und preiswert zu versenden sein und zum anderen eine Belastung und/oder einen Kostenaufwand für den Empfänger bedeuten. Darüber hinaus kann in einigen Fällen ihr Umfang auch Schwierigkeiten für die elektronischen Kommunikationsnetze und die Endgeräte verursachen. Bei solchen Formen unerbetener Nachrichten zum Zweck der Direktwerbung ist es gerechtfertigt, zu verlangen, die Einwilligung der Empfänger einzuholen, bevor ihnen solche Nachrichten gesandt werden. Der Binnenmarkt verlangt einen harmonisierten Ansatz, damit für die Unternehmen und die Nutzer einfache, gemeinschaftsweite Regeln gelten.

...

(44) Bei einigen elektronischen Postsystemen können die Teilnehmer Absender und Betreffzeile einer elektronischen Post sehen und darüber hinaus diese Post löschen, ohne die gesamte Post oder deren Anlagen herunterladen zu müssen; dadurch lassen sich die Kosten senken, die möglicherweise mit dem Herunterladen unerwünschter elektronischer Post oder deren Anlagen verbunden sind. Diese Verfahren können in bestimmten Fällen zusätzlich zu den in dieser Richtlinie festgelegten allgemeinen Verpflichtungen von Nutzen bleiben.

(47) Das innerstaatliche Recht sollte Rechtsbehelfe für den Fall vorsehen, dass die Rechte der Benutzer und Teilnehmer nicht respektiert werden. Gegen jede - privatem oder öffentlichem Recht unterliegende - Person, die den nach dieser Richtlinie getroffenen einzelstaatlichen Maßnahmen zuwiderhandelt, sollten Sanktionen verhängt werden."

3.1.4. Art 13 der zitierten Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation lautet:

"Artikel 13

Unerbetene Nachrichten

(1) Die Verwendung von automatischen Anrufsystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung darf nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 kann eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung gemäß der Richtlinie 95/46/EG deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden, sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen bei deren Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt hat.

(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um - gebührenfrei für die Teilnehmer - sicherzustellen, dass außer in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Fällen unerbetene Nachrichten zum Zweck der Direktwerbung, die entweder ohne die Einwilligung der betreffenden Teilnehmer erfolgen oder an Teilnehmer gerichtet sind, die keine solchen Nachrichten erhalten möchten, nicht gestattet sind; welche dieser Optionen gewählt wird, ist im innerstaatlichen Recht zu regeln.

(4) Auf jeden Fall verboten ist die Praxis des Versendens elektronischer Nachrichten zu Zwecken der Direktwerbung, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann.

(5) Die Absätze 1 und 3 gelten für Teilnehmer, die natürliche Personen sind. Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des Gemeinschaftsrechts und der geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften außerdem dafür Sorge, dass die berechtigten Interessen anderer Teilnehmer als natürlicher Personen in Bezug auf unerbetene Nachrichten ausreichend geschützt werden."

3.1.5. Die in dieser Datenschutzrichtlinie angesprochenen Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl 2010 C 83, 389; GRC) lauten:

"Artikel 7

Achtung des Privat- und Familienlebens

Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation."

"Artikel 8

Schutz personenbezogener Daten

(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden.

Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht."

3.1.6. Die im Zusammenhang dieser Unionsgrundrechte ua maßgebliche Bestimmung des Art 52 Abs 1 GRC lautet:

"Artikel 52

Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze

(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen."

3.1.7. § 86 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl I Nr 103/1998 idF BGBl I Nr 153/2001, lautet:

"4. Abschnitt

Fachgruppen und Fachvertretungen

Wählerlisten

§ 86. (1) Für jede Fachgruppe und Fachvertretung ist eine Wählerliste zu erstellen.

(2) In der Wahlordnung sind nähere Bestimmungen über die Anlage der Wählerlisten und ihre Verlautbarung zu treffen.

(3) Jede Landeskammer hat auf Verlangen den in ihrem Wirtschaftsparlament vertretenen Wählergruppen jene Daten zu übermitteln, die zur laufenden Führung der Listen der wahlberechtigten Kammermitglieder notwendig sind. Der Kostenersatz ist vom Präsidium der Landeskammer zu regeln. Den Wählergruppen ist eine Weitergabe dieser Daten untersagt."

3.1.8. § 9 der Wirtschaftskammer Wahlordnung (WKWO), erlassen gemäß § 86 Wirtschaftskammergesetz, lautet:

"Zu § 86

§ 9. (1) Die Namen der Wahlberechtigten sind in der Wählerliste in alphabetischer Reihenfolge anzuführen. Die Wählerlisten können auch regional gegliedert werden.

(2) Die Wählerliste hat zumindest zu enthalten:

1. die Bezeichnung oder Kurzbezeichnung der Fachgruppe (Fachvertretung),


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2.
eine fortlaufende Nummer für jeden Wahlberechtigten,
3.
Zu und Vorname sowie Geburtsdatum des wahlberechtigten Fachgruppenmitgliedes (Mitgliedes der Fachvertretung); sind bei einem Einzelunternehmen Firmawortlaut und Name des wahlberechtigten Firmeninhabers verschieden, ist auch letzterer anzuführen; bei juristischen Personen und sonstigen Rechtsträgern ist der Firmawortlaut anzugeben,
4.
die Mitgliedsnummer,
5.
die Anschrift des Unternehmens; kommen für einen Wahlberechtigten zwei oder mehrere Anschriften in Betracht oder übt er die Berechtigung ambulant aus, so ist von der Wahlbehörde eine Anschrift zu bestimmen,
6.
eine Rubrik für die fortlaufende Nummer im Abstimmungsverzeichnis,
7.
eine Anmerkungs Rubrik für den Hinweis, ob das Wahlrecht mittels Wahlkarte ausgeübt wurde.

(3) Spätestens drei Tage nach der Wahlausschreibung sind vollständige Wählerlisten am Sitz der Fachgruppe, am Sitz der Kammer und Wählerlisten für die in den Bezirk fallenden Bereiche der Zweig wahlkommissionen bei der Regionalstelle (Bezirksstelle) öffentlich aufzulegen und den im jeweiligen Wirtschaftsparlament vertretenen Wählergruppen zur Verfügung zu stellen.

(4) Der Anlage und Auflage der Wählerliste in Papierform ist die Bereitstellung einer automations unterstützt geführten Wählerliste gleichzuhalten."

3.2. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe § 107 TKG unzutreffend ausgelegt. Bei einem elektronischen Ersuchen (E-Mail) um Unterzeichnung einer Unterstützungserklärung für einen Wahlvorschlag anlässlich der Wirtschaftskammerwahl 2010 durch die Zweitbeschwerdeführerin handle es sich nicht um eine "Direktwerbung" iSd TGK, insbesondere sei nicht für ein Produkt oder eine politische Idee geworben worden, vielmehr habe ein konkret Wahlberechtigter im Zuge einer bevorstehenden Wahl zu einer Körperschaft das öffentlichen Recht informiert und eingeladen, das demokratische Recht zur Abgabe einer Unterstützungserklärung für einen Wahlvorschlag gemäß Wirtschaftskammergesetz, Wirtschaftskammerwahlordnung sowie der Wahlkundgebung auszuüben.

Zur Frage einer etwaigen Zustimmung der Empfängerin zum Erhalt der inkriminierten E-Mail führen die Beschwerdeführer insbesondere aus, die Wirtschaftskammer Österreich führe ein öffentlich zugängliches Mitgliederverzeichnis, aus dem Firma, Sitz und Berechtigungsdaten der Mitglieder ersichtlich seien. Die einzelnen Mitglieder könnten in dieses Verzeichnis zusätzlich ihre E-Mail-Adresse selbständig eingeben. Die Empfängerin des beanstandeten E-Mail habe dies getan und somit dem Erhalt von Wahlinformation über Wirtschaftskammerwahlen konkludent zugestimmt. Der Zweitbeschwerdeführerin sei die vollständige Wählerliste (der Wahlberechtigten) gemäß § 9 Wirtschaftskammerwahlordnung zur Verfügung gestellt worden und habe so die E-Mail-Adresse der Empfängerin der beanstandeten E-Mail erhalten.

3.3. Auf dem Boden der dargestellten Rechtsnormen ergibt sich, dass § 107 Abs 2 TKG 2003 dem "Spamming-Verbot" in Umsetzung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation als Spezialvorschrift für den Telekommunikationssektor insbesondere zum Schutze des Grundrechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (und damit des Rechtes auf Achtung der Kommunikation) sowie des Grundrechtes zum Schutze personenbezogener Daten, dient. Für den vorliegenden Zusammenhang ist der Schutzzweck der angesprochenen Grundrechte und Richtlinien im Lichte der oben genannten Erwägungsgründe und Gesetzesmaterialen klar ersichtlich: Es soll eine Verletzung der Privatsphäre durch unerwünschte elektronische Zusendung zu Werbezwecken unterbunden werden. Unerbetene Werbenachrichten können zum einen relativ leicht und preiswert versendet werden, und zum anderen eine Belastung und/oder einen Kostenaufwand für den Empfänger bedeuten. Unerwünschte elektronische Post kann einen etwaigen knappen Daten-Speicherplatz ungebührlich in Anspruch nehmen. Eine diesbezügliche Zusendung ist daher nur statthaft, sofern einem Empfang zuvor zugestimmt wurde.

Zur Erreichung dieses Schutzzweckes ist der Begriff "Direktwerbung" weit und umfassend auszulegen. Schon von daher ist nicht ersichtlich, warum das direkte Bewerben einer politischen Gruppe im Wege eines ohne vorherige Zustimmung des Empfängers zugeschickten E-Mail nicht die oben beschriebenen verpönten Wirkungen zeitigen sollte. Eine weite Auslegung des Begriffes verlangen aber auch die zitierten Gesetzesmaterialen zum TGK 2003, die unter dem Begriff "Direktwerbung" jeden Inhalt verstehen, der für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee einschließlich bestimmter politischer Anliegen wirbt oder dafür Argumente liefert. Zudem hat der Oberste Gerichtshof - in Orientierung an den Gesetzesmaterialien - wiederholt die Auffassung vertreten, dass der Begriff der "Direktwerbung" weit auszulegen ist. Er erfasst jede elektronische Post, die für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee (einschließlich politischer Anliegen) wirbt oder dafür Argumente liefert; darunter fällt etwa auch jede Maßnahme, die dazu dient, auf ein eigenes Bedürfnis und die Möglichkeit seiner Befriedigung hinzuweisen, wobei auch schon die Anregung zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungen diesem Begriff unterstellt werden kann; dabei hindert auch die Gestaltung als Newsletter oder Informations-Mail die Qualifikation als Werbung nicht (vgl Zl 7 Ob168/09w). Im Lichte ihres Vorbringens kann zudem nicht bezweifelt werden, dass die Beschwerdeführer nicht lediglich ein Informationsinteresse im Rahmen der bevorstehenden Wahl befriedigen wollten, sondern dabei insbesondere auch das Erlangen einer Unterstützungserklärung im Auge hatten.

Bei der nach § 107 Abs 2 TKG 2003 erforderlichen Zustimmung handelt es sich um eine Willenserklärung des (zukünftigen) Empfängers elektronischer Post, wobei für diese Zustimmung ein gesetzliches Formerfordernis nicht besteht, sodass auch eine konkludente Zustimmung nicht ausgeschlossen ist (vgl Zl 2007/03/0177 (unter Hinweis auf Zl 2005/03/0143)). Eine konkludente Erklärung kann nur dann angenommen werden, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewillen in einer bestimmten Richtung vorliegt; dass also - bezogen auf den Beschwerdefall - ein bestimmtes Verhalten nur als Einwilligung zum Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken verstanden werden kann (vgl Zl 2007/03/0177, mwH).

Die Eingabe einer E-Mail-Adresse in ein öffentliches Online-Mitgliederverzeichnis ist entgegen der Beschwerde nicht als (konkludente) Zustimmung zum Empfang von elektronischer Post zu Werbezwecken zu verstehen, zumal daraus ein konkreter Rechtsfolgewille zum Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken (für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee einschließlich bestimmter politischer Anliegen samt der Weitergabe von Argumenten dafür) nicht ableitbar ist. Vielmehr ermöglicht ein solches Verzeichnis den potentiellen Kunden des Eingetragenen, anderen im Verzeichnis Genannten sowie jeder Einsicht nehmenden Person die Kontaktaufnahme mit dem Eingetragenen, ohne dass schon die Eintragung die Übermittlung einer elektronischen Post der in Rede stehenden Art rechtfertigen würde.

Wenn sich die Beschwerdeführer auf § 9 Wirtschaftskammerwahlordnung beziehen und vorbringen, sie hätten die E-Mail-Adresse im Zuge des "Zurverfügenstellens" der Wählerlisten an die im jeweiligen Wirtschaftsparlament vertretenen Wählergruppen erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass § 9 der Wirtschaftskammerwahlordnung ua explizit von der Anschrift des Unternehmens, nicht aber von seiner E-Mail-Adresse spricht, und schon deshalb daraus eine Zustimmung zum Erhalt von elektronischer Post zu Werbezwecken nicht abgeleitet werden kann. Das objektive Tatbild des § 107 Abs 2 Z 1 TKG 2003 ist damit erfüllt.

3.4. Schon vor diesem Hintergrund erweisen sich die Verfahrensrügen betreffend die in der Beschwerde behauptete Abgabe einer (konkludenten) Zustimmung (insbesondere im Zusammenhang mit der Aufnahme von Beweisen und der Beweiswürdigung) als nicht zielführend.

3.5. Im Übrigen kann nicht gesehen werden, dass § 107 Abs 2 TKG 2003, auf dessen Grundlage der angefochtene Bescheid erlassen wurde, den Vorgaben des Artikel 52 Abs 1 GRC, soweit dies die Einschränkung der Rechte des Versenders einer unerwünschten elektronischen Post betrifft, nicht entspräche: So ist die Einschränkung gesetzlich vorgesehen und zum wirksamen Schutz der Rechte des Empfängers erforderlich, zumal dieser Schutz ohne das besagte Zustimmungserfordernis nicht erreichbar erscheint. Sie trägt aber insofern auch den Rechten eines Absenders insofern Rechnung, als dieser seine elektronische Post dem Empfänger nach Einholung von dessen Zustimmung ohnehin zusenden darf. Sie ist auch insofern verhältnismäßig, weil dem Absender auch ohne Vorliegen einer Zustimmung andere Wege der Zusendung seiner Post an den Empfänger nicht untersagt werden.

3.6. Da es sich bei der im Beschwerdefall vorgeworfenen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handelt, wäre gemäß § 5 Abs 1 VStG glaubhaft zu machen gewesen, dass an der Umsetzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden gegeben sei. Soweit die Beschwerde von einem geringfügigen Verschulden iSd § 21 VStG ausgeht, ist darauf hinzuweisen, dass es ihr mit den geltend gemachten (zudem nicht weiter konkretisierten) Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter nicht gelingt, ein wirksames Kontrollsystem, mit dem die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften jederzeit sichergestellt werden kann, glaubhaft zu machen (vgl etwa ; ; Zl 2011/03/0078, mwH); Gleiches gilt bezüglich der in der Beschwerde mit den Schulungsmaßnahmen genannten, aber ebenfalls nicht näher konkretisierten "Maßnahmen". Derart kann von einem geringfügigen Verschulden im Sinne des § 21 VStG aber nicht gesprochen werden.

3.7. Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3.8. Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grund des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, zumal der Verwaltungsgerichtshof nach einem Verfahren vor einem unabhängigen Verwaltungssenat - einem Tribunal im Sinne der EMRK - angerufen wurde und vor diesem Verwaltungstribunal eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl etwa , mwH).

Im Übrigen konnte die vorliegende Entscheidung auch auf Grund folgender Überlegungen im Sinne des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl dazu , mwH): Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinen Entscheidungen vom , Nr 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2) und vom , Nr 17.912 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen (vgl auch EGMR vom , Nr 13556/07, Efferl/Österreich, mwH). Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche Fragen betrifft (vgl iSd jüngst EGMR vom , Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 98). Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im vorliegenden Fall aber geklärt. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art 6 Abs 1 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

3.9. Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am